Platz, Pulverschnee, perfekter Service findet man  auf den Pisten im US-Bundesstaat Utah.

Geschafft! Nach 45 Minuten Schlangestehen sind Kinder samt Skiern in der Gondel verstaut. Nach den ersten Schwüngen auf einem völlig überfüllten Hang bin ich dann das erste Mal bedient. Noch vor dem Einreihen ins nächste Menschenknäuel liegt mein Sohn auf dem Bauch. Ungebremst ist ein Pistenrowdy in die Wartenden am Skilift im Kleinwalsertal gerast. Im Park City Mountain Resort im US-Staat Utah hätte man dem Mann den Skipass abgenommen. Amerikaner bleiben beim Skifahren entspannt – solange alle aufeinander Rücksicht nehmen. Wer sich an diese oberste Regel nicht halten will, hätte schon auf europäischen Pisten nichts verloren. Auf einen Ski-Trip nach Utah sollte er in jedem Fall verzichten. Auf Ordnungsliebe, wie sie den Deutschen nachgesagt wird, treffen wir nicht im Allgäu oder in Tirol, sondern im Mountain Resort, in Deer Valley und in The Canyons oder im ein paar Täler von Park City entfernten mondänen Skiort Alta. Kein Lift ohne Einweiser, der jedem ein „Have a nice run“ entgegenlächelt, aber sonst penibel darauf achtet, dass nicht gedrängelt wird. „Keep in the line, guys“(stellt euch bitte hinten an, Jungs). Zwei schätzungsweise 13 Jahre alte Jungen zucken kurz zusammen. Verstanden.

 

Natürlich reist niemand um die halbe Welt, nur um dem Stress auf mitteleuropäischen Skipisten zu entgehen. Es ist der besondere Schnee, der Brettl-Enthusiasten in die Rocky Mountains lockt. Die Tourismuswerber von Utah reklamieren für sich, dass die weiße Unterlage nirgends besser sei als im Mormonenstaat. „Greatest snow on earth“ (bester Schnee der Welt) lautet der Slogan in den Reiseführern, meist in Verbindung mit dem Foto von einem Könner in hüfthohem Pulverschnee.

Rückblende: Zwei Tage vorher sind wir auf dem überschaubaren Flughafen von Salt Lake City gelandet. Eine Woche lang wollen wir dem Könner nacheifern. Der wegen des hohen Salzgehalts in der Luft staubtrockene sogenannte Powder in den Rockies mache es möglich, hatten uns USA-erfahrene Skikumpel vorgeschwärmt. 14 Tage habe es nicht geschneit, erfahren wir jedoch während des gut halbstündigen Transfers vom Airport am großen Salzsee nach Park City. Tiefschneeabfahrten werden wohl ausfallen. Warten auf uns abgeschabte Pisten, wie wir sie aus schneearmen Wintern in den Alpen kennen?

Bester Schnee der Welt – „Ich zeig ihn Euch“, verspricht uns unser Guide J. R., ein Skifahrer alter Schule. Wir stehen an der Talstation des Park City Mountain Resort, jenem der drei Skigebiete, das dem Zentrum der ehemaligen Silberminenstadt am nächsten liegt. Hüfthohen Tiefschnee kann nach zwei Wochen ohne Schneefall auch J. R. nicht herbeizaubern. Den Anspruch der Werber würden die meisten durchschnittlich begabten Skifahrer aus Europa dennoch eingelöst sehen. Wer von Schneeraupen glatt gebügelte Pisten liebt, fühlt sich beim talwärts Gleiten wie auf Schienen. Wer es anspruchsvoller mag, findet jede Menge Buckelpisten, die nicht von Massen von Vorgängern ausgefahren sind. Eine für amerikanische Verhältnisse vereiste Piste ginge in den Alpen jederzeit als Pulverschneehang durch. Einen besonderen Spaß bereitet dabei das sogenannte Tree-Skiing: das Wedeln zwischen den Bäumen auf den zahlreichen mit Espen bewachsenen Bergrücken. Ausflüge ins Gelände sind praktisch überall erlaubt und lohnen selbst bei mäßiger Schneelage. Dank J. R. müssen wir nicht lange danach suchen.

Am ersten Tag fordert die achteinhalbstündige Zeitverschiebung rasch ihren Tribut. Kopfschmerzen und Übelkeit bleiben bis zum Abend unsere Begleiter. Wir sind den Skitag zu forsch angegangen. Beim Après-Ski beschränken wir uns auf zwei Bier im No Name Saloon, einer Kneipe im historischen Teil von Park City, das sich selbst als Partystadt bezeichnet. Party heißt allerdings nicht: Schirmbar mit Anton-aus-Tirol-Gegröle. In den zahlreichen Clubs gibt es vor allem Rock und Blues, von Live-Bands gespielt. Auf dem Weg zurück ins Hotel beginnt es zu schneien.

Zu wenig, um endlich bis zur Hüfte im Neuschnee zu versinken, müssen wir am nächsten Morgen feststellen. Im wenige Kilometer außerhalb von Park City gelegenen Gebiet von Deer Valley reicht der Neuschnee für den Ritt durchs Gelände aber allemal.

