Ein Dokumentarfilm über den Schriftsteller Uwe Tellkamp gibt Einblick in die Denke eines wütenden Autoren und bestimmten Milieus. Der TV-Film wird von Zehntausenden im Internet angeklickt.

Eine Doku über den umstrittenen Schriftsteller Uwe Tellkamp (53) hat sich in der 3sat-Mediathek zu einem kleinen Hit entwickelt. In den ersten fünf Tagen nach der linearen Ausstrahlung sei der Dokumentarfilm „Der Fall Tellkamp - Streit um die Meinungsfreiheit“ auf gut 38 000 Sichtungen gekommen, teilte der Sender der Deutschen Presse-Agentur mit. Das sei für eine Kulturdoku ein guter Wert. 78 Prozent der Sichtungen entfielen demnach zunächst auf die 3sat-Mediathek und 22 Prozent auf die ZDF-Mediathek.

 

Die Doku „Der Fall Tellkamp – Streit um die Meinungsfreiheit“ lief am 18. Mai um 20.15 Uhr auf 3sat und soll am 12. Juni (auf die Hälfte gekürzt) im ZDF laufen (um 0.35 Uhr in der Nacht zum 13.6.).

Neuer Roman: „Der Schlaf in den Uhren“

Bei der regulären Ausstrahlung zur besten Sendezeit sahen den Film am Mittwoch vergangener Woche im Schnitt etwa 190 000 Menschen, was einem Marktanteil von 0,7 Prozent entsprach. An dem Abend war das Finale der Europa League der Quotenhit (Eintracht Frankfurt gewann gegen die Glasgow Rangers). Für 3sat war der Abend insbesondere in den westlichen Bundesländern kein Erfolg, im Osten dagegen habe die Akzeptanz auf dem normalen Sendeplatzniveau gelegen, so der Sender.

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In der Doku geht es um den Schriftsteller Uwe Tellkamp („Der Turm“), der soeben seinen neuen Roman „Der Schlaf in den Uhren“ veröffentlicht hat. Er ließ sich zwei Jahre immer wieder begleiten. Zu Wort kommen im Film unter anderem auch die Dresdner Buchhändlerin Susanne Dagen, die Schriftstellerin Monika Maron, der Autor Ingo Schulze, der Theologe und Politiker Frank Richter sowie die Journalisten Stefan Locke (F.A.Z.) und Martin Machowecz („Die Zeit“).

Film sei „ziemlich gelungen“

Die „Süddeutsche Zeitung“ nannte den Film „ziemlich gelungen“: „Der Film von Andreas Gräfenstein verhandelt den Fall Tellkamp unter dessen reger persönlicher Mitwirkung, er verhandelt Fragen von Konflikt und Ausgleich in der Gesellschaft, und vor allem solche der Meinungsfreiheit.“ Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ sah in „Gräfensteins Werk eines über den intellektuellen Mikrokosmos Dresden“. „Die Welt“ meinte, an der Kritik von Tellkamp und auch Maron im Film, die sie an der veröffentlichten Meinung in Deutschland üben, „offenbart sich ein Problem der Medien mit Ostdeutschland“.

Die „Neue Zürcher Zeitung“ schrieb, der Film gerate „zum großartigen Porträt einer verletzten und wütenden Seele“: „Der Film ist auch der Versuch einer Vergangenheitsbewältigung, die natürlich nicht gelingt, weil sich Tellkamp nach wie vor über alles ärgert: über die Zeitungen, die Zugezogenen in Dresden, die Grünen.“ Die „NZZ“ wünscht Tellkamp „ein schlechteres Gedächtnis“, weil seine Reden durchsetzt seien von Zitaten aus Zeitungen gegen ihn oder seine Literatur.

Tellkamp in Deutschland in der Kritik

In seinem Erfolgsroman „Turm“ (2008) arbeitete Tellkamp einst die letzten Jahre der DDR von 1982 bis 1989 im bürgerlichen Dresdner Milieu auf. Er bekam dafür unter anderem den Deutschen Buchpreis.

Das Buch wurde 2012 auch von der ARD verfilmt (Regie: Christian Schwochow) mit Jan Josef Liefers, Claudia Michelsen und Sebastian Urzendowsky in den Hauptrollen.

Autor Tellkamp steht seit ein paar Jahren nach Äußerungen über Flüchtlinge und angeblich drohende Repressionen gegen Andersdenkende in Deutschland in der Kritik. „Die meisten fliehen nicht vor Krieg und Verfolgung, sondern kommen her, um in die Sozialsysteme einzuwandern, über 95 Prozent“, sagte er 2018. Und: Wer sich kritisch äußere, werde in die rechte Ecke gestellt. Sein Verlag ging damals auf Distanz, in sozialen Medien gab es Kritik, aber auch Zuspruch.

„Das Wörtchen „um“ war das Problem“, sagt Tellkamp zu seinem Satz von damals. Es sei nichts Verwerfliches, nach einem besseren Leben zu suchen, er würde das genauso machen. Deutschland habe eine gewisse Pflicht zur Aufnahme, aufgrund seiner Geschichte. „Aber es braucht eine Debatte darüber, wer zu uns kommen darf und warum.“ Auch über andere Probleme, Verwerfungen und Spannungen in der Gesellschaft, „muss diskutiert werden können, und das sanktionsfrei“, meint Tellkamp. Stattdessen gebe es in der heutigen Bundesrepublik einen „Gesinnungskorridor“ zwischen gewünschter und geduldeter Meinung.