Bewohnerinnen der Frauenpension stellen ihre Arbeiten im Stadtteiltreff aus.

Veielbrunnen - Ihre Lebenswege sind so unterschiedlich wie ihre Bilder. Sie malen Kühe in Gummistiefeln, kunstvolle Kreise, Schlangen oder machen ein Fotoshooting mit einer Barbiepuppe. Regelmäßig treffen sich derzeitige und ehemalige Bewohnerinnen der Frauenpension der Caritas, malen gemeinsam oder sind auf eine andere Weise kreativ. Was sie da tun, wird von heute an öffentlich ausgestellt – und zwar im Stadtteiltreff Veielbrunnen.

 

Jeden Donnerstag verwandelt sich ein Kellerraum der Frauenpension in ein Atelier. Farbtuben stapeln sich auf dem Tisch, Buntstifte liegen in einer Schachtel, an der Wand stehen fertige Bilder und im Hintergrund dudelt das Radio. Die Gruppenleiterin Marion Rausch blickt ihren kreativen Damen über die Schulter. Da ist etwa Andrea M., die ihren Namen nicht in der Zeitung sehen will. Sie ist 50 Jahre alt und ein Stalkingopfer. Vor 15 Jahren kam sie aus dem Krankenhaus direkt hierher und wohnte sechs Wochen lang in der Frauenpension am Veielbrunnenweg. „Danach habe ich hier lange ehrenamtlich gekocht“, sagt sie. Mit dem Malen hat sie vor dreieinhalb Jahren angefangen, kurz nachdem Marion Rausch die Gruppe übernommen hat. „Ich bin am längsten dabei“, sagt sie und greift zum Pinsel. Noch ist ihre Leinwand leer; doch bald entstehen eine grüne Wiese und eine Sonne. Frösche sollen folgen, doch wie? Andrea M. diskutiert mit den anderen. Zu Hause wird sie an dem Bild weiter arbeiten. „Ich male am liebsten mit Öl“, sagt sie. Damit könne man alle Nuancen an Farben herstellen. In der Frauenpension malt sie ihr Bild lieber mit Wachs vor. „Bei Ölfarben muss man immer warten, bis eine Schicht getrocknet ist.“

Kreativität kennt keine Grenzen

Ihr gegenüber sitzt Lucia H. Fast zwei Jahre hat die schwarzhaarige junge Frau in der Frauenpension verbracht. Sie hatte sich damals von ihrem Freund getrennt und wusste nicht mehr, wohin. „Es ist nicht so einfach, eine Wohnung zu finden“, meint die 27-Jährige. Vor einiger Zeit hat sie aber eine Zweizimmerwohnung mit ihrem neuen Freund bezogen. Zu Hause hält sie Schlangen; so ist es nicht verwunderlich, dass sie auch diese Tiere malt. „Ich kann gut Comicfiguren zeichnen“, erzählt sie. Deswegen ist sie auch auf der Suche nach einem Job in dieser Richtung.

Gabo Brennan ist eigene Wege in der Kreativität gegangen. Die 53-Jährige hat ihre Barbiepuppen restauriert und wieder fit gemacht, hat für sie Kleider genäht, Accessoires ausgesucht, ihnen Hüte gemacht – und sie zum Schluss vor die Kamera gestellt. Auf den Fotos posiert Barbie mal in Grün gehüllt und mal mit schicken Kreationen auf dem Kopf. Brennan erzählt mit ihren Fotos kleine Geschichten. Zum Beispiel entblättert sich Barbie in einer Sequenz von Aufnahme zu Aufnahme. „Heidi Klum – das kann ich auch“, sagte sich die Frau, die seit zwei Jahren in der Frauenpension wohnt und hat ihr eigenes Topmodel kreiert.

Die 25-jährige Coco hat eine ganz andere Geschichte zu erzählen. Seit einem guten Jahr wohnt die gelernte Grafikdesignerin unter einem Dach mit 50 anderen Frauen. Sie hat den Widerstand gegen Stuttgart 21 unterstützt und zwei Jahre lang im Park gewohnt. Coco versteht sich als freie Radikale und hat schon immer Straßenkunst gemacht. „Damit habe ich auch den Protest unterstützt“, sagt die junge Frau mit den Rastalocken. In ihrem Beruf will sie auf keinen Fall weiter arbeiten.

Die Gruppe besteht seit vier Jahren

Viel lieber will sie allgemeine Protestbewegungen unterstützen – friedlich versteht sich. „Barrikaden anzünden bringt nichts.“ Malen ist ihr Mittel der Wahl. „Wir müssen zusammenhalten, damit sich etwas ändert.“ In der Frauenpension fühlt sie sich gut aufgehoben – auch in der Malgruppe. „Es tut mir hier verdammt gut, in der Regelmäßigkeit und mit den Möglichkeiten zu malen“, sagt sie und konzentriert sich wieder auf ihr rundes Bild, das einen Akt, den Globus und viele Kreise zeigt.

Seit vier Jahren leitet Marion Rausch die malende Gruppe in der Frauenpension. Sie hatte die Idee, „und hier war der Bedarf“, sagt die Künstlerin und Kunstpädagogin. Es sollte nicht nur ein begrenztes Projekt werden, sondern eine dauerhafte Einrichtung, in der die Arbeit der Frauen im Mittelpunkt stehen sollte. Rausch gibt seitdem behutsame Anleitung, erklärt das Material und gibt Tipps, wenn jemand Fragen hat. „Die Vielfältigkeit finde ich so toll“, sagt Marion Rausch.