Die Kanzlerin reist nach Washington – voller Unsicherheit. Will US-Präsident Donald Trump über Gemeinsamkeiten reden oder lieber den Konflikt suchen?

Berlin - Drei Tage haben Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und Donald Trump gerade gestenreich eine Männerfreundschaft zur Schau gestellt, drei Stunden widmet sich der US-Präsident an diesem Freitag Angela Merkel. Kein Wunder also, dass im Umfeld der Kanzlerin tags zuvor der Unterschied zwischen lange geplanten pompösen Staatsbesuchen und dem Arbeitsbesuch der kürzlich wiedergewählten Regierungschefin betont und routinierte Zuversicht verbreitet worden ist: „Sie freut sich auf den Besuch, weil sie überzeugte Transatlantikerin ist.“

 

Routine aber ist das Treffen mit dem Mann im Weißen Haus keinesfalls – vor allem weil die Berliner Delegation nicht wirklich weiß, was auf sie im Gespräch mit Trump zukommt. „Es kommt darauf an, ob er mit uns auch über Gemeinsamkeiten oder nur über die Konfliktpunkte reden will.“ Und davon gibt es tatsächlich genug.

Der Handel ist größter Streitpunkt

Die Handelspolitik ist der größte Knackpunkt, da nach 1. Mai auch für europäische Stahlprodukte Strafzölle erhoben werden könnten – wenn eine kürzlich erwirkte Ausnahmeregelung ausläuft. Die Erwartungen in diese Richtung sind allerdings niedrig, vielmehr rechnen sie in der Bundesregierung nicht mehr damit, Trump noch umstimmen zu können. Das Augenmerk ist daher in die Zukunft gerichtet, auf Verhandlungen über verschiedene strittige Handelsthemen, die man demPräsidenten schmackhaft machen will. Allein über die deutschen Autos zu reden, wie das Trump vorzuschweben scheint, wird in deutschen Regierungskreisen jedoch als „nicht akzeptabel“ zurückgewiesen.

Der US-Präsident hat sich schon lange auf den deutschen Exportüberschuss im allgemeinen und die Autoindustrie im speziellen eingeschossen – weshalb im Kanzleramt reichlich Statistiken gesammelt wurden, um die Vorwürfe zu entkräften. So sei der Leistungsbilanzüberschuss immerhin von 2,1 auf 1,6 Prozent der Wirtschaftsleistung gesunken. Es würden mehr Autos deutscher Hersteller aus den USA ausgeführt als eingeführt. Und so wie die Vereinigten Staaten im Welthandelsvertrag von 1994 einen 48-prozentigen Schutzzoll für Schuhe ausgehandelt habe, liege der Zoll für EU-Autoeinfuhren mit zehn Prozent eben sieben Prozentpunkte höher als in die andere Richtung. Rechne man die für die Amerikaner so wichtigen Pick-Ups und SUVs hinzu, heißt es in Regierungskreisen, relativiere sich der Unterschied sogar noch.

Ärger wegen der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2

Zwei weitere Konfliktthemen betreffen den Umgang mit Russland. Die US-Seite wirft der deutschen vor, sich mit der Unterstützung der Gaspipeline Nord Stream 2 noch abhängiger von Moskau zu machen. In internen Gesprächen hantiert Washington offenbar mit einem Anteil von 60 Prozent des deutschen Verbrauches – in Regierungskreisen wurde dem am Donnerstag die Marke von 37 Prozent entgegengesetzt. Zudem wurde darauf verwiesen, dass man inzwischen die politische Bedeutung der Pipeline anerkennt und eine garantierte Durchleitungsmenge für die Ukraine unterstützt. Merkel wiederum ist ein Dorn im Auge, dass Anfang April beschlossene US-Sanktionen gegen mehrere russische Oligarchen über Umwege die deutsche Wirtschaft treffen, „und zwar empfindlich“, wie ein Regierungsvertreter anfügt.

Wie soll es weitergehen mit dem Iran?

Zu den außenpolitischen Streitpunkten gehört weniger Syrien, wo die Bundesregierung den US-geführten Raketenbeschuss politisch unterstützt hat. Die größte transatlantische Zerreißprobe ist vielmehr der Iran. Am 12. Mai will Trump über Sanktionen gegen Teheran entscheiden, was einer einseitigen Aufkündigung des Atomabkommens von 2015 gleichkäme. Wie zuletzt Macron will nun auch Merkel für den Erhalt des in jahrelangen Gesprächen zustandegekommenen Vertrages werben. Anbieten will man Verhandlungen über „zusätzliche Elemente“. Amerikaner und Europäer sind sich schließlich weitgehend einig in der Bewertung, dass der Iran in Syrien eine verhängnisvolle Rolle spielt, die Entwicklung von Interkontinentalraketen eine Bedrohung darstellt und nukleare Sicherheitsgarantien über die Laufzeit des jetzigen Abkommens hinaus notwendig sind. Ob Trump einschlägt, ist ungewiss.

Das liegt auch daran, dass der Austausch auf der Arbeitsebene zwar angeblich „sehr gut“ sein soll, an der Spitze aber noch immer eher sporadischer Natur ist. In Berlin wurde deshalb am Donnerstag betont, dass ihre erste außereuropäische Reise nach der Wiederwahl die Kanzlerin in die USA führe. Doch es ist auch nicht sicher, ob Donald Trump diese Geste zu schätzen weiß.