Bei der Leser-Uni ging es dieses Mal um den höheren Stress, den das Leben in der Stadt im Vergleich zum Leben auf dem Land mit sich bringt. Und um die Tatsache, dass das heute übliche lange Sitzen viele Menschen krank macht. Dagegen kann man allerdings etwas tun – nämlich sich mehr im Alltag bewegen.

Stuttgart - Die beiden Vorträge an der Leser-Uni der Stuttgarter Zeitung am Donnerstagabend standen ganz im Zeichen unserer Serie „Besser leben – wie geht das?“ Das Interesse der Leser war wieder groß, der Hörsaal auf dem Vaihinger Campus der Uni Stuttgart war voll besetzt. Als Neuerung konnten die Leser Fragen stellen, die dann zusammengefasst am Ende der Vorträge den Referenten gestellt wurden.

 

Im ersten Referat ging Andreas Meyer-Lindenberg (links) vom Mannheimer Zentralinstitut für Seelische Gesundheit der Frage nach, wie das Stadtleben die Psyche belastet. Das ist eindeutig der Fall: Menschen, die in der Stadt geboren sind und dort auch lange Zeit leben, haben zum Beispiel ein dreifach höheres Risiko, an Schizophrenie zu erkranken, als Menschen auf dem Land – und das weltweit. In Baden-Württemberg empfinden die Menschen übrigens ihre Belastung durch Stress bundesweit gesehen mit am stärksten. Bayern dagegen rangiert am unteren Ende der Stress-Empfindungsskala.

Das Gehirn zeigt Land- und Stadtleben an

Dann wurde es wissenschaftlich: Meyer-Lindenberg zeigte anhand verschiedener Bildern vom Gehirn, dass bei Menschen, die in der Stadt oder auf dem Land leben, deutliche Unterschiede in bestimmten Hirnarealen zu erkennen sind. Ganz ähnliche Unterschiede lassen sich auch bei Migranten feststellen – und zwar selbst noch bei Menschen, die bereits in der zweiten Generation in Deutschland leben. Und auch hierarchisches Denken und Kontakte mit Menschen, die sozial höher beziehungsweise niederer eingestuft werden, manifestiert sich in unterschiedlichen Hirnaktivitäten.

Im zweiten Vortrag beschäftigte sich Wolfgang Schlicht vom Lehrstuhl Sport- und Gesundheitswissenschaften der Uni Stuttgart mit den Folgen des heute für viele Menschen üblichen bewegungsarmen Lebens. Sedentariness nennt er das ausgedehnte, mehr oder weniger stille Sitzen – was nicht mit Inaktivität zu verwechseln ist. In den am weitesten entwickelten Ländern ist dies heute der bei vielen Menschen übliche Lebensstil: So sitzen auch in Deutschland etwa ein Viertel bis ein Fünftel der Menschen mehr als neun Stunden am Tag – und das mehr oder weniger ununterbrochen.

Sitzen erhöht das Risiko für Krankheiten

Gesund ist das nicht: So erhöht das viele Sitzen ganz eindeutig das Risiko insbesondere für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Hinzu kommt oft noch allzu üppiges Essen. Aber Übergewicht allein ist nicht entscheidend: „Fitte Dicke leben länger als unfitte Dünne“, brachte es Schlicht auf den Punkt. Allerdings: das sitzende Verhalten zu ändern, ist eine ziemlich komplexe Angelegenheit – und ein mühsame dazu. Mit erhobenem Zeigefinger und guten Vorsätzen allein kommt man da meist nicht weit. Besser ist es, mit sich selbst feste Vereinbarungen zu treffen, und das am besten schriftlich, denn das erhöht den Druck. Etwa am Tag zehn Minuten um den Block zu gehen. Oder die Treppe statt den Aufzug zu nehmen.

„Sorry, dass Sie so lange sitzen mussten“, entschuldigte sich Wolfgang Schlicht am Schluss seines Vortrags. Manch ein StZ-Leser dürfte da schon recht nachdenklich geworden sein und sich – zumindest beim Heimgehen – überlegen haben, wie er in Zukunft mehr Bewegung und weniger Stress in sein sitzendes Stadtleben bringen könnte.

Die beiden Leser-Uni-Vorträge zum Nachschauen: Der zweite Vortrag von Wolfgang Schlicht beginnt in der 42. Minute.