Nicht die Jobkrise, sondern die Krankenversicherung für Rentner steht derzeit im Vordergrund des amerikanischen Wahlkampfes. Die republikanischen Herausforderer wollen hier deutlicher sparen als der US-Präsident.

Washington, DC - Paul Ryan trägt Jeans und Cowboystiefel, und bevor er zu reden beginnt, zeigt er stolz ein Footballtrikot vor, eines der Green Bay Packers, der Topmannschaft Wisconsins. Kaum hat er das Trikot weggesteckt, reitet der neue Star der Konservativen die erste Attacke gegen Barack Obama. Der schüttelt zur selben Zeit Wählerhände in Council Bluffs, einer Kleinstadt am Missouri, nur zwei Autostunden westlich von Des Moines, wo Ryan auf der Iowa State Fair, einer Mischung aus Kirmes und Agrarmesse, den Eindruck erwecken muss, als gäbe es nichts Köstlicheres als Würstchen im Teigmantel.

 

Zwei Stunden auf der Autobahn, für US- Verhältnisse ist das ein Katzensprung. „Ich glaube aber, Obama würde es von Council Bluffs gar nicht bis hier schaffen“, stichelt Ryan. „Denn wenn er abbiegt, dann nur nach links.“ Am Missouri revanchiert sich der Präsident, indem er den Vize-Kandidaten der Republikaner zum wahren Anführer der Grand Old Party erklärt, zum „Chefideologen“ der Partei George W. Bushs.

An Ryan können sich die Demokraten reiben

Seit Mitt Romney den 42 Jahre alten Abgeordneten aus Wisconsin zu seinem Weggefährten kürte, hat das Duell ums Weiße Haus eine merkwürdige Wendung genommen. Fast könnte man glauben, Obamas Rivale hieße nicht Romney, sondern Ryan. Sicher, der Neuigkeitseffekt spielt eine Rolle. Vor allem aber liegt es daran, dass sich die Demokraten an dem polarisierenden Berufspolitiker Ryan besser reiben können als an dem pragmatischen, glatten Geschäftsmann Romney.

Ryan steht für die Grabenkämpfe eines Parlaments, dem die Amerikaner noch schlechtere Zeugnisse ausstellen als dem Weißen Haus, auch wenn sie in erster Linie die Exekutive für hohe Arbeitslosigkeit und schwaches Wachstum verantwortlich machen. Die Vokabel Kongress ist ein Synonym für Totalblockade. Obama kann argumentieren, dass er den Reformstau zwar aufzulösen versucht, die Konservativen in ihrer Fundamentalopposition aber bremsen, wo es nur geht. Mit Ryan hat er den Oberbremser gefunden.

Die Rentner könnten die Wahl entscheiden

Zum anderen haben sich die Pole der Debatte verschoben. Geht es nach Romneys Plan, müsste die Jobkrise im Vordergrund stehen. Für den Moment aber dreht sich alles um ein Sozialprogramm, das im politischen Diskurs bislang nur eine Nebenrolle spielte. Medicare, 1965 von Lyndon B. Johnson durchgesetzt, sichert jedem über 65 eine staatliche, subventionierte Krankenversicherung. Derzeit gibt der Fiskus 548 Milliarden Dollar dafür aus, knapp 15 Prozent des Gesamtetats. In zehn Jahren kann der Posten auf ein Fünftel des US-Budgets anwachsen, falls Korrekturen ausbleiben. Mit Blick auf die Prognosen will auch Obama bei Medicare sparen, allerdings behutsamer als Ryan. Wer gewinnen will, muss in Florida und Ohio siegen. In Ohio sind 17 Prozent aller Wahlberechtigten Rentner – in Florida gar 22 Prozent.