Das einstige Model Rachel Cook spricht im Bürgerzentrum über Essstörungen, Übersexualisierung und Schönheitsideale.

S-West - „Hungern war gestern. Warum Gesundheit so viel wichtiger als Schönheit ist.“ Groß leuchten die Worte an der Wand des Otto-Herbert-Hajek-Saals im Bürgerzentrum West, denn gleich berichtet das ehemalige Übergrößen-Modell Kera Rachel Cook über Essstörungen, Schönheitswahn und mediale Übersexualisierung.

 

Der Vortrag ist Auftakt des zweiten Seminartags von „It’s my life – Ich mach’ was draus“, den das Wohlfahrtswerk für junge Frauen veranstaltet, die ein Freiwilliges Soziales Jahre (FSJ) absolvieren. Das Landes-Sozialministerium unterstützt das Projekt. „Wir begleiten die jungen Frauen bei der Berufs- und Lebensplanung“, sagt Corinna Mühlhausen vom Wohlfahrtswerk. „Wir haben drei Seminargruppen mit rund 90 Teilnehmerinnen zwischen 16 und 18 Jahren.“

Fast alle sind zum Seminartag gekommen, an dem es um positiven Umgang mit dem Körper geht. In Workshops am Nachmittag vermittelt eine Tanztherapeutin Körpergefühl, eine Schauspielerin Rhetorik – und die Sportler von Re-Act Stuttgart lehren Selbstbehauptung, angelehnt an die Kampflehre Krav Maga. Therapeutinnen sprechen über Essstörungen, während im Workshop „Gesunde Ernährung – einfach, lecker und gar nicht teuer!“ Rezepte in der Küche ausprobiert werden. „Für Ernährung, Selbstverteidigung und Essstörungen haben sich viele interessiert“, so Mühlhausen.

Mit dem Diätplan begann der Leidensweg

Über ihre Essstörung berichtete Kera Rachel Cook – mit Petra Hellstern. Die Leiterin des Heilbronner Regionalbüros des Wohlfahrtswerks fungierte als Cooks Lautsprecher, die wegen einer Stimmbandentzündung nur flüstern konnte. Was die 27-Jährige aber nicht davon abhielt, leidenschaftlich ihre Botschaft zu vermitteln: „I choose to love myself“ – „Ich habe mich dafür entschieden, mich selbst zu lieben.“

Doch ihr Weg zur Aktivistin für Selbstliebe war hart. Als sie 15 war, bot eine Modelagentur Cook einen Vertrag an. Die Vorgabe: Der 1,86 Meter große, normalgewichtige Teenager müsse abnehmen. „Plötzlich gab es verbotene Lebensmittel“, so die Böblingerin. Mit dem Diätplan begann ein Leidensweg, der in die Essstörung führte. Cook litt an Bulimie, stopfte zeitweise alles Essbare in sich hinein, um dann mit Abführmitteln, Appetitzüglern oder fünf Stunden exzessivem Training gegenzusteuern. „Mein Leben war bestimmt von Essen und dem Bild, wie ich auszusehen hatte, ich war wie ein Zombie, fremdbestimmt, schließlich suizidgefährdet“, so Cook.

Nachdem sie das Schauspielstudium in Hamburg abbrach, suchte sie psychologische Hilfe in einer Klinik. Die Teilnahme bei Germany’s Next Topmodel (GNTM) verschlechterte die Situation. „Obwohl ich viel abgenommen hatte, sah ich mich im Spiegel als fettes, hässliches Monster“, beschreibt Cook. Schließlich bekam sie den Rat, als Plus-Size-Model zu arbeiten – obschon ihre Kleidergröße 42 Durchschnitt sei. „Daher mag ich den Begriff nicht. Doch plötzlich hatte ich für dieselben Agenten, für die ich vorher zu dick war, die idealen Maße“ Dennoch beendete sie 2015 diese Karriere. „Es geht nie um die Person oder was man kann, sondern nur um das Aussehen und immer nur um die Leute dahinter.“

Schönheitsideale, die kein Mensch erfüllen

Sie wollte nicht mehr Teil einer oberflächlichen Industrie sein, die krankhafte, unrealistische Schönheitsideale präge. Sie zeigt daher auch einen Film, in dem ein Modell so mit Photoshop bearbeitet wird, dass es zur anderen Person wird. „Nicht mal das Model sieht in Realität aus, wie das Model auf dem Cover“, so Cook. Derzeit schreibt sie an der Universität eine Masterarbeit darüber. Und eine ihrer Recherchen zeigte, dass die Zufriedenheit mit dem eigenen Körper bei 16- bis 17-jährigen Mädchen zwischen 2006 und 2009 von 70 Prozent auf 55 Prozent abnahm. „Die erste Staffel von Germany’s Next Topmodel lief 2006“, so Cook. Die Sendung sei nicht allein schuld, aber sie habe wohl dazu beigetragen. „Auch die sozialen Medien beeinflussen die Selbstwahrnehmung.“

Das bestätigten manche der FSJ-lerinnen. Wer kein Smartphone habe, werde gemobbt, erklärte eine. Eine andere ergänzte, dass die Show GNTM Schwachsinn sei, falsche Signale aussende. „Wie die mit den Mädchen umgehen!“ So dürfe sich keiner behandeln lassen. Cook betonte denn auch, dass jeder Körper anders sei, Frauen den eigenen lieben lernen müssten. „Sie verbringen ihr Leben darin. Also: Ernähre dich gesund, sei du selbst und selbstbewusst, vergiss alberne Schönheitsideale, die kein Mensch erfüllen kann.“