Die CDU-Politikerin Serap Güler und Ex-Fußballprofi Cacau berichten bei einer Diskussion in Stuttgart, wann es knirscht zwischen Menschen mit Migrationshintergrund und angestammten Deutschen.

Stuttgart - Irgendwann an diesem Debattenabend über Zuwanderung und Identitäten im Stuttgarter Schauspielhaus schilderte der Ex-Fußballprofi Cacau eine Begebenheit, die vielleicht eine Schlüsselantwort gibt auf das mitunter spannungsgeladene Zusammenleben von Menschen mit Migrationshintergrund und angestammten Deutschen.

 

„Deutschland - die fremde Heimat“ war am Donnerstag die Veranstaltung im Rahmen der Reihe „Theater trifft Wirklichkeit“ betitelt, die gemeinsam vom Schauspiel Stuttgart, der Robert Bosch Stiftung und der Stuttgarter Zeitung organisiert wird. Sie wurde moderiert von den StZ-Redakteuren Rainer Pörtner und Armin Käfer.

Kann man mehr als eine Heimat haben?

Die Gäste schilderten zunächst mal überzeugend, dass für sie Deutschland gar nicht fremd sei, sondern echte Heimat: Serap Güler (38), Tochter aus einer türkischen Gastarbeiterfamilie, geboren in Deutschland und heute CDU-Staatssekretärin für Integration in Nordrhein-Westfalen, empfindet Köln klar als ihre Heimat.

Und der 37-jährige Cacau – mit bürgerlichem Namen Claudemir Jeronimo Barreto – der mit 18 nach Deutschland kam, sagte, er fühle sich mit seinen drei in Cannstatt geborenen Schwaben-Kindern „total heimisch“ im Remstal. „Aber wenn wir nach Brasilien fliegen, sagen wir, wir gehen nach Hause. Fliegen wir zurück nach Deutschland, gehen wir auch nach Hause. Vom Gefühl her geht das, es gibt da kein Problem mit meiner Identität.“

Dann aber schob der akzent- und fehlerfrei Deutsch sprechende Cacau das besagte Schlüsselerlebnis nach. Er erzählte, dass er bei Begegnungen in Deutschland manchmal auf Englisch angesprochen werde. Er antworte dann auf Deutsch, aber der deutsche Gesprächsteilnehmer bleibe beim Englisch. „Ich aber bleibe beim Deutsch“, sagt Cacau.

„Nervige“ Fragen

Eine verkehrte Welt? Oder ein Hinweis darauf, dass die Mehrheitsgesellschaft – Rainer Pörtner benutzte einmal das Wort „Biodeutsche“ – Menschen mit anderem Aussehen nicht als Gleiche akzeptieren wollen, da sie „südländisch“ aussehen oder dunkelhäutig sind?

Zwei Beispiele sind an diesem Abend durchdekliniert worden, die diese These stützen. Da ist zum einen die häufige Nachfrage, woher man denn komme. Diese Frage sei nicht rassistisch, aber „nervig“, sagte Serap Güler. Vor allem Kinder der dritten Generation seien da empfindlich, „die gehen da ab wie eine Rakete“. Der TV-Moderator Dieter Bohlen hatte kürzlich ein „asiatisch“ aussehendes Mädchen in einer Castingshow dreimal hintereinander gefragt, woher sie komme. Dreimal hatte das Mädchen geantwortet, sie komme aus Herne. Die heranwachsende Generation wolle diese Frage nicht mehr hören, sagte Güler: „Ich frage andere doch auch nicht: Was haben Sie gewählt oder was verdienen Sie?“

Mesut Özil und sein Bild mit Erdogan

Das zweite Beispiel kreiste um Mesut Özil und seinen umstrittenen Auftritt mit dem türkischen Präsidenten Erdogan. Sowohl Güler als auch Cacau bezeichneten das Verhalten Özils als dumm und unüberlegt, und zwar deshalb, weil sich der Nationalfußballer „mit einem Despoten“ habe ablichten lassen. Hätte sich ein französischstämmiger Fußballer mit Präsident Macron getroffen, hätte sich keiner aufgeregt, sagte Güler.

Aber wie zornig die deutsche Öffentlichkeit dann auf Özil reagierte, löste bei beiden Diskutanten zumindest Skepsis aus. Als Lothar Matthäus sich mit dem Erdogan ebenbürtigen Despoten Putin habe ablichten lassen, habe sich im DFB keiner aufgeregt, bemerkte Güler. Und für Cacau war Ösil einer der besten Fußballer der Weltmeisterschaft, „aber es gab über ihn gar keine sachliche Diskussion mehr“.

Doppelmoral beim Thema Doppelte Staatsangehörigkeit

Armin Käfer wollte wissen, warum auch Migrantenkinder der dritten Generation noch Erdogan wählen, was Güler auch damit zu erklären versuchte, dass Erdogan schon 2008 bei einem Deutschlandauftritt der erste und einzige war, der den Auslandstürken signalisierte, für sie da zu sein. Das habe ein deutscher Politiker nie gesagt. Im Nachteil sehen sich auch Kinder der dritten Gereration heute noch: Melden sie sich mit türkischem Namen bei einem Vermieter – so hat eine Studie ermittelt – heiße es in 75 Prozent der Fälle, die Wohnung sei schon weg.

Auch in der Debatte um die zweifache Staatsbürgerschaft erkennt Güler eine Doppelmoral – Russen, Amerikaner und Schweizer erhielten sie leichter als Türken: „Das ist unfair.“ Nur gestreift wurde an diesem Abend der Rechtspopulismus. Serap Güler stellte fest, „dass bestimmte Gruppen“ den Begriff Heimat „ausgrenzend“ einsetzen würden – das dürfe nicht passieren.

Am Ende war der Grundtenor der Veranstaltung optimistisch. Das alltägliche Zusammenleben sei gut, hieß es. Cacau sagte, in Deutschland laufe mehr richtig als falsch. Das letzte Wort hatte eine dunkelhäutige Brasilianerin aus dem Zuschauerraum, Mutter von vier Kindern, verheiratet mit einem Deutschen: „Hier ist mein zuhause. Deutschland ist ein tolles Land“, rief sie in den Saal. Das gab Schlussapplaus.