Der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart hat aus einer Behörde einen Dienstleister gemacht. In seine Amtszeit fällt auch der Neubau des Kammergebäudes in der Jägerstraße. Geprägt war diese auch durch lebhafte Auseinanersetzungen mit den kammerkritischen Kakteen.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Stuttgart - Nach fast 20 Jahren als Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart ist Andreas Richter in den Ruhestand verabschiedet worden. Sein Nachfolger Johannes Schmalzl hat zum 1. November das Amt als neuer Hauptgeschäftsführer angetreten. „Wenn Andreas Richter nach fast zwei Jahrzehnten als Hauptgeschäftsführer in den Ruhestand geht, ist das eine Zäsur“, sagte IHK-Präsidentin Marjoke Breuning anlässlich der offiziellen Verabschiedung. Unter Richters Leitung habe sich die Kammer von einer eher verwaltenden Behörde zum modernen Dienstleister gewandelt, so Breuning. Auch für das wirtschaftliche Profil der Kammer seien vom bisherigen Hauptgeschäftsführer wichtige Impulse gekommen.

 

Persönlicher Kontakt zu den Firmen

Richter habe einen intensiven persönlichen Kontakt zu den Unternehmen und zur Politik in der Region gepflegt. Durch die Einführung regelmäßiger Umfragen bei den Mitgliedsunternehmen habe er dazu beigetragen, das Serviceangebot der Kammer zu verbessern. In seine Zeit fällt auch der Neubau des Kammergebäudes in der Stuttgarter Jägerstraße. Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sagte, Richter sei ein zupackender Kollege gewesen: „Wir durften immer auf ihn zählen, mussten aber auch immer mit ihm rechnen.“ Die früheren IHK-Präsidenten Hans Peter Stihl, Herbert Müller und Günter Baumann hoben besonders Richters Engagement für die Modernisierung der dualen Ausbildung und die Fachkräftesicherung hervor.

Oettinger will über die Rente mit 70 sprechen

Der EU-Kommissar Günther Oettinger hob in seiner Rede hervor, Europa müsse sich noch enger zusammenschließen, wenn es künftig weltpolitisch noch eine Rolle spielen wolle. „Ich träume von Vereinigten Staaten von Europa“, sagte Oettinger bei der Verabschiedung Richters, den seit vielen Jahren kennt und schätzt. Gerade in Deutschland gebe es aber auch noch einige wirtschaftliche Schwachstellen. Dies sei etwa die Netzinfrastruktur, aber auch die Länge der Lebensarbeitszeit. „Wir müssen über die Rente mit 70 sprechen“, verlangte der EU-Kommissar. Angesichts der älter werdenden Bevölkerung seien künftig 50 Arbeitsjahre nötig.

Debatten mit Kammerkritikern

Richters Amtszeit war zudem durch die Auseinandersetzungen mit den kammerkritischen Kakteen geprägt. Seit deren Einzug in die Vollversammlung hatte es wesentlich häufiger lebhafte Debatten gegeben. Bei der Wahl zu diesem Gremium im Sommer 2016 errangen die Kakteen 32 der 100 Sitze.

Der nun in den Ruhestand getretene Hauptgeschäftsführer Andreas Richter sagte auf eine Frage nach wichtigen Zukunftsaufgaben, dass die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Industrie- und Handelskammern in Baden-Württemberg „absolut ausbaufähig“ sei.

Der neue Hauptgeschäftsführer Johannes Schmalzl sagte, er freue sich „auf den Dialog mit den Mitgliedsbetrieben und den Partnern in Politik und Verwaltung, aber auch mit den Kritikern“. Sein Ziel sei, die Wertschätzung der IHK bei Mitgliedern sowie in der Öffentlichkeit, weiter zu stärken. Der 1965 in Würzburg geborene Schmalzl war von 2008 bis 2016 Präsident des Regierungsbezirks Stuttgart und zuletzt Ministerialdirektor im Bundesfinanzministerium.