Der Handel zieht sich immer mehr zurück, Dienstleister und Gastronomen rücken nach. Dieser Trend ist in der Göppinger Hauptstraße schon länger im Gang. Auffällig ist jedoch, dass sich in den vergangenen Monaten vor allem Anbieter aus der Immobilienbranche ausgebreitet haben. Die Firma Engel+Völkers hatte in der westlichen Hauptstraße beim Schillerplatz schon länger eine Dependance. Innerhalb kurzer Zeit haben sich nun in Marktplatz-Nähe gleich vier weitere Maklerbüros in den Ladengeschäften angesiedelt. Dazu kommt ein Architekturbüro. Um die Ecke bietet ein Fertighaus-Anbieter seine Dienste an. Und auch Finanzdienstleister sind stark vertreten. Wie kommt es zu dieser Häufung?
Konkurrenz belebt das Geschäft
Fragt man die Anbieter selber, dann ergibt sich ein diffuses Bild über die Beweggründe: Beispielsweise sagt Reiner Höhl, der zusammen mit seiner Kollegin Olga Immel das Büro der Firma Königskinder betreibt: „Wir freuen uns jeden Tag über den Standort“. Höhl und Immel betreiben das Büro in der Hauptstraße als Franchisenehmer des großen, regional tätigen Unternehmens Königskinder, das seine Zentrale in der Stuttgarter Königstraße und einen weiteren großen Standort in Ebersbach hat. Vor drei Jahren habe er zunächst ohne festes Büro angefangen, erzählt Reiner Höhl. Nach der Entscheidung, eine direkte Anlaufstelle für Kunden zu eröffnen, „wollten wir dann ungern in die 1b-Lage“. Die Mietpreise in der einstigen Flaniermeile seien nicht mehr so extrem hoch wie vor einigen Jahren, sagt Höhl: „Das ist es uns wert“. Die Laufkundschaft, die an den Fenstern stehen bleibt und sich das Angebot anschaut, sei „nicht zu unterschätzen“. Vermietungen spielen bei „Königskinder“ eine untergeordnete Rolle. Der Kauf oder Verkauf einer Immobilie sei aber Vertrauenssache, sagt Reiner Höhl. Da gehöre eine Anlaufstelle dazu. „Wir werden gesehen.“
Dass sich die Maklerfirmen in der Hauptstraße mittlerweile ballen, sieht Höhl da sogar eher als Vorteil. Potenzielle Kunden, die eine Immobilie anbieten wollen, müssten gewissermaßen nur einen Standort ansteuern, hätten dann die Auswahl zwischen mehreren Konzepten und könnten das passende auswählen.
Besser Dienstleister als leer stehende Läden
Das sieht auch Nusreta Mrkulic so ähnlich, die eine Türe weiter einen Standort des Immobilienunternehmens Century 21 betreibt. Sie habe schon Standorte in Eislingen und in der Nordstadt gehabt, erzählt Mrkulic. „Ich hatte aber immer den Traum, einen Laden direkt in der City zu haben“, sagt sie. Da sei das Angebot, das ehemalige Fotogeschäft Schlenker zu mieten, zur rechten Zeit gekommen. Auch sie setzte damit vor allem auf mehr Laufkundschaft, wegen Corona sei das zwar bisher ausbaufähig. Aber auch Nusreta Mrkulic findet: „Konkurrenz belebt das Geschäft.“
Beim Marketingverein Göppinger City, der die Innenstadt als Ganzes vertritt, beobachtet man die Entwicklung der Hauptstraße zur Gastro- und Dienstleistungsachse schon länger, hat aber wenig Einflussmöglichkeiten. „Der Einzelhandel tut sich eben schwer“, sagt Geschäftsführer Oliver Sihler. Die Hauptstraße sei auch nicht mehr die Haupt-Einkaufslage der Stadt Göppingen, das verteile sich eher in die Marktstraße und deren Nebenstraßen. Die Vermieter suchten sich Alternativen zum klassischen Einzelhandelsgeschäft. Dienstleister aller Art füllen die Lücken. Das sei zwar nicht optimal für eine Einkaufsstadt, in jedem Fall aber besser, als wenn Ladengeschäfte in großem Stil leer stünden, findet der Göppinger City-Manager.
Gespräche über das Verkehrsproblem in der Hauptstraße
Verkehr
Vor der Sommerpause hat sich in Göppingen die Debatte um eine autofreie Hauptstraße entzündet. Im Gemeinderat ist das Thema umstritten. Momentan verursacht das 20-minütige Gratisparken viel Parksuchverkehr.
Pläne
Göppingens Oberbürgermeister Alex Maier (Grüne) hatte bereits in seinem OB-Wahlkampf im Herbst 2020 ein Mobilitätskonzept für die City angekündigt. Er wolle jedoch nichts übers Knie brechen, sondern mit allen Akteuren ausführlich sprechen, sagte der Oberbürgermeister kürzlich bei der Hauptversammlung von „Göppinger City“. Am 12. September solle zu dem Thema Verkehr im Zentrum eine breit angelegte Gesprächsrunde stattfinden.