Minus 50 Grad, Eisstürme, menschenleere Wildnis: In Alaska findet einmal jährlich das härteste Schlittenhunderennen der Welt statt - der Yukon Quest.

Fairbanks - Es hörte sich an, als ob die Saite einer Violine gerissen sei“, wird sich Hans Gatt später erinnern. „Der metallische Ton hallte noch ewig in meinem Kopf nach.“ Dann ging alles ganz schnell. Knacken, Krachen, das Eis bricht. Zunächst versinkt der Schlitten mitsamt seinem Führer und dem Gepäck im Birch Creek, dann gibt das dünne Eis auch unter den angeschirrten Huskys nach. Irgendwann stoßen die Kufen endlich auf meterdickes Eis. Glück im Unglück. Das war also einer dieser tückischen Overflows - dünn überfrorenes Strömungswasser, versteckt unter Neuschnee.

 

Der Amerikaner mit österreichischen Wurzeln steckt bis zum Hals im Wasser. Viel Zeit bleibt ihm nicht. Nach drei, vier Minuten stirbt selbst ein abgehärteter Musher bei einer Wassertemperatur um den Gefrierpunkt. Irgendwie kämpft sich der mehrfache Yukon-Quest-Champion aufs feste Eis zurück, zieht Hunde und Schlitten aus dem Loch. Die Quecksilbersäule zeigt 48 Grad unter null, die Feuerzeuge sind unbrauchbar, seine Kleidung sofort stocksteif gefroren. Die Huskys haben es da besser mit ihrem dichten Pelz. Sie schütteln sich einmal, und das war’s.

Jahr für Jahr spielen sich dramatische Szenen ab

Gatt hingegen zieht sich Erfrierungen dritten Grades an seinen Fingern zu, muss deshalb später das Rennen ganz abbrechen. Es hätte aber noch viel schlimmer kommen können für den Mittfünfziger, wenn nicht einer seiner stärksten Konkurrenten, der Deutsch-Kanadier Sebastian Schnülle, zu der Unglücksstelle gekommen wäre. Schnülle macht sofort Feuer und versorgt Gatt mit trockener Kleidung. Jahr für Jahr spielen sich ähnlich dramatische Szenen ab beim Yukon Quest (engl. die Suche) , dem härtesten Schlittenhunderennen der Welt. Doch genau deshalb zieht er Musher wie Abenteuer-Urlauber in seinen Bann. Die Zuschauer haben es indes weit bequemer. Sie fahren in kleinen Konvois mit Geländewagen zu den sogenannten Checkpoints.

Die Feuerwache im amerikanischen Circle City ist so ein Checkpoint. Hier wärmen sich die Musher nach Tagen in subarktischer Wildnis wieder auf, stärken sich mit deftigem Eintopf und heißem Tee - natürlich erst, nachdem sie ihre Hunde versorgt haben. Denn die sind die eigentlichen Stars des Wettbewerbs. Tierärzte haben sich provisorisch eingerichtet zwischen Löschgerät und Feuerschutzhelmen. Journalisten funken aktuelle Rennergebnisse in die Welt. In Alaska und im Yukon Territory geht so etwas noch. Die Magie des Nordens vereint alle auf friedlichste Art und Weise, die Liebe zu den Huskys tut ihr Übriges. Von weit her sind die Musher über den mächtigen Yukon-Strom in die 92-Seelen- Gemeinde Circle City gekommen.

In Whitehorse, der Hauptstadt der kanadischen Provinz Yukon Territory, hatte ihr großes Abenteuer in der Vorwoche begonnen. 25 Teams folgen der alten Post- und Handelsroute aus Zeiten des großen Goldrauschs um 1900, die die legendären Schürfgebiete am Klondike River bei Dawson mit der Außenwelt verband. Es war die Ära der beinharten Einzelkämpfer wie Percy de Wolfe. Der Postunternehmer sollte als „Iron Man of the North“ in die Geschichte eingehen. Über 40 Jahre lang beförderte er Briefe zwischen Eagle in Alaska und Dawson in Kanada.

