Im Gegensatz zur keuschen Kinoreihe „Twilight“ sind die Vampire in der Serie „True Blood“ lüstern. Außerdem geschehen bestialische Morde.  

Stuttgart - Die Sümpfe Louisianas, üppige Vegetation, seltsame nächtliche Fahrt durch die Provinz, vorbei an Bars und Holzkirchen. Eine Schlange schnellt vor in Zeitlupe, ein toter Fuchs wird im Zeitraffer von Maden gefressen. Alte Schwarz-Weiß-Bilder von Demonstrationen und Ku-Klux-Klan. Laszive Go-go-Girls und schneller Sex. Ein schwarzer Prediger, eine Taufe im Fluss. Auch eine Neontafel ist in diesem Vorspann kurz zu sehen, mit der Aufschrift "God hates fangs", übersetzt: "Gott hasst Reißzähne". Und zu diesem suggestiven Bilderstrudel singt Jace Everett den verführerischen Rocksong "I want to do bad Things with you".

 

Die US-Serie "True Blood" von Alan Ball, die in Deutschland zuerst vom Bezahlsender 13th Street ausgestrahlt wurde und nun auf RTL 2 ihre Free-TV-Premiere erlebt, stellt eine Welt vor, in der sich die Vampire integrieren wollen und ihre Minderheiten- und Bürgerrechte einfordern. Die Wissenschaft hat nämlich ein Kunstblut entwickelt, das ihnen zwar nicht besonders schmeckt, sie aber am Leben erhält oder, wie man bei Vampiren wohl sagen muss, ihre weitere Existenz ermöglicht. Und so sitzt eines Tages - Pardon! - eines Nachts der 173 Jahre alte, aber recht jung aussehende Vampir Bill Compton (Stephen Moyer) in einer Bar in Bon Temps, und die nette Kellnerin Sookie Stackhouse (Anna Paquin) verliebt sich in ihn.

Aber "True Blood" ist keine Vampirfilmparodie, sondern ein brodelndes Gemisch aus Romanze, Thriller, Mystery- und Horrorgenre, versetzt mit Splatter-Elementen und viel schwarzem Humor. Der schwule Alan Ball, der schon für sein Drehbuch zu "American Beauty" und für "Six Feet under" ausgezeichnet wurde, hält in dieser von HBO produzierten Serie der amerikanischen Gesellschaft einen Spiegel vor. Der zitierte Slogan "God hates fangs" etwa spielt auf den Satz "God hates fags" an, mit dem christliche Sekten gegen Schwule Stimmung machen. Ball ist jedoch klug genug, die Parallelen nicht zu weit zu treiben.

Aberglaube und Aufklärung mischen sich auf spannende Weise

Atmosphärisch erinnert das Städtchen Bon Temps an "Twin Peaks", allerdings wird hier handfester, schneller, auch ein bisschen trashiger erzählt. Zum Zentrum der Handlung wird die Bar des ebenfalls in Sookie verliebten Sam Merlotte. Hier kocht der schwarze Schwule Lafayette, wenn er nicht gerade Drogen verkauft, hier bedient auch die schwarze Tara, stets übel gelaunte, aber bedingungslos loyale Freundin von Sookie, und hier taucht auch Sookies Bruder Jason auf, dessen Stärken nicht im Kopf, sondern unter der Gürtellinie zu finden sind. Man könnte "True Blood" durchaus als das keuchende Gegenstück zur keuschen "Twilight"-Kinoserie bezeichnen. In dieser ersten Staffel aber werden Frauen, die mit Vampiren Sex hatten, bestialisch ermordet.

Es geht in der auf Büchern von Charlaine Harris basierenden Serie, wenn man so will, um die Schwierigkeiten, mit dem Irrationalen rational umzugehen. Bald mischen sich noch andere übernatürliche Gestalten ein, so dass "True Blood" auf spannende Weise zwischen Aberglauben und Aufklärung herumschwirrt. Manchmal geht es auch einfach nur darum, das Andere zu akzeptieren. Der in Bon Temps aufgewachsene Vampir Bill Compton darf im Gemeindesaal über den Bürgerkrieg sprechen, den er noch vor der Verwandlung in einen Vampir mitgemacht hat, danach wird er von einem traumatisierten Irakveteranen in stummem Verständnis umarmt. Aber sogar Vampir Bill ist nicht nur edel und gut, er hat auch seine dunklen Seiten.

Bill steht ja auch mächtig unter Druck. Sein mehr als tausend Jahre alter und aus einer Wikingerfamilie stammender Vampirchef Eric hat nämlich für menschliche Schwächen respektive für schwache Menschen kein Verständnis. Er will Bill dazu bringen, ihm Sookie auszuliefern. Nein, vorerst nicht zum Aussaugen, sondern weil er sie zur Aufklärung eines Falles braucht. Hatten wir eigentlich schon erwähnt, dass Sookie auch nicht bloß das Mädchen von nebenan ist, sondern eine Telepathin, welche die Gedanken ihrer Mitmenschen hören kann oder auch hören muss? Bei Bill funktioniert Sookies Gabe allerdings nicht, mit ihm genießt sie himmlische Ruhe - und animalischen Sex.

RTL 2, 22.05

Die ersten beiden Staffeln gibt es auf DVD.