Die Wohnungsunternehmen in Baden-Württemberg mahnen in Anbetracht fehlender bezahlbarer Wohnungen im Land einen Mentalitätswechsel im Wohn- und Städtebau an.

'Wir haben den Anspruch, die Menschen bei uns im Land mit bezahlbaren Wohnungen zu versorgen', gibt sich Robert an der Brügge im Vorfeld des Landesverbandstages selbstbewusst. Doch das werde immer schwieriger, so der Vorsitzende vom vbw Verband der baden-württembergischen Wohnungs- und Immobilienwirtschaft. Und obwohl die rund 300 Wohnungsunternehmen, die im vbw organisiert sind, allein im zurückliegenden Jahr rund 3400 Wohnungen errichtet haben und für dieses Jahr weitere 1,4 Milliarden Euro in den Wohnungsneubau fließen sollen, fehlt es vor allem an preisgünstigem Wohnraum. So soll der Wohnungsbedarf im Land für Menschen, die sich nicht selbst am Markt versorgen können, zwischen 40 000 und 45 000 Wohnungen liegen.

 

Doppelt so viele Wohnungen

Darin noch nicht eingerechnet ist der zusätzliche Bedarf vom 15 000 bis 30 000 Wohnungen für die Anschlussunterbringung der Flüchtlinge. Nach der Schätzung der Landesregierung müssten danach jährlich doppelt so viele Wohnungen gebaut werden wie bisher. Dass es nicht vorangeht, liegt nach Ansicht des Verbandes nicht nur am fehlenden Bauland. 'Um größere Wohnungsneubaumengen in kurzer Zeit stemmen zu können, brauchen wir ein schnelleres Baurecht und einfachere Standards. Wir fordern nichts. Wir wollen die Politik lediglich beraten, die Versorgung mit Wohnraum im Land zu verbessern. Dazu brauchen wir aber einen Mentalitätswechsel im Wohn- und Städtebau', gibt sich Robert an der Brügge kompromissbereit. Nach dem Wohnungsbaugipfel der Landesregierung im zurückliegenden Jahr hat der vbw gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden und der Arbeitsgemeinschaft der Bausparkassen ein Eckpunktepapier auf Bitte von Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid für ein sogenanntes Wohnungsbaubeschleunigungsgesetz erarbeitet. Eine wichtige Aufgabenstellung: Der Wohnungsbau muss auch wirtschaftlich sein.

Jetzt liegen die Vorschläge auf dem Tisch und dürften in der neuen Landesregierung für Diskussionsbedarf sorgen. Sieben Punkte umfasst der Katalog, den die Verbände erarbeitet haben. Auf der Wunschliste ganz oben steht dabei die vereinfachte Ausweisung von mehr Flächen im Flächennutzungsplan für den Wohnungsneubau. Wichtig sei aber auch eine Verkürzung der Bebauungsplanverfahren. Derzeit dauere es zwischen zwei und vier Jahren, bis ein Bebauungsplan durch sei. Das liege vor allem an den zahlreichen Gutachten für den Natur- und Artenschutz, die im Vorfeld erbracht werden müssten. 'Wir müssen uns endlich entscheiden, was uns wichtiger ist. Grottenmolche oder bezahlbarer Wohnraum', so Sigrid Feßler, Verbandsdirektorin des vbw. Deutliche Kritik auch an der erst vor wenigen Monaten novellierten Gemeindeordnung. Durch die Herabsetzung des Quorums zur Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden und die Verlängerung der Einspruchsfristen und insbesondere auch die Möglichkeit, gegen die Aufstellung von Bauleitplänen vorzugehen, sei es künftig noch einfacher, ein Bürgerbegehren ins Leben zu rufen.

Sieben Jahre von der Planung bis zum Einzug

Schon jetzt zieht sich ein Bebauungsplanverfahren teilweise zwei bis drei Jahre hin, bei der Entwicklung eines neuen Baugebiets von der ersten Planung bis zur Fertigstellung teilweise sogar bis zu sieben Jahre. 'Wenn dann noch Bürgerbegehren gegen Bebauungsplanfestsetzungen hinzukommen, werden sich die Verfahren noch länger hinziehen', so Sigrid Feßler. Ohne mehr Personal in den Baurechtsbehörden und erleichterte Vergabeverfahren werde der enorme Druck auf den Wohnungsbau aber auch nicht zu bewältigen sein. 'Wir brauchen vereinfachte Ausschreibungsverfahren, da die Vergabeordnung im öffentlichen Bau der Komplexität des Themas längst nicht mehr gerecht wird', beschreibt an der Brügge ein weiteres Hemmnis für den Wohnungsbau. 'Die neue Landesregierung wird auch nicht umhinkommen, über die Baustandards neu nachzudenken, wenn der Wohnungsbau im Land forciert werden soll', so die Verbandsdirektorin. Gerade die kostenintensiven Baustandards, angefangen von Regelungen der Landesbauordnung über den Brandschutz und energetische Standards, sollten für ein paar Jahre außer Kraft gesetzt werden.

Aber auch über steuerliche Anreize für private Investoren und die Optimierung der staatlichen Förderung sollte der Gesetzgeber nachdenken. Ohne private Investoren sei die Deckung des Wohnungsbedarfs aber nicht zu schaffen. 'Wir haben ausgerechnet, dass für die Schaffung der 75 000 Wohnungen bei einer Wohnungsgröße von 50 Quadratmetern und durchschnittlichen Herstellungspreisen von 3000 Euro pro Quadratmeter jedes Jahr Gesamtinvestitionen von 11,25 Milliarden Euro anfallen würden. Selbst wenn sich viele Investoren beteiligen, sei dies ein hoher Betrag. Das sei nur interessant, wenn auch die lineare AfA (Abschreibung für allgemein verwendbare Anlagegüter) für Gebäude von derzeit zwei auf vier Prozent erhöht werden. Eine Absage erteilt der vbw zudem dem zweiten Mietrechtspaket. Die Neuregelung komme zum falschen Zeitpunkt und schade dem Mieter, weil sich die Investoren zurückziehen werden. 'Wir brauchen jetzt einen Neustart des sozialen Wohnungsbaus', so Sigrid Feßler.