„Wenn du vorne läufst, bist du der Hase"

Er brachte langersehnte Kunde von Frauen, Müttern und Kindern aus der fernen Heimat zu den entwurzelten Goldschürfern, die allesamt auf den großen Reichtum hofften. Bis heute ist Percy de Wolfe die Ikone der Schlittenhundeführer. Von Whitehorse führt ihre erste Etappe über 100 Meilen oder 161 Kilometer zum ersten Checkpoint nach Braeburn. Schon bald sortiert sich das Feld. Vorn die Aspiranten auf den Titel, hinten diejenigen, bei denen nur die Teilnahme zählt. „Wenn du vorne läufst, bist du der Hase, den die Meute hetzt“, sagt der Quest-Gewinner von 2012, Hugh Neff.

Die Schaulustigen können das Geschehen nur von bestimmten Punkten aus verfolgen, nämlich immer dort, wo eine befahrbare Straße die Rennstrecke kreuzt. Das passiert aber eher selten. So treffen sich die Touristen an solchen neuralgischen Punkten immer wieder, fachsimpeln und tauschen sich aus mit Informationen, wo es die nächste Tankstelle gibt oder einen beheizten Schlafplatz für die Nacht. Derweil jagen die Gespanne Dawson City entgegen, kämpfen gegen Berge, Kälte, Einsamkeit und totale Erschöpfung an. Manche Musher kommen vom Weg ab und verlieren sich im Nirgendwo. Einige schlafen selbst im Stehen oder halluzinieren gar. „Manchmal sehe ich Geister über den Bergen tanzen, weiß nicht so recht, ob ich träume oder noch wach bin“, schildert der amtierende Champion Allen Moore seine selbst gewählte Odyssee. Nur gut die Hälfte der Gespanne wird es am Ende bis nach Fairbanks schaffen.

Kurz vor der Ziellinie hat der Eagle Summit in den White Mountains schon so manchen Traum vom nahen Sieg zunichtegemacht. Hier scheiterte selbst Haudegen Hugh Neff, als über der vegetationslosen Kuppe ein Eissturm fegte und die gefühlte Temperatur auf unerträgliche minus 80 Grad fiel. Manchmal sind es eben nicht die gehetzten Hasen, die das Rennen machen, sondern die alten: Mit 55 Jahren entschied der sympathische Allen Moore den Wettkampf 2013 für sich. Der gleichaltrige Hans Gatt will es in diesem Jahr etwas ruhiger angehen lassen. Er hat sich lediglich für das etwas leichtere Iditarod Sled Dog Race gemeldet. Sebastian Schnülle hingegen bleibt dem Yukon Quest treu, auch wenn er 2014 nur die verkürzte Variante über 300 Meilen fahren will.

So wird das Wetter für die Weltreise

Infos zu Alaska

Anreise
Entweder man beginnt seine Yukon-Quest-Tour in Alaska/USA (Flug von Seattle mit Alaska Airlines, www.alaskaair.com , nach Fairbanks) oder aber im Yukon/Kanada (Flug von Vancouver mit Air Canada, www.aircanada.com , nach Whitehorse). Beide Optionen ab Frankfurt a. M. ca. 850 Euro retour.

Unterkunft
Einfach, rustikal und urig: Minnie Street B&B, DZ im Winter ab 70 Euro, www.minniestreetbandb.com , Chena Hot Springs Resort mit großem Geothermal-Außenpool, DZ ab 110 Euro, www.chenahotsprings.com.

Wer keine besonderen Ansprüche hat, kann während des Rennens in abgelegenen Orten ohne Hotel auch in der beheizten Sporthalle oder der Schule nächtigen. Eigenen Schlafsack mitbringen!

Yukon Quest
Das Yukon Quest International Sled Dog Race gilt als das schwerste und härteste Schlittenhunderennen der Welt. Der diesjährige 31. Wettbewerb beginnt am 1. Februar in Fairbanks/Alaska und dauert ca. zwei Wochen. Die schnellsten Musher schaffen die 1600 Kilometer zwischen Fairbanks/Alaska und Whitehorse/Yukon in nur 10 Tagen, www.yukonquest.com

Pauschalen
Einige Spezial-Veranstalter schnüren individuelle Pakete, z. B. Pioneer Tours (www.pioneertours.de). Der mehrfache Yukon-Quest-Gewinner Sebastian Schnülle bietet verschiedene Hundeschlittentouren, von halbtags bis mehrwöchig, an, www.bluekennels.de .

Allgemeine Informationen
Kostenloses Infomaterial und Auskünfte über www.explorefairbanks.de (Alaska) oder bei www.travelyukon.de (Yukon)