Der vegane Ernährungstrend ist auch in Stuttgart ungebrochen: zwei neue Kochbücher von hier setzen vegane Kost gekonnt in Szene, ein weiteres Restaurant hat komplett auf ein Angebot ohne tierische Produkte umgestellt.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Am Anfang war das Schnitzel. Zumindest auf der Karte des Restaurants Körle & Adam in Feuerbach. Jahrelang heimste das Feinschmecker-Lokal mit Kalbsrücken, Lachs und Co. Preise ein, ehe die Betreiber, Thomas Adam und Alexander Körle auf ein rein veganes Angebot umstellten. Das war im Jahr 2012. „Anfangs wurden wir für diese Entscheidung belächelt, heute sind wir ausgebuchter denn je“, sagt Thomas Adam. Tatsächlich ist es nahezu unmöglich, im Körle und Adam kurzfristig einen Tisch zu ergattern. Das Lokal ist fast immer ausgebucht. Hat die Aussicht auf einen fleischlosen Abend in Feuerbach keinem potenziellen Gast auf den Magen geschlagen? „Im Gegenteil. Die Gäste wollen weiterhin feiern, trinken, schlemmen, weggehen, zusammensitzen, und dabei auch mal etwas Neues ausprobieren“, so Adam weiter.

 

Zwei neue vegane Kochbücher aus Stuttgart

Tatsächlich hält der Boom der veganen Ernährung weiterhin an. Als die Stuttgarter Zeitung im vergangenen Sommer einen veganen Stadtplan für Stuttgart veröffentlichte, waren viele Leser erstaunt, wie viel Angebote es in diesem Bereich mittlerweile gibt. In den vergangenen Wochen sind sogar weitere vegane Projekte hinzugekommen. So haben die Macher von Körle und Adam kürzlich mit der Tierschutzorganisation Peta das Kochbuch „Vegan. Einfach lecker und gesund“ herausgegeben, in dem Promis wie Thomas D. (Die Fantastischen Vier) ihre Lieblingsrezepte verraten.

Die Stuttgarter Illustratorin und Köchin Katharina Bretsch hat ebenfalls ein neues Kochbuch publiziert: „Süßes ohne Tiere“ ist der Nachfolger von „Kochen ohne Tiere“, das sich im vergangenen Jahr wie geschnitten Tofu verkauft hat und mittlerweile in zweiter Auflage erhältlich ist.

Sogar der Döner ist jetzt vegan

Bretsch ist nicht nur Künstlerin, sie kocht auch im Café Stella in Stuttgart-Mitte vegan und ist immer auf der Suche nach neuen veganen Lokalen und Anregungen. Ihr neuester Tipp: „Der vegane Döner Dilgelay am Stöckach ist wirklich lecker.“ Im Restaurant Klein und Fein war Bretsch dagegen noch nicht. Das Lokal in der Nähe des Katharinenhospitals hat kürzlich komplett auf eine vegane Speisekarte umgestellt. „Da ich mich seit zwei Jahren vegan ernähre, war der Entschluss, unsere Gastronomie in ein veganes Restaurant umzukonzipieren, eine logische Konsequenz für uns“, sagt Stéphanie Mambrini, die das Restaurant gemeinsam mit Alexander Michel betreibt.

Wie hat sich das Publikum im Klein und Fein seitdem verändert? „Vielleicht kann man sagen, dass der Altersdurschnitt etwas nach unten gegangen ist. Da sich das vegane Leben immer mehr durch unsere Gesellschaft zieht, kann man aber keinen Bezug zu Bildung, finanziellem Status oder ähnliches herstellen“, sagt Stéphanie Mambrini. In ihrem Lokal versucht sie, die vegane Küche französisch zu interpretieren. „Da ich aus der Provence, genauer aus Toulon komme, ist es für mich selbstverständlich, dass ich die Eindrücke und Gerüche meiner Kindheit mit in meine Küche bringe.“

Der vegane Trend birgt auch Gefahren

Kritiker, die einer rein veganen Ernährung skeptisch gegenüber stehen, wird sie mit diesem Ansatz alleine nicht versöhnen. Was hält Stéphanie Mambrini von dem Vorwurf, die vegane Küche sei nährstoffarm und im schlimmsten Fall sogar gesundheitsschädlich? „Wir sind keine Ärzte, aber was ist an der konventionellen Ernährung so gesund? Sind Cholesterin, Bluthochdruck und die zunehmende Verfettung unserer Gesellschaft nicht ein Zeichen dafür, dass in der Ernährung etwas schief läuft?“, fragt Mambrini. Dabei gehört die Restaurant-Betreiberin nicht zur dogmatischen Sorte, die in der veganen Kost die einzig richtige sieht.

Im neuen veganen Trend sieht sie sogar eine Gefahr: „Je populärer das vegane Leben wird, desto mehr steht der Profit im Mittelpunkt. Bald wird es auch in diesem Bereich Industriefutter in Form von Dosen und einfach zu erwärmenden Mahlzeiten geben.“ Mambrini plädiert daher für ein ausgeprägteres Ernährungsbewusstsein, egal ob mit oder ohne Fleisch: „Jeder sollte sich mehr Gedanken darüber machen, was er zu sich nimmt und wo das Produkt herkommt. Und wenn unsere Kinder wieder wüssten, wie ein Kohlrabi aussieht, wäre es bestimmt auch nicht schlimm.“

Nur ein veganes Sterne-Restaurant fehlt noch

Spricht man mit den Protagonisten der veganen Szene in Stuttgart, so gehen diese nicht davon aus, dass der vegane Boom nur eine vorübergehende Modeerscheinung darstellt. „Der Gast ändert sich, die Welt ändert sich, das Bewusstsein der Menschen ändert sich“, sagt Thomas Adam vom Restaurant Körle und Adam.

Adam ist sich sicher, dass es bald noch mehr Lokale geben wird, die sich auf ein veganes Angebot spezialisieren werden: „Viele Wirte denken immer noch, sie müssen an alten Traditionen festhalten. Das ändert sich aber gerade.“ Dass das vegane Angebot angenommen werde, sehe man an den „vollen veganen sonntäglichen Brunchs oder den Schlangen vor den veganen Imbissen“. Einzig ein veganes Sterne-Restaurant fehle noch in Stuttgart. „Auch das wäre immer ausreserviert, da bin ich mir sicher.“

Zum Ende des Gesprächs verrät Adam übrigens noch, dass er für Fleischkonsum nur ein einziges Argument gelten lässt: „Es schmeckt schon ganz schön gut. Der Geruch eines Bratens kann in der Tat verlockend sein.“ Um dann aber eilig hinterherzuschieben: „Gut kochen kann man auch ohne Fleisch! Tiefgefrorene Gemüsebratlinge haben nichts mit leckerer veganen Küche zu tun.“