Freiwillig hat es nicht funktioniert. Nun wird es verbindlich: Wer Veranstaltungen auf dem Schlossplatz organisiert und dafür Karten verkauft, muss Kombitickets anbieten. Doch warum gilt das nicht für die Jazz Open?

Stuttgart - Die Mühlen von Verwaltungen mahlen langsam, mitunter sehr langsam. Aber sie mahlen. Nach langen Jahren des Nichtstuns und Monaten der Bedenkzeit hat der Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg verfügt, dass bei kommerziellen Veranstaltungen auf seinen Liegenschaften in Stuttgart ein Kombiticket angeboten werden muss. Dazu zählt auch der Schlossplatz. Der SWR bietet für sein Festival vom 29. Mai bis 1. Juni ein Kombiticket an, der Veranstalter Opus für die Jazz Open nicht. Wie ist das möglich?

 

Nun, eine solche Veranstaltung wird natürlich geplant. „Die Entscheidung des Finanzministeriums kam für uns zu spät“, sagt Jürgen Schlensog, Chef von Opus, „wir waren in der Umsetzung schon zu weit, um diese Entscheidung noch berücksichtigen zu können.“ Dies freiwillig tun zu können, kam nicht infrage. Zuletzt hab er vor zwei Jahren mit dem Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) wegen des Kombitickets verhandelt, aber man sei nicht zusammengekommen. „Nur 50 Prozent unserer Besucher kommen aus Baden-Württemberg“, sagt Schlensog, zehn Prozent gar aus dem Ausland. Das heiße, die Hälfte „unserer 50 000 Besucher nehmen das Kombiticket nicht in Anspruch“. Opus müsse aber 1,60 Euro je Ticket an Fahrtkostenanteil an den VVS zahlen, „das kostet uns 80 000 Euro“. Für ihn ist klar: Das bisherig Prinzip Kombiticket passe nicht zu einem Festival. „Da muss man sich was einfallen lassen, da sind wir gerne dazu bereit.“ Schließlich seien die Jazz Open klimaneutral, seit Längerem schon arbeite man mit der Firma Scharr zusammen, die zur Kompensation des Kohlendioxid-Ausstoßes im Rahmen eines Klimaschutzprojektes Gaskocher in den Sudan liefere.

Hier gibt es die meisten Kombi-Ticket-Variationen

Das Kombiticket hat eine lange Geschichte. Erstmals galt die Eintrittskarte als Fahrschein bei einem SDR-3-Festival in der Schleyerhalle. 1985 zog der VfB nach. Mit Erfolg: 12 Millionen Fußballfans fuhren bisher mit dem Kombiticket ins Stadion. Bei den Konzerten dauerte es länger. Da regierte der Wildwuchs. Manche Veranstalter boten das Kombiticket an, andere nicht. 2008 nahm die städtische Tochter in.Stuttgart in ihre Verträge eine Klausel auf: Wenn Eintrittskarten in den Verkauf kommen, müssen Veranstalter für Veranstaltungen im Neckarpark ein Kombiticket anbieten.

Die Scharrena im Bauch der Mercedes-Benz-Arena wird allerdings vom Sportamt der Stadt Stuttgart bewirtschaftet. Für sie gilt diese Klausel nicht. Was für Verwirrung sorgt. Unser Leser Andreas K. war bei den Bundesliga-Volleyballerinnen von Allianz MTV Stuttgart. Und wollte eigentlich mit der Straßenbahn fahren. Bis er im im Kleingedruckten las: „Alle unsere Tickets (auch Dauerkarten und VIP-Tickets) enthalten keine VVS-Fahrberechtigung. Sie benötigen für die An- und Abreise mit dem VVS immer einen zusätzlichen Fahrschein“. Da ist er dann eben doch mit dem Auto zum Spiel gefahren.

Nur mit zusätzlichem Fahrschein

Noch komplizierter wird es bei den Heimspielen der Handballer des TVB Stuttgart. Spielen diese in der Porsche-Arena berechtigt die Eintrittskarte zur Fahrt mit Bus und Bahn; spielen sie in der Scharrena muss man Bus und Bahn extra zahlen. Woran liegt das?

Pia Scholz vom VVS erläutert: „Der VVS kann keinen Veranstalter zwingen, eine Kombi-Ticket-Vereinbarung abzuschließen. Wir können lediglich ein Angebot machen“. Dabei hat sie auch Verständnis für die Veranstalter: „Bei deren Entscheidungen spielt es aber auch eine Rolle, ob der Veranstaltungsort gut mit dem öffentlichen Nahverkehr zu erreichen ist. Und es ist zu bedenken, dass sich zum Beispiel zur Scharr-Arena ein Sonderverkehr für die SSB nicht lohnt, wenn zu wenig Zuschauer erwartet werden.“

Sprich, knapp 2300 Zuschauer in der Scharrena sind zu wenige, als dass die Stuttgarter Straßenbahnen die Sonderlinie U 11 zum Neckarpark fahren lassen. Und dann fragen sich die Vereine eben, warum sollen wir einen Fahrkostenanteil je Ticket abführen, wenn keine zusätzliche Leistung erbracht wird. Gespräche mit dem MTV habe man geführt, sagt Scholz, sich aber nicht geeinigt.

Ticket-Frage vor der Veranstaltung klären

Die Höhe des sogenannten Fahrtkostenanteils verhandeln die Veranstalter mit dem VVS. Der ist laut dessen Auskunft „von verschiedenen Faktoren abhängig“. Etwa von dem Einzugsgebiet der Besucher, also wie lang die Anreise der Gäste ist. Von der Besucherstruktur: „Sind es beispielsweise eher Senioren oder Schüler, die oftmals schon ein VVS-Zeit-Ticket besitzen?“ Und von dem ÖPNV-Anteil: „Gibt es viele Besucher, aber wenig Parkplätze? Gibt es eine gute VVS-Anbindung?“ So schwankt der Anteil zwischen einem und zwei Euro. 2018 wurden 7,3 Millionen Kombitickets verkauft, der Fahrkostenanteil betrug dabei 8,5 Millionen Euro.

Die Staatstheater, die Staatstheater, die Kulturgemeinschaft, das Theaterhaus bieten Kombitickets an, zuletzt gar die Wagenhallen für ihre Nachtschwärmer-Partys, inklusive Rückfahrt erst am Tag darauf. Nun zieht das Land nach, auch wenn sich das bei den Jazz Open erst 2021 bemerkbar machen wird.