Neben der Disziplin auf den Pisten, an die sich alle halten, erfährt der Skifahrer in Utah wie fast überall in den USA einen Service, wie man ihn in den Alpen nicht kennt, der aber seinen Preis haben kann. Einen „Groomed Run Report“, eine täglich aktualisierte Liste der gewalzten Pisten, bekommt man auch an anderen Talstationen ausgehändigt. In Deer Valley, dem Skirevier der Reichen, treiben die Liftbetreiber den Servicegedanken auf die Spitze. Eigens engagiertes Personal trägt einem beispielsweise die Skier zum Lift und wieder zurück. Als Europäer ist man peinlich berührt, wenn einem ein Mann Ende fünfzig die Skier abnimmt. Ein Trinkgeld, auf das viele Bedienstete im US-Tourismusbetrieb angewiesen sind, lehnt er ab: „That’s my Job.“ Einer der Leitsätze im Deer Valley, zu dem Snowboarder übrigens keinen Zutritt haben. US-Filmstars wie Danny DeVito oder Owen Wilson besitzen mitten im Skigebiet eine Villa. Durch manche Anwesen führen sogenannte Private Runs.

In The Canyons, dem jüngsten der drei Ski-Resorts von Park City, treffen wir wieder auf so etwas wie Normalität. The Canyons kommt einem Skigebiet europäischer Prägung am nächsten. Von der Zahl der Abfahrten her ist The Canyons das größte und bietet die meiste Abwechslung. Der letzte Skitag führt uns nach Alta, mit dem Auto von Park City aus via Salt Lake City in einer guten Stunde zu erreichen.

Alta gibt sich noch ein Stück extravaganter als Deer Valley. Keine Snowboards, klar. Der Clou ist, dass ab einer bestimmten Anzahl verkaufter Tageskarten die Alta Ski Area geschlossen wird. Überfüllte Pisten gibt es nicht. Punkt neun stellen sich die Skifahrer in Sechserreihen an der Talstation an. „Front row, please“ (vordere Reihe bitte), ruft der Einweiser. Kein Drängeln, kein Schubsen. In Alta finden wir dann doch noch den typischen Utah-Powder, wenn auch nur kniehoch. Devils Castle heißt das Felsmassiv, unterhalb dessen sich ein jungfräulicher Tiefschneehang ausbreitet. Selbst durchschnittlich begabte Skifahrer schwingen in gleichmäßigem Rhythmus talwärts und stellen müde, aber zufrieden fest: Skifahren in Übersee kann zum Erlebnis mit hohem Spaßfaktor werden – auch bei mäßiger Schneelage.

Skifahren in Utah

Utah
In Utah gibt es 13 Skigebiete ( www.skiutah.com), alle erreichbar von der einstigen Olympiastadt Salt Lake City aus. Wintersportzentrum ist Park City ( www.parkcityinfo.com), eine halbe Autostunde von Salt Lake City entfernt, mit drei Ski-Arenen (Park City Mountain Resort, Deer Valley, The Canyons).

Park City
Park City wurde 1870 gegründet, um dort Blei, Gold und Silber abzubauen. Als sich nach 1950 an der Wasatch-Bergkette der Wintersport zu entwickeln begann, gewann die Stadt wieder mehr an Bedeutung. Heute hat sie etwa 7500 Einwohner. Bei den Olympischen Winterspielen 2002 war Park City Schauplatz von Ski- und Snowboard-Wettbewerben.

Anreise
Es empfiehlt sich, ein Komplettpaket (Flug, Unterkunft, Skipass, Transfer/Mietwagen) zu buchen. So bietet der Veranstalter Faszination Ski (www.faszinationski.de) eine Woche Skifahren für zwei Personen in Park City ab Frankfurt für rund 3200 Euro an. Weitere Anbieter: USA Skireisen (www.skireisen-usa.eu), Ski Wild West (www.skiwildwest.de).

Aktivitäten
Neben dem Skifahren bietet Park City jede Menge andere Winterabwechslung, etwa eine Snowmobiltour. Das ökologisch nicht korrekte, aber mit einem erheblichen Spaßfaktor versehene Vergnügen kostet für eine Stunde umgerechnet etwa 70 Euro. Anbieter auch für andere Aktivitäten finden sich auf der Homepage von Park City. Die Silberminenstadt ist Austragungsort des von Hollywoodstar Robert Redford ins Leben gerufenen Sundance Filmfestivals (www.sundance.org). Das jährliche Filmfest für Independentfilme findet 2011 vom 20. bis zum 30. Januar statt. Empfehlenswert: ein Besuch der High West Distillery (www.highwest.com). Vor einem Jahr öffnete die erste Whisky-Destillerie Utahs seit fast 140 Jahren. Wer Zeit hat, für den lohnt sich ein Ausflug ins vier Autostunden entfernte Städtchen Moab (www.moab.net) und in die dortigen Nationalparks.

Alkohol
Europäer müssen in Utah nicht auf Bier oder ein Glas Wein nach dem Skispaß verzichten. Gelockerte Alkoholgesetze im Mormonenstaat erlauben Après-Ski in Kneipen und Pubs jenseits des Alpen-Ballermanns.