Beim 3:1-Sieg in Ehingen kehrt der Verbandsligist Calcio Leinfelden-Echterdingen seine bisherige Auswärtsformel um. Diesmal gilt: schlecht gespielt, gut gepunktet.

Lokalsport : Franz Stettmer (frs)

Ehingen-Kirchbierlingen - Es waren wenig druckreife Flüche, die von der Seitenlinie kamen. Irgendwie musste der Frust raus. Und so betätigte sich Michael Bochtler, ansonsten ein besonnener und eher ruhiger Zeitgenosse, kurzzeitig als Rumpelstilzchen. Später, bis zum Abpfiff der Partie, hatten sich die Gemüter zwar wieder abgekühlt, sprach der einstige Bundesliga-Kicker und heutige Trainer des gastgebenden SSV Ehingen-Süd aber immerhin noch vom „Wahnsinn“, der da passiert sei. Auf „brutale Weise“ habe es die Seinen aus der Bahn gehauen.

 

In der Tat. Vier Minuten reichten am Samstag, um den kompletten Rest der Begegnung zum bloßen Beiprogramm zu degradieren. Vier Minuten, in denen die Emotionen beiderseits achterbahngleich von einer in die andere Richtung rauschten – und die eine vorentscheidende Bedeutung hatten. Gleich drei Treffer fielen in diesem turbulenten Finish vor der Halbzeitpause. Zack, zack, zack. Ein Geschehen wie im Zeitraffer. Bei der Heimelf war der Jubel über die eigene Führung noch nicht verhallt, als in jenen mit Eiseskälte ein gegnerischer Doppelschlag zur Wende platzte. Unter dem Strich stand für Bochtler und sein Verbandsliga-Aufsteigerteam mit einem 1:3 die nächste Niederlage, mithin die sechste in Serie. Beim Kontrahenten Calcio Leinfelden-Echterdingen freuten sie sich derweil über den endlich ersten Auswärtsdreier der Saison. Gleichzeitige Erkenntnis bei allen Beteiligten: Fußball ist bisweilen ein komisches Spiel.

Zehn Punkte aus den vergangenen vier Spielen

Keine Frage: Calcio hat in der laufenden Runde auf gegnerischen Plätzen schon deutlich bessere Leistungen gezeigt. Gut gespielt, schlecht gepunktet – so hatte die ärgerliche Formel in der Ferne bislang gelautet. Dass diese nun umgekehrt Gültigkeit erlangt, eher schlecht gespielt, dafür gut gepunktet, birgt einige Ironie. Freilich, dem eigenen Trainer Francesco Di Frisco waren die Umstände am Ende egal. „Wenn man gewinnt, ist man immer zufrieden“, sagte er. Erst recht, da die Ergebniskurve der Seinen ja mittlerweile überhaupt nach oben zeigt. Aus ihren vergangenen vier Spielen haben die Echterdinger, ganz konträr zum aktuellen Gegner, zehn von zwölf möglichen Zählern geholt. Die Begradigung des enttäuschenden Saisonstarts setzt sich also fort.

Die Matchwinner hießen schließlich Mahir Ege und Josip Pranjic – das Duo mit dem schockenden Zweierpack. Der eine, Ege, köpfte nach einer Ecke von Armin Zukic den 1:1-Ausgleich. Der andere, Pranjic, holte wie schon vor Wochenfrist beim 6:4 gegen den TSV Essingen den Hammer raus. Der Routinier, der diesmal anstelle des verletzten Thomas Scheuring in der Abwehrzentrale agierte, drosch einen Freistoß aus 30 Metern ins Netz. Ein Schuss wie ein Strich. Vollends alles klar war, als Gentian Lekaj in der Endphase zum dritten Calcio-Tor abstaubte. Die Vorarbeit kam in diesem Fall vom eingewechselten Hanifi Altuntas, der dem Ehinger Verteidiger Stefan Hess den Ball abluchste.

Keeper Özerdem glänzt trotz Fieber

In der Summe schönten diese Treffer die mühsame Vorstellung einer Mannschaft, in der diesmal lediglich Shaban Ismaili als Ankurbler sowie der Keeper Sezer Özerdem zu einer überdurchschnittlichen Form aufliefen. Letzterer hatte sich trotz Fieber zwischen die Pfosten gestellt – ein eigentliches Handicap, von dem Di Frisco erst im Nachhinein erfuhr. Da war ein etwaiger Groll über diese Vorgehensweise durch Özerdems Paraden im Keim erstickt. „Er hat eines seiner besten Spiele für Calcio gemacht. Wenn das dann so ist, darf er gerne immer mit Fieber kommen“, sagte Di Frisco mit einem Schmunzeln.

Ansonsten taten sich die Seinen schwer gegen einen Gegner, der zunächst mit Fünferkette und elf Mann in der eigenen Hälfte verteidigte. Dem Echterdinger Spiel fehlte es an Kreativität, Tempo und Entschlossenheit, diese Festung aus den Angeln zu heben. Das eigene so mächtige Offensivpotenzial?`Es versandete diesmal weitgehend schon im Ansatz. Hinzu kam Dusel für die Gäste, dass die Ehinger Jan Deiss und Gaetano Gaudio mit Kopfbällen am Torgebälk scheiterten (18./25.). Und damit nicht genug des Unerquicklichