Sie hat ihre Opfer bespuckt und mit dem Hammer geschlagen. Das Landgericht Heilbronn sprach die 32-jährige trotzdem frei – weil sie psychisch krank ist.

Vaihingen/Enz - Kurz vor der Urteilsverkündung flüsterte die Angeklagte ihrem Verteidiger noch zu: „Mein Herz rast.“ Für sie ging es um viel: Der 32-Jährigen wurden Beleidigung in drei Fällen, Körperverletzung und schwere Körperverletzung vorgeworfen. Sie hatte im vergangenen Jahr die Besitzer eines Pferdehofs bei Vaihingen/Enz beleidigt und angespuckt, außerdem eine Friseurin mit dem Kopf gegen eine Wand geschlagen, zu Boden geworfen und mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Besonders drastisch ging sie gegen eine Frau im pfälzischen Landau vor: sie lauerte ihr auf, beleidigte sie und schlug ihr mit einem Hammer in den Rücken.

 

Zum Prozessauftakt am Mittwoch vor dem Heilbronner Landgericht hatte die Angeklagte die Taten gestanden. In der Folge ging es vor allem darum, inwiefern die Frau, die zum Zeitpunkt der Taten in Vaihingen/Enz wohnte, überhaupt als schuldfähig gelten kann. Denn der Gerichtsgutachter attestierte der Frau eine paranoide Schizophrenie: Die Angeklagte habe zum Zeitpunkt der Taten unter Verfolgungswahn und Wahnvorstellungen gelitten.

Das erste Gutachten erkannte keine Schizophrenie

Wegen dieser Diagnose war der Fall überhaupt erst ans Landgericht gekommen, denn das ist für Sonderfälle zuständig, bei denen die vor Gericht stehenden Personen in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden müssen. Ursprünglich sollte am Amtsgericht Vaihingen/Enz verhandelt werden. Dort hatte man in einem ersten Gutachten keine psychische Erkrankung der Frau festgestellt – wohl auch, weil die Angeklagte fähig sei, zu „dissimulieren“, sprich: ihre Symptome für eine gewisse Zeit zu unterdrücken.

Der Staatsanwalt und der Verteidiger waren sich dann am Freitag in ihren Plädoyers weitgehend einig: Da die Frau ihre Taten unter dem Einfluss ihres Wahns begangen habe, habe bei ihr weder eine Unrechtseinsicht noch eine Steuerungsfähigkeit bestanden – zentrale Voraussetzungen für eine Schuldfähigkeit. Der Staatsanwalt rechnete damit, dass bei der Angeklagten ohne regelmäßige Einnahme des Medikaments Zyprexa „in jedem Fall mit weiteren Straftaten“ zu rechen sei. Der Verteidiger stimmte dem zu, konnte sich aber einen Seitenhieb gegen das erste Gutachten nicht verkneifen: „Gutachten sind nicht immer richtig.“

Die Angeklagte muss in der Nervenheilanstalt bleiben

Das Gericht folgte den Anträgen von Staatsanwalt und Verteidiger und sprach die Angeklagte frei, weil sie nicht als schuldfähig gelten könne. Der 32-Jährigen wurden stattdessen fünf Jahre Aufenthalt in einer Nervenheilanstalt auferlegt – nicht in einer geschlossenen Anstalt nach Maßregelvollzug, sondern auf Bewährung im offenen Vollzug im psychiatrischen Krankenhaus in Weinsberg, wo die 32-Jährige sich ohnehin schon seit Ende August auf Anweisung des Vaihinger Amtsgerichts befindet und behandelt wird. Der Zeitraum sei deswegen so lange gewählt, „weil wir jetzt noch nicht wissen, wie lange die Behandlung dauern wird“, erklärte der Richter.

Warum es bei der Frau zu einer Schizophrenie gekommen sei, ließe sich auch an ihrer Vergangenheit ablesen, sagte der Richter. Als sie sieben Jahre alt war, trennten sich ihre Eltern, mit 15 fing sie an, Kokain zu nehmen, mit 22 dann Heroin. Mittlerweile ist sie clean. Die Angeklagte war früher schon mit Beleidigungen und Körperverletzungen straffällig geworden. Da sie aktuell noch auf Bewährung ist, hätte sie im Falle einer Verurteilung mit einer „erheblichen Freiheitsstrafe“ rechnen müssen, sagte ihr der Richter. Sie solle das Urteil als Chance verstehen, wieder ein geordnetes Leben zu führen.

Die 32-Jährige war nach dem Urteil sichtlich erleichtert: „Es tut mir leid, dass das alles passiert ist. Wenn ich gewusst hätte, dass die Medizin mir hilft, hätte ich sie schon früher genommen.“