Die Affäre um die gestohlenen Dokumente im Vatikan nimmt geradezu klassisch-dramatische Züge an. Eine alte Haushälterin Kardinal Ratzingers soll eifersüchtig sein.

Rom - Nach 60 Tagen Untersuchungshaft ist Paolo Gabriele wieder daheim bei seiner Frau und den drei Kindern. Gefangen bleibt der gefeuerte Butler des Papstes trotzdem. Die Mauern des Vatikans, hinter denen zu leben für ihn bisher ein Privileg war, darf Gabriele nicht verlassen. Und in den nächsten Wochen wird ein päpstlicher Untersuchungsrichter entscheiden, ob er ein Strafverfahren gegen den 46-jährigen Italiener eröffnet. Vom Schreibtisch Benedikts XVI. soll Gabriele eine Unmenge vertraulicher Dokumente gestohlen und sie Journalisten zugespielt haben. Höchststrafe bei Verurteilung: sechs Jahre Gefängnis.

 

Der Fall beschäftigt Italiens Medien seit Jahresbeginn. Die Schreiben, die aus dem Vatikan sickerten – und die in Buchform demnächst auch auf Deutsch erscheinen sollen –, zeigen Missgunst, Misswirtschaft und Misstrauen innerhalb der Kurie auf. Sie galten als Hinweise auf eine Palastrevolution – gerichtet vor allem gegen Benedikts „zweiten Mann“, den Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, sowie gegen Benedikts Privatsekretär Georg Gänswein.

Gabriele gilt als unbedarft

Nur gilt bei allen Beobachtern als unwahrscheinlich, dass der offenbar etwas unbedarfte Gabriele die einzige Quelle dieser Dokumente gewesen sein soll. Zeitgleich mit den juristischen Ermittlungen, in denen Benedikts Ex-Butler der einzige Beschuldigte blieb, hat auch die vom Papst eingesetzte Kardinalskommission ihre Untersuchung abgeschlossen. Beim Verhör von Dutzenden Würdenträgern der Kurie hat sie Gabrieles Hintermänner wohl gefunden. „Überraschungen“ waren angekündigt – aber den Bericht der Kardinäle kennt vorerst nur der Papst. Ob er ihn veröffentlicht, steht in den Sternen.

Dementsprechend wies Vatikansprecher Federico Lombardi am Montag auch energisch einen deutschen Pressebericht zurück, der zwei der allerengsten Vertrauen Benedikts zu den Hauptverrätern stempelt. Ein „Abgrund von Neid und persönlicher Eifersucht“, so heißt es in der Zeitung „Die Welt“, habe Joseph Ratzingers einstige Haushälterin sowie seinen früheren, langjährigen Privatsekretär dazu gebracht, „bei, vor oder hinter Gabriele“ zu stehen.

Die Haushälterin ist neidisch

Die eine, 14 Jahre in Dienst und in Wohngemeinschaft mit Kardinal Ratzinger, verwinde es nicht, dass der heutige Papst „anderen womöglich mehr vertraut als ihr“. Der andere, heute Kurienbischof und früher 19 Jahre Privatsekretär Ratzingers, halte seinen Nachfolger – Georg Gänswein – für unfähig und sei nicht mehr in der Lage, den eigenen, „geradezu irrationalen Neid im Zaum zu halten“. Dritter im Verschwörungsbunde soll – neben diesen beiden Deutschen – ein italienischer Kardinal sein, der früher für Johannes Paul II. Reden schreiben durfte. Als er altershalber 2011 seinen Rücktritt einreichte, soll Papst Benedikt XVI. das Gesuch „umstandslos angenommen“ haben.

So schreibt es „Die Welt“. Der Autor, Rom-Korrespondent Paul Badde, kennt sich im vatikanischen Unterholz aus. Privat gibt er das „Vatikan-Magazin“ heraus, eine papstfromme, konservative Illustrierte, mit der er sich im Kirchenstaat Freunde gemacht hat. Einer wie Badde würde niemals namentlich bekannte Menschen aus Benedikts engstem „Familien“- und Freundeskreis anschwärzen, wenn er nicht etwas Konkretes in der Hand hätte.

Paolo Gabriele soll sich unterdessen bei Benedikt XVI. entschuldigt haben. In einem Brief an ihn habe Gabriele zudem versichert, keine Komplizen gehabt zu haben, schreibt der „Corriere della Sera“.