„Schlager“ heißt ihr neues Album, aber der Titel führt bewusst hinters Licht. Im Gespräch erzählt die Sängerin aus Backnang von ihrer Ehe – und warum sie dieses Mal nicht mit Dieter Bohlen zusammengearbeitet hat.

Köln - Vanessa Mai hat immer Hummeln im Hintern, macht zwanzig Termine am Tag und hat mit dem Begriff Schlager einiges vor. Wir sprachen mit der 26-Jährigen, die nach wie vor in Backnang bei Stuttgart lebt, im Kölner Hyatt-Hotel.

 
Frau Mai, auf Ihrem Albumcover sieht man das Wort „Schlager“ auf der Innenseite Ihrer Unterlippe tätowiert. Tut das nicht sehr weh?
Ich habe ja mehrere Tattoos, und ich kann aus Erfahrung sagen: Es gibt keine Stelle, an der es angenehm ist. Weh tut es immer.
Ist die Lippentätowierung echt?
Das bleibt mein Geheimnis.
Das Cover sieht ungewöhnlich aus für ein Schlageralbum.
Ja, das soll es auch. Wir haben erst ein Fotoshooting auf Mallorca am Strand gemacht, mit Schminke, schönen Klamotten, so wie immer. Aber das war es irgendwie nicht. Ich wollte ein anderes Bild mit einer anderen Aussage. Etwas Frecheres, Mutigeres.
„Schlager“ ist ein jahrzehntealtes Wort für deutschsprachige Unterhaltungsmusik. Was haben Sie mit dem Begriff vor?
Die Vorurteile der Leute beseitigen. Ich will die Schublade, auf der „Schlager“ steht, aufmachen, auskippen und aufräumen. Ich mache Schlager und bin stolz darauf, und mit diesem Album will ich zeigen, dass der Schlager sich gewandelt hat. So wie ich ihn verstehe, ist Schlager jung und modern. Er kann nach Pop, nach Dance klingen, und auch ein Rapper darf in ihm vorkommen. Die Kiddies schreiben mir, dass sie in der Schule gemobbt werden, wenn sie sagen, dass sie Schlager hören. Aber wenn sie meine Lieder spielen, fänden die anderen die cool.
Sie haben die neuen Lieder zum Teil in Los Angeles aufgenommen. Die könnten auch von Katy Perry sein.
Danke. Genau das meine ich. In LA ist meine Musik Popmusik. Ich bin rüber gegangen, weil mit Lukas Loules einer meiner Produzenten seit Jahren dort arbeitet. Ich dachte früher immer, man nimmt nur in Amerika auf, um damit zu prahlen, aber dann war es wirklich eine sehr schöne und besondere Erfahrung. Ich habe in dem Studio gearbeitet, in dem schon Prince und Michael Jackson und viele andere waren. Schon Wahnsinn, da so durch die Gänge zu laufen und all die Goldenen Schallplatten zu sehen, so als kleines deutsches Mädchen.
Sie sind unglaublich fleißig, machen jedes Jahr ein neues Album.
Das wird mir gerne negativ ausgelegt. So nach der Devise, dass ich mir nicht genug Zeit lassen würde. Ich bin jemand, der sich gerne entwickelt, und ich kann ja auch nichts dafür, dass ich immer so viele Ideen habe. Ich fühle mich gut, bin jung und gesund, warum soll ich nicht viel arbeiten?
Ist Stress für Sie positiver Stress?
Ja, eigentlich schon. Wenn ich mich in ein neues Projekt reinhänge, dann macht mir das halt immer so viel Spaß, deshalb empfinde ich die Arbeit gar nicht so als Arbeit.
Es heißt, Ihr Bühnenunfall im April, bei dem Sie am Rücken verletzt wurden, sei durch Überlastung zustande gekommen.
Alle sagen, das sei ein Zeichen gewesen, dass ich ein bisschen vom Gas gehen soll. Aber ich sage: Nein, das war ein Zeichen, dass ich bewusster sein muss bei der Arbeit.
Was ist der Unterschied zwischen „langsamer“ und „bewusster“?
Ich habe immer noch Hummeln im Hintern und mache bis zu zwanzig Termine am Tag. Aber ich passe auf, dass ich zwischendrin mal durchatme und, ganz wichtig, regelmäßig was esse. Grundsätzlich habe aber nichts an meiner Arbeitsweise geändert.
Sie singen in „Ich wollt dich nur für eine Nacht“ über einen One Night Stand, aus dem dann mehr wird. Eine Erfahrung, mit der Sie sich auskennen?
Ich muss überlegen, was überhaupt ein One Night Stand ist. Ist es Sex mit einem Menschen, dessen Namen man nicht kennt? Ein einmaliges Abenteuer? Oder darf man hinterher noch befreundet sein?
Ich würde sagen: Man darf noch befreundet sein, geht aber nur einmal miteinander ins Bett. Und, Vanessa, den Namen der Jungs, mit denen Sie geschlafen haben, die sollten Sie besser kennen.
Ist halt eine Definitionsfrage, über die ich mir ehrlich gesagt noch nie Gedanken gemacht habe. Und jetzt brauche ich das ja auch nicht mehr.
Ist Ihr Mann Andreas Ferber, der auch Ihr Manager ist, von seiner Art her ähnlich wie Sie?
Andreas lebt auch leidenschaftlich für das, was wir machen. Aber er ist eindeutig der Kopf von uns beiden. Ich bin das Herz, sehr explosiv und emotional. Andreas erdet mich. Zusammen sind wir ein superstarkes Team.
Halten Sie sich für eine Feministin?
Ich bin eine starke Frau, die nachdenklich ist aber trotzdem ihren Willen gerne durchsetzt. Typisch Stier eben (lacht). Aber nein, für eine Feministin halte ich mich nicht.
Was macht für Sie eine starke Frau aus?
Das gleiche, was einen starken Mann für mich ausmacht. Eine gesunde Portion Selbstbewusstsein und Loyalität: Außerdem: Dass man das, was man tun will, auch tut. Leidenschaft und Humor dürfen natürlich auch nicht fehlen. Es kommt auch nicht immer auf die Muskelstärke an. Mentale Stärke ist viel eindrucksvoller.
Ist es für eine junge Frau einfacher oder schwerer in der Musikbranche?
Es ist kein Honigschlecken. Man muss viel tun für den Erfolg, ist ständig auf Achse und selten zuhause. Egal ob Mann oder Frau.
Können Sie anderen Frauen Tipps geben, wie man sich durchsetzt?
Selbstbewusst durchs Leben gehen. Den Kopf immer schön oben halten und sich für nichts hergeben, zu dem man nicht hundertprozentig steht.
Sie haben dieses Mal nicht mit Dieter Bohlen zusammengearbeitet. Hat er die Entwicklung auf „Schlager“ nicht mitmachen wollen?
Definitiv ist es nicht so, dass wir uns getrennt haben, wie jetzt manche schreiben. Manchmal arbeitet man an einem Projekt zusammen, ein anderes Mal nicht. Dieter wünscht mir nur das Beste.
Sie hatten immer eine sehr enge Bindung an Ihre Eltern. Ist das heute noch so?
Ja. Wir wohnen immer noch in derselben Stadt, in Backnang. Ich liebe es nach wie vor, heimzukommen und die Wiesen zu sehen. In Backnang kennt mich jeder, ich kann dort sein, wie ich bin.
Ihre Single „Wir 2 Immer 1“ ist ein Duett mit dem Offenbacher Rapper Olexesh. Wie kam das zustande?
Über Instagram. Er hat mich angesprochen, wir haben das schnell vereinbart und aufgenommen. Olexesh war sehr cool und angstfrei, er hat mir gegenüber Respekt und Wertschätzung gezeigt. Der Schlager ist ja nicht seine Welt. Das zeigt, wie locker man über allem stehen und das machen sollte, worauf man Lust hat.
Der harte Straßenrapper und das behütete Schwabenmädchen.
Noch so eine Schublade. Im Rap gibt es genau wie im Schlager alle möglichen Facetten und Spielarten. Er hat da fast noch mehr mit Vorurteilen zu kämpfen als ich.
Es gab ziemlich Aufregung, als Medien ein bestimmtes, sehr böses Wort, das mit „F“ anfängt, bei Ihrem Gesang in „Wir 2 Sind 1“ herausgehört haben wollen.

Ich schwöre, ich habe dieses Wort noch nie in den Mund genommen. Aber es war auch witzig, ich habe mir den Song dann selbst angehört, und höre es einfach nicht raus. Das ist auch wieder ein Beweis dafür, dass man nur hört, was man hören will.

Haben Sie überlegt, ob Sie schnell noch mal ins Studio gehen und die Stelle klarer singen sollten?
Nein, keine Sekunde lang. Das wäre voll peinlich. Die Medien, die sich auf diese Geschichte gestürzt haben, werfen mir ja auch vor, ich hätte mit Absicht den Kraftausdruck benutzt, um in die Medien zu kommen. Oh, Mann. Auch ich fluche manchmal, aber ich würde nie ein Schimpfwort in meinen Texten verwenden, schon gar nicht dieses.

Vanessa Mais Album „Schlager“ erscheint am 3. August. Am 4. August gibt Vanessa Mai in ihrer Heimatstadt Backnang ein Konzert. Am 13. Oktober tritt sie im Rahmen der „Schlagernacht des Jahres“ in der Stuttgarter Schleyerhalle auf. Am 10. November 2019 ist ein Konzert in der Stuttgarter Porsche-Arena geplant.