Tim Walz, Kamala Harris’ „Running Mate“, bringt Leichtigkeit in den Wahlkampf einer bitter gespaltenen Nation.

Im Hintergrund läuft ein schwarzer Labrador die Treppe herunter, während der zupackende Kerl im T-Shirt direkt in die Kamera spricht. In einfachen Worten verspricht der neue Vizepräsidentschaftskandidat Kamala Harris, „Freude in unsere Politik zurückzubringen“. So wie in dem Midwest-Staat Minnesota, dessen Einwohner sich zu den glücklichsten in den USA zählen. Was auch mit Tim Walz zu tun hat, der als Gouverneur eine pragmatische Politik machte, die breiten Rückhalt in der Bevölkerung genießt.

 

Wie selbstverständlich spricht er in dem kurzen Vorstellungsvideo nach seiner Wahl zum „Running Mate“ darüber, für reproduktive Rechte der Frauen, die Mittelklasse und die Demokratie einzutreten. Wie in seinen Zeiten als Football-Trainer an der Highschool fordert er die Amerikaner auf, sich von dem Optimismus Harris’ mitreißen zu lassen. „Kommt raus, spürt die Begeisterung und macht mit.“

National bisher wenig bekannt

Treffender hätte sich der national bisher wenig bekannte Gouverneur aus Minnesota kaum einführen können. Laut einer von ABC in Auftrag gegebenen Umfrage gaben kürzlich nur 13 Prozent der Amerikaner an, von dem Mann mit der volkstümlichen Ausstrahlung eines Dads aus dem Mittleren Westen gehört zu haben. Und das obwohl er seit einiger Zeit an der Spitze der Vereinigung demokratischer Gouverneure steht.

Das wird sich über die kommenden Tage ändern, wenn Harris ihr „Running Mate“ mit Auftritten in allen sieben Swing States vorstellen wird. Den Auftakt wollte sie am Dienstagabend in Philadelphia im Bundesstaat Pennsylvania machen. Danach sind Kundgebungen in Michigan, Minnesota, Nevada, Arizona, North Carolina und Georgia geplant.

Walz größtes Pfund ist die Selbstverständlichkeit, mit der er progressive Inhalte verkaufen kann. Eine Kunst, die der in einer Kleinstadt von Nebraska zur Welt gekommene Walz in seiner ungewöhnlichen Karriere zur Vollendung brachte. Zunächst hatte die nichts mit der Politik zu tun.

Er meldete sich mit 17 Jahren freiwillig zur Nationalgarde, der er über fast ein Vierteljahrhundert angehörte. Anschließend ging er zu dem kleinen staatlichen „Chadron State College“, um einen Abschluss für das Lehramt erwerben. Nach seinem Abschluss 1989 lernte er Ehefrau Gwen kennen, mit der er in deren Heimatstaat Minnesota zog. Die beiden zogen dort zwei Kinder groß.

Fünfmal wiedergewählt

Der Einstieg in die Politik kam erst später, 2006, als Walz gegen den republikanischen Amtsinhaber im ersten Kongressbezirk von Minnesota kandidierte. Ein ländliches Gebiet, das gewöhnlich Republikaner in den US-Kongress schickt. Der passionierte Jäger, der jahrelang ein A-Rating der „National Rifle Association“ hatte, entschied das Rennen für sich. Und schaffte es fünfmal wiedergewählt zu werden.

2019 kehrte er aus dem US-Kongress nach Minnesota zurück, um für das Gouverneursamt anzutreten. Er setzte sich mit elf Prozent Vorsprung durch und half den Demokraten 2022, die Mehrheit in beiden Häusern des Staatsparlaments zu gewinnen. Dort setzte er progressive Prioritäten durch. Angefangen bei der rechtlichen Absicherung des straffreien Zugangs zu Schwangerschaftsabbrüchen über bezahlten Krankheits- und Familienurlaub, die Entkriminalisierung von Marihuana und strengere Waffengesetze.

Letzteres kostete ihn das A-Rating der Waffenlobby. Walz meinte dazu lapidar, das koste ihm nicht den Schlaf. Dass er seine Position zum Waffenrecht nach den Massakern an der Highschool in Parkland verändert habe, sei einfach nur eine richtige Entscheidung gewesen.

Fakten zu Tim Walz

  • 1964 in West Point (Nebraska) geboren
  • seit 2019 Gouverneur des Bundesstaats Minnesota
  • vorher Abgeordneter im Repräsentantenhaus (seit 2006)
  • ehemaliger Lehrer und Football-Trainer
  • hat zwei Kinder
  • nach der Highschool trat Walz der Nationalgarde bei
  • Abschluss am College im Fach Sozialwissenschaften (1989)
  • Vorsitzender der Democratic Governors Association (DGA), einer Vereinigung von Gouverneuren, die den Demokraten angehören

Walz genießt Zustimmungswerte von 55 Prozent

Nichts von dem hat Walz politisch geschadet. Im Gegenteil – er genießt Zustimmungswerte von 55 Prozent. Was in den bitter gespaltenen USA eine Seltenheit ist. „Er ist echt“, erklärt die ehemalige US-Senatorin Heidi Heitkamp aus dem Nachbarstaat North Dakota den Appeal des grauhaarigen „Dudes“, der wie ein normaler Mensch spricht.

Heitkamp zieht damit einen Kontrast zu dem „nicht authentischen“ J.D. Vance, dem „Running Mate“ Trumps, zu dem Walz die Antithese sei. „Eine normalere Person als Tim werden sie nicht treffen“, beschreibt die Ex-Senatorin den Vizepräsidentschaftskandidaten. Das räumen selbst republikanische Strategen ein, die Walz ungewöhnliche Karriere verfolgt haben. Die einzige wirkliche Angriffsfläche, die er bietet, ist die verspätete Reaktion der Nationalgarde auf die Unruhen nach dem Mord an dem Schwarzen George Floyd. Die Republikaner machen das späte Eingreifen der Sicherheitskräfte für die Plünderungen und Krawalle verantwortlich.

Heitkamp erinnert im Guardian daran, wie es das „Running Mate“ versteht, Humor in die Politik einzuführen. „Niemand hat Trump sonderbar bezeichnet, bevor es Walz getan hat“, erinnert sie an seinen Instinkt, mit einfachen Worten politische Gegner zu definieren. Ohne dabei in einen negativen Ton zu fallen. Walz sprach vielen Amerikanern aus dem Herzen, als er die von Trump und Vance forcierte Spaltung in den USA beklagte. „Nicht einmal zu Thanksgiving können wir mehr zu einem Abendessen mit einem Onkel kommen ohne einen sonderbaren Streit, der vollkommen unnötig ist“, kritisierte er die Trump-Anhänger. „Ja, das ist wahr. Diese Typen sind einfach schräg.“

Damit traf Walz einen Nerv. Seitdem ist das Wort „weird“ in aller Munde. Und es wird nicht die letzte Änderung sein, die er mit in den Wahlkampf bringt. Erstmals seit langer Zeit kehrt mit ihm wieder Leichtigkeit in die amerikanische Politik zurück.