Wer vegan leben will, steht bald vor der Frage, welche Produkte er sorglos verwenden kann. Es ist kompliziert, sich im Produkte-Dschungel zurechtfinden. Das weiß auch die Stuttgarter Bloggerin Jenny Langenmayr.

Filderzeitung: Rebecca Anna Fritzsche (fri)

Stuttgart - Lippenstift ist wunderbar. Das wusste schon Elizabeth Taylor. Eine der Lebensweisheiten der Schauspielerin lautete: „Schenk dir einen Drink ein, leg Lippenstift auf und reiß dich zusammen.“

 

150 000 zerquetschte Schildläuse

Knallroter Lippenstift ist ganz besonders wunderbar, stellt aber für vegane Schminkfans ein Problem dar: Für die rote Farbe sorgt gewöhnlich Karmin, zugelassen als Lebensmittelfarbstoff E 120. „Um ein Kilogramm des Farbstoffs herzustellen, werden mehr als 150 000 Schildläuse zerquetscht, ihr Blut bildet die Grundlage für den Farbton“, erklärt Edmund Haferbeck, der Leiter der Wissenschafts- und Rechtsabteilung bei Peta Deutschland (People for the Ethical Treatment of Animals). Für Veganer kommen herkömmliche Lippenstifte deshalb nicht in Frage.

Karmin ist keine Ausnahme: Es steckt viel vom Tier in Badezusatz und Puder. Beispielsweise Milch, Honig, Talg – also Körperfett – , Keratin für Shampoos oder Kollagen für Faltencremes. „Letztere beide werden aus Schlachtabfällen hergestellt, aus zermahlenen Knochen oder Hörnern“, erklärt Haferbeck. Wer vegan leben will, muss sich Alternativen suchen.

Der Begriff vegan ist nicht geschützt

Hürde Nummer eins: Es gibt keine offizielle Definition von veganer Kosmetik. „Nicht einmal der Begriff vegan ist geschützt oder durch den Gesetzgeber klar definiert“, kritisiert Edmund Haferbeck. Allgemein wird darunter verstanden, dass keine tierischen Inhaltsstoffe enthalten sind. Es gibt verschiedene Siegel, die geeignete Produkte kennzeichnen, beispielsweise die Veganblume (siehe Kasten).

Problem Nummer zwei: Es ist kompliziert, sich im Produkte-Dschungel zurechtfinden, wie die Stuttgarter Bloggerin Jenny Langenmayr berichtet. Die 29-Jährige schreibt auf www.heyjennypenny.de unter anderem über ihre Entscheidung, vegan zu leben. Mittlerweile gebe es ein großes Angebot an Duschgels, Lippenstiften und Feuchtigkeitscremes, sagt sie. „Aber nicht alles ist gekennzeichnet.“ Auch die Veganerin Lisa Wittmann, Peta-Mitarbeiterin in Stuttgart, sieht Nachbesserungsbedarf und betont: „Es ist wichtig zu wissen, dass Naturkosmetik nicht automatisch vegan ist und auch nicht unbedingt tierversuchsfrei.“ Zwar seien Tierversuche für Kosmetika in Europa mittlerweile verboten. Doch wer in China Kosmetikprodukte verkaufen wolle, müsse nach dortigem Gesetz sogar Tierversuche nachweisen. Auch in Europa könne man nie ganz sicher sein: „Denn Stoffe, die unter das Chemikaliengesetz fallen, müssen noch an Tieren getestet werden. Hier muss der Gesetzgeber dringend nacharbeiten“, fordert Wittmann.

Schwierigkeiten bei Haarspray und Haargel

Spontankäufe tätigen die beiden Frauen aus Stuttgart selten: „Man muss sich vorher informieren“, sagt Lisa Wittmann. Ärgerlich beispielsweise, wenn in einer Lippenstiftreihe nicht alle Farben vegan sind, sondern nur einige. „Ohne das Internet“, meint die Bloggerin Jenny Langenmayr, „geht es nicht. Dort kann ich nachsehen, was vegan ist und was nicht.“ Besonders schwierig zu finden seien Haarspray oder Haargel. Langenmayr liest diverse Blogs, um auf dem aktuellen Stand zu sein. Die Qualität der veganen Produkte sei unterschiedlich, sagt sie, es gebe gute und schlechte, genauso wie bei nicht-veganen Produkten.

Der Trend zum Veganismus hält an. Der Vegetarierbund Deutschlands schätzt die Zahl der in Deutschland lebenden Veganer auf etwa 900 000. „Immer mehr Menschen informieren sich über das Tierleid hinter vielen Produkten und entscheiden sich für die Alternativen“, sagt Edmund Haferbeck. „Das erkennt man auch an der immer größer werdenden Auswahl.“

Das bestätigt auch Christoph Werner, als Geschäftsführer bei der Drogeriekette dm verantwortlich für das Ressort Marketing und Beschaffung. Die Entwicklung sei im Bereich Kosmetik zwar weit weniger spürbar als bei Lebensmitteln, so Werner. „Wir gehen allerdings davon aus, dass der Trend zu veganen Produkten weiter anhält.“

Wenn die Nachfrage steigt, warum steigen nicht mehr Firmen auf vegane Produkte um? „Vegan und tierversuchsfrei bedeutet nicht immer, dass die Produkte synthetische oder teurere Inhaltsstoffe enthalten“, sagt Edmund Haferbeck. Doch für die Firmen könne es aufwendig und damit kostenintensiver sein, nach Alternativen zu suchen und regelmäßig die Lieferanten darauf zu überprüfen, keine tierischen Inhaltsstoffe in den einzelnen Rohstoffen zu verwenden.

Vgean heißt nicht keine Schadstoffe

Die veganen Produkte bei Discountern oder bei Eigenmarken der Drogerien zeigten aber, „dass es durchaus möglich ist, vegane Drogerieartikel im günstigen Preissegment herzustellen“. Haferbeck betont: „Heutzutage stehen der Kosmetikbranche viele synthetische und natürliche Inhaltsstoffe zur Verfügung, die unbedenklich und ausgesprochen wirksam sind.“ Karmin, das Rot im Lippenstift, kann etwa aus Alkannawurzel oder Rote-Bete-Saft hergestellt werden. Svenja Markert, Redakteurin bei der Verbraucherzeitschrift Öko-Test, bestätigt das Problem bei der Zulieferung. „Viele Stoffe, etwa Fett und Glycerin, können sowohl pflanzlichen als auch tierischen Ursprungs sein und sind analytisch nicht zu unterscheiden.“ Gerade da sei eine „vertrauensvolle Arbeit“ zwischen den Firmen und Lieferanten notwendig. „Dabei hilft es, die Lieferkette kurz zu halten.“

Öko-Test hat im Januar vegane Kosmetik getestet. „Dass ein Produkt vegan ist, heißt nicht, dass sich keine Schadstoffe darin befinden“, sagt Markert. Beim Öko-Test-Versuch seien auch Produkte aufgefallen, in denen sich verbotene Lösemittel oder krebsverdächtige Stoffe befinden.