Als ihr Sohn auf die Welt kam, hat Hélène Eichrodt-Kessel keinen einzigen Glückwunsch gehört. Denn Raphael hat das Downsyndrom. Nun organisiert sie einen Tag, an dem Eltern ihre Kinder mit Behinderung mal ganz anders betrachten sollen.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Hoffeld - Das vorgesehene Tagesprogramm einfach so zu absolvieren, das gelingt Hélène Eichrodt-Kessel nie. „Mit so einem Kind muss man immer improvisieren.“ Das Wort behindert lehnt die zweifache Mutter und evangelische Pfarrerin ab, sie setzt es in Anführungszeichen – oder sie sagt Sonderkinder.

 

Vor zehn Jahren hat Hélène Eichrodt-Kessel ihr zweites Kind zur Welt gebracht: Raphael, mit einer dreifachen Ausführung des Chromosoms 21, statt nur zweien. Das bedeutet: Trisomie 21, also Downsyndrom. Nach seiner Geburt hörte die Mutter von keinem einzigen Mensch Glückwünsche, so wie sie es von ihrem ersten Kind gewohnt war. Stattdessen standen bei Raphael immer die Krankheit, das Defizit und die Probleme im Raum. „Das Besondere dieser Kinder rückt dadurch in den Hintergrund“, sagt sie. Dabei würden gerade Menschen mit Behinderung oft so viel gute Laune und Sonne in die Gesellschaft bringen, „und unsere Welt könnte davon profitieren.“

„Man kommt an seine Grenzen“, sagt die Mutter

Mit einem sogenannten Oasentag für Eltern von Kindern mit Behinderung möchte Hélène Eichrodt-Kessel dieses Denken in den Köpfen vieler Menschen auflösen. „Ich will einen Perspektivwechsel hervorrufen. Im Mittelpunkt soll die Frage stehen: Was ist das Besondere, das dieses Kind in unser Leben gebracht hat? Welches Licht, welchen Zauber bringt es? Und welches Geschenk ist es – trotz und vielleicht gerade wegen aller Herausforderungen?“

Die Pfarrerin will die Belastung dieser Eltern dadurch keinesfalls kleinreden. „Man kommt an seine Grenzen, und es gibt Phasen, wo einem alles über den Kopf zu wachsen scheint. Aber es gibt auch die Tage, an denen man sich unendlich freut – zum Beispiel, wenn das Kind ein neues Wort sagt.“ Bei Raphael ist dies der Fall. Denn Hélène Eichrodt-Kessel selbst versteht in der Regel immer, was ihr Sohn ihr sagen will – für andere muss sie aber übersetzen, was die oft recht aufgeregt wirkenden Worte des Zehnjährigen bedeuten.

Eltern haben kaum Zeit für Austausch

Ein weiterer Grund, warum Hélène Eichrodt-Kessel diese Veranstaltung organisiert, ist, dass die Eltern sich austauschen sollen – auch jenseits der üblichen, problembehafteten Themen, sondern in einem positiven Rahmen. „Kinder mit Behinderung sind in Stuttgart auf mehrere Schulen verteilt, weshalb man sich oft gar nicht kennenlernt“, sagt Hélène Eichrodt-Kessel. Zudem würden Eltern von Kindern mit einer Behinderung in der Regel unverhältnismäßig viel Zeit bei Ärzten, Therapeuten oder mit der Kommunikation mit verschiedenen Behörden verbringen, wodurch oft schlicht die Zeit fehle, sich mit anderen zu unterhalten, die dieselben Fragen und Probleme haben – oder diese womöglich bereits gelöst haben.

Der Oasentag ist am Samstag, 15. Februar, von 10 bis 17 Uhr in der Hoffeldkirche, Zaunwiesen 126. Die Pfarrerin hat für diesen Tag mehrere Gäste eingeladen: die Logopädinnen Julia Scheer sowie Annette Mehwald, die Sozialpädagogin Judith Rubröder, den Theologen Bernhard Bayer und die Erzählerin Odile Neri-Kaiser. Damit sich die Eltern komplett auf den Tag einlassen können, wird eine Bewirtung sowie eine integrative Betreuung für Kinder zwischen fünf und zehn Jahren angeboten. Wie viel die Familien für ihre Teilnahme bezahlen, dürfen sie selbst entscheiden, der Richtwert liegt bei 40 Euro.

Eine vorige Anmeldung beim Gemeindebüro Degerloch ist nötig: telefonisch unter 0711/76 96 34 60 oder per Mail an pfarramt.degerloch.hoffeldkirche@elkw.de.