In ihrem ersten Bericht stellt die Finanzaufsicht verdächtige Geldbewegungenfest. Der Schweizer René Brülhart, der die von Benedikt XVI. eingerichtete Vatikanische Finanzaufsicht leitet, will das Finanzgebaren des Kirchenstaates nun durchleuchten.

Rom- Für die kleine Finanzwelt um den Papst herum hatte das Jahr auf beschämende Weise begonnen: Zehntausende Besucher der Vatikanischen Museen, der Apotheke, der Post, der Buchhandlung konnten auf einmal nicht mehr mit Bankomat- oder Kreditkarte bezahlen.

 

Und über die Medien sah sich der Kirchenstaat vor der gesamten Welt bloßgestellt: Die Notenbank Italiens, so hieß es, habe nationalen Geldinstituten den Betrieb elektronischer Zahlungsautomaten auf dem fremden Staatsgebiet untersagt; der Vatikan halte die gemeinsamen europäischen Regeln gegen Geldwäsche nicht hinreichend ein. Und neben den laufenden Berichten in italienischen Medien über einschlägige Ermittlungen und Prozesse, über dubiose Geschäftskontakte von Unternehmern und Politikern zur Papstbank IOR tauchten im kollektiven Gedächtnis all die Skandale wieder auf, in die dieses „Institut für Religiöse Werke“ während der vergangenen Jahrzehnte verwickelt war. Und einige dazugehörige, bis heute ungeklärte Todesfälle.

Dabei hatte schon Moneyval, das Prüfinstitut des Europarats, im vergangenen Juli festgestellt, dass der Vatikan neun von 16 zentralen Transparenzkriterien zur Gänze, aber sieben nur teilweise oder gar nicht erfüllt; besser steht Italien auch nicht da. Es gebe „kritische Punkte“, merkte Moneyval an, aber seit am 1. April 2011 das Grundlagengesetz von Benedikt XVI. „gegen Geldwäsche und die Finanzierung des internationalen Terrorismus“ in Kraft getreten sei, habe der Vatikan „eine große Strecke Wegs in kurzer Zeit zurückgelegt.“

Der Schweizer ist ein Außenseiter

„Da gehen wir weiter", sagt René Brülhart jetzt, „und in sehr, sehr wenigen Monaten werden wir alle Empfehlungen umgesetzt haben“. Brülhart leitet seit einem halben Jahr die „AIF“, die von Benedikt XVI. eingerichtete Vatikanische Finanzaufsicht. Der Schweizer ist ein Außenseiter, wie ihn der Vatikan in seinen Mauern bisher nicht gesehen hat.

Der gut 40jährige Finanzexperte gilt als „James Bond“ in der weltweiten Aufdeckung und Bekämpfung von illegalen, auch mafiösen Geldströmen: Liechtenstein hat er salonfähig gemacht, an der Aufklärung des Siemens-Bestechungsskandals und der Aufdeckung der Steuerhinterziehung von Ex-Postchef Klaus Zumwinkel war er beteiligt; er war Vizechef der "Egmont-Gruppe", des internationalen Zusammenschlusses nationaler Finanzkontrollbehörden. Diesen Mittwoch nun hat Brülhart seinen ersten Jahresbericht für den Vatikan vorgelegt. So viel Transparenz gab es noch nie.

Sechs verdächtige Geldströme hat die AIF demnach im vergangenen Jahr registriert, sechsmal mehr als 2011, und im laufenden Jahr ist mit noch mehr Auffälligkeiten zu rechnen. „Das zeigt, dass das neue Meldesystem begonnen hat zu funktionieren“, sagt Brülhart. Zwei der Geldwäsche verdächtige Manöver hat die AIF im vergangenen Jahr an die vatikaneigene Staatsanwaltschaft weitergereicht; Details dazu nennt Brülhart nicht.

Brülhart will den Kundenstamm „methodisch“ durchleuchten

Darüber hinaus enthält der Bericht nur Angaben zur Bargeld-Kontrolle: Wer 10 000 Euro oder mehr über die Grenzen des Vatikans trägt, muss das nach den neuen Gesetzen melden; das waren im vergangenen Jahr 598 Fälle von Geldausfuhr und 1782 Fälle von Import. Wie viele davon strafrechtlich interessant waren, wird nicht mitgeteilt – auf jeden Fall wäre vorher keine einzige dieser Geldbewegungen registriert worden. Zu möglicherweise verbleibenden Dunkelziffern, für die sich immer wieder die italienische Staatsanwaltschaft interessiert, sagt Brülhart nichts.

Die frisch aufgebaute AIF mit ihren sieben Beschäftigten – die für ihren Job erst zu schulen waren – fungiert zudem als Kontrollgremium für das IOR, die Vatikanbank. Nachdem diese den Experten von Moneyval bereits versichert hat, man führe keine Nummern- und Geheim-Konten mehr, bemüht sich Brülharts Behörde nun, den Kundenstamm „methodisch“ zu durchleuchten: Wie viele von den Kirchenangehörigen, den Priestern, Bischöfen oder Ordensleuten, wie viele von den kirchlichen Verbänden oder frommen Werken, die dort ihr Geld zur Vermehrung anlegen dürfen, handeln tatsächlich in eigenem Namen? Welche von ihnen sind nur „Strohmänner“ im Interesse dubioser Gestalten oder Gruppierungen? Was sind mildtätige Spenden und was ist vor weltlichen Steuerbehörden verstecktes Geld?

Beim IOR kann Brülhart auf ein neues Gegenüber bauen: Seit Februar leitet der deutsche Finanzexperte Ernst von Freyberg das Geldinstitut; es war die letzte Personalentscheidung von Papst Benedikt XVI. Trotzdem gab es in den Diskussionen der Kardinäle vor dem Konklave heftigen Unmut. Nicht nur darüber, dass Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone den aus fünf Kardinälen bestehenden Aufsichtsrat vor jeder Prüfung um fünf weitere Jahre im Amt bestätigt hat. Auch wollte der Vatikan offenbar jede tiefergehende Diskussion um das IOR verhindern: die von den Kardinälen der Weltkirche dringend erbetene Unterrichtung über die Vorgänge dort fand buchstäblich in letzter Minute statt.