Zerstörte Spender, verstopfte Klos, Schmierereien – von solchen Zuständen auf den Toiletten können viele Stuttgarter Schulen berichten. Als die Situation eskaliert, greifen einige Schulleiter zu drastischen Maßnahmen.

Familie/Bildung/Soziales: Mathias Bury (ury)

Auch wenn Schulen in vielem gut funktionieren mögen, an einem Ort sind nicht wenige von ihnen, egal welcher Schulart, doch Brennpunktschulen: in den Toiletten. Auch das Eschbach-Gymnasium in Stuttgart-Freiberg hat diese Erfahrung gemacht. Dass Papierhandtücher um die Spender und Abfallkörbe herumliegen, ist da noch harmlos.

 

Aufgerissene und mit Graffiti verschmierte Handtuchspender, wie man sie an vielen Schulen kennt, waren schon schwerwiegender. Auch Überschwemmungen durch verstopfte Klos und Abflüsse kamen häufiger vor, mal steckte eine Menge Toilettenpapier darin, mal auch noch ein Regenschirm. Dazu Vandalismus mit mutwillig zerstörten Handtuchspendern und kaputten Kloschüsseln. Spiegel wurden geklaut, Schüler urinierten in Bürstenständer, Wände, Böden und Türklinken waren mit Kot beschmiert.

Jüngere Schüler gehen nicht mehr auf die Schultoilette

Schulleiter Christian Brust spricht von einer „ekelerregenden Masse von Vorfällen“. Ende des Jahre 2023 ging es richtig los. „Das Putzteam war fix und fertig“, sagt Lehrer Florian Jörg vom Leitungsteam der Schule. Für das sehr zuverlässige Personal, das man auf keinen Fall verlieren durfte, habe wegen der Exkremente eine echte „Gesundheitsgefährdung“ bestanden, sagt er.

Das konnte die Schulleitung nicht hinnehmen. Man habe eine „Fürsorgepflicht“ fürs Putzpersonal wie insbesondere für jüngere Schüler, die sich teils gar nicht mehr auf die Toiletten trauten und erst wieder nach dem Unterricht daheim aufs Klo gingen, erzählt Yvonne Dieterle, auch sie vom engagierten Leitungsteam. Es gab Schülerinformationen, Elternabende, der Leitungskreis der Schule befasste sich weit mehr damit, als das dem Thema eigentlich angemessen ist.

Das Gymnasium, das sich ein Gebäude mit der Bertha-von-Suttner-Gemeinschaftsschule teilt, beteiligte sich am Wettbewerb „Toiletten machen Schule“, gewann sogar einen Preis. Man gestaltete die Klos schöner, machte kleine Ausstellungen mit Schülerzeichnungen an den Wänden, stellte Pflanzen auf, in der Mädchentoilette stehen Schminktische, an der Wand hängen runde Spiegel.

Mit mäßigen Erfolg. „Es war frustrierend“, sagt Schulleiter Christian Brust. Als während der laufenden Abiturprüfungen im Vorjahr Feueralarm ausgelöst wurde, wohl weil jemand auf der Toilette geraucht hat, war das Maß voll. „Da habe ich gesagt: jetzt ist Schluss“, erzählt Christian Brust.

Inzwischen sind die Toiletten der beiden Schulen getrennt, die des Eschbach-Gymnasiums sind bis Unterrichtsbeginn am Morgen und in der großen Pause offen, wer während des Unterrichts aufs Klo muss, holt den Schlüssel im Sekretariat und trägt sich in eine Liste ein. In dieser Zeit ungestört etwas auf dem Klo anzustellen, ist dadurch nun deutlich schwieriger. Auch in der Mittagspause sind die Toiletten offen, aber Schüler der Oberstufe machen davor Aufsicht, man trägt sich in eine Liste ein. Yvonne Dieterle nennt das „einen stetigen Erziehungsprozess“, den die Schule hier leiste.

Ans Gemeinschaftsgefühl appellieren – gegen den Toiletten-Vandalismus

Das kam zunächst nicht bei allen gut an. Valentin Heiderich, der selbst erst vor kurzem am Eschbach Abitur gemacht hat und sich heute als FDP-Mitglied im Bezirksbeirat Zuffenhausen engagiert und im Bezirksjugendrat, weiß von Kritik aus der Schülerschaft und auch von Eltern. Moniert wurde vor allem, dass Oberstufenschüler in der Mittagspause eingespannt werden. Auch wenn er eine gewisse „Notwendigkeit“ für die Maßnahmen sieht, sollten diese „aber keine Dauerlösung sein“, findet Valentin Heiderich.

Das will auch die Leitung des Eschbach-Gymnasiums nicht. Man müsse bei den Schülern aber auch „ein Gemeinschaftsgefühl gegen den starken Egoismus entwickeln“, erklärt Lehrerin Yvonne Dieterle. Die Verhältnisse in den Toiletten seien heute jedenfalls „deutlich besser“ als zuvor. Verschmutzte Toiletten und Vandalismus seien „ein verbreitetes Problem“, sagt Gerhard Menrad, der geschäftsführende Schulleiter der Stuttgarter Real-, Werkreal- und Gemeinschaftsschulen. Sogenannte Tiktok-Challenges seien dabei nur vereinzelt ein Grund für Vandalismus. „Bei uns sind die Toiletten abgeschlossen und die Kinder und Jugendlichen müssen sich einen Schlüssel von der Lehrkraft holen“, sagt der Leiter der Anne-Frank-Gemeinschaftsschule. Und man habe die Toiletten „optisch aufgewertet und große Spiegel und Bilder installiert“, Handtuchspender sind inzwischen aus Edelstahl.

Alle Schulen kämpfen immer mal wieder mit dem Toiletten-Problem

Das Problem betreffe „tendenziell alle Schulen“, mal mehr, mal weniger, sagt auch Manfred Birk, Rektor des Dillmann-Gymnasiums und geschäftsführender Schulleiter der Stuttgarter Gymnasien. Man habe eben „jede Menge Pubertierende“ unter den Schülern, erklärt Birk. „Und die muss man manchmal in die Schranken weisen.“ Dies betreffe eher die Jungs als die Mädchen. Wichtig sei, die Schüler mitzunehmen und ihnen zu verdeutlichen, dass die gesamte Schulgemeinschaft Verantwortung trage auch für den Zustand der Toiletten. Dafür brauche es „immer wieder pädagogische Anstrengungen“, sagt der Schulleiter. „Ein probates Mittel dagegen hat noch niemand gefunden.“

Vanessa Kieser, die Leiterin der Neckar-Realschule, lässt sich auf diesem Gebiet aber immer wieder Neues einfallen. Kieser, die zuvor schon an verschiedenen anderen Schulen tätig war, hat dabei festgestellt: Ob alte Gebäude oder neue, ab alte Toiletten oder schöne neue – überall gebe es „das große Drama mit den Toiletten“. Auch sie sagt, das sei ein Problem der Jungs.

Deshalb müssen dort die männlichen Schüler, wenn sie aufs Klo wollen, im Sekretariat Papierhandtücher und Toilettenpapier abholen. Vanessa Kieser selbst empfindet das eigentlich als „menschenunwürdig“. Weshalb sie schon zwei Mal die strenge Regel, die sie als neue Schulleiterin vor eineinhalb Jahren übernommen habe, wieder aufgehoben hat. „Nach zwei Stunden“ sei der alte Zustand aber wieder eingetreten: Abflüsse waren mit Klopapier und Papierhandtüchern verstopft.

Das sei „keiner Reinigungskraft mehr zuzumuten“, sagt auch Vanessa Kieser. Einen letzten Versuch will sie aber noch unternehmen mit Klopapierspendern, bei denen man die Blätter einzeln herausziehen muss. Das sei für Schüler, die Abflüsse verstopfen wollen, doch „sehr aufwendig“.

Auch ein häufiges Problem: Schmierereien. Foto: imago stock&people/Oberhaeuser

Die Leiterin der Neckar-Realschule sieht die Sache inzwischen sportlich: „Die Kinder haben Ideen und wir haben Ideen“, sagt sie. Das zeigt sich am Beispiel ihres Umgangs mit dem Rauchen oder des Vapens von E-Zigaretten auf dem Klo. Das ist in der Schule strikt verboten. Weil das auch an der Neckar-Realschule aber vielfach nicht eingehalten wird, muss, wer erwischt wird, seit vorigem April ein Bußgeld zahlen, zwischen 40 und 70 Euro. Anfangs seien es „sehr viele“ Bußgelder gewesen, sagt Vanessa Kieser. Auch jetzt noch kämen jede Woche im Schnitt zwei dieser Geldstrafen zusammen.

Gegen das Vapen auf der Klo hat sich die Schulleiterin noch etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Von einem Schreiner lässt sie gerade Schwingtüren machen, ähnlich wie in einem Saloon, wo man oben und unten in den Raum schauen kann, das schafft mehr Einblick ins Toilettengeschehen.

Brennpunkt Schultoilette: Immer schlimmer oder schon immer so?

Vanessa Kieser ist überzeugt: Der Kampf für saubere Toiletten an den Schulen sei eine Daueraufgabe, bei der man nicht nachlassen dürfe. Sie sagt: „Dieses Projekt ist niemals abgeschlossen.“ Die Schulleiterin glaubt im Übrigen auch nicht, dass das früher so viel besser war. Birte Sommer ist da anderer Meinung. „Vor 25 Jahren war das nicht so“, sagt die stellvertretende Leiterin des Eschbach-Gymnasiums. Solche Zerstörungen und diese „Hygieneproblematik“ habe es damals nicht gegeben, betont Birte Sommer: „Ich habe hier selbst Abitur gemacht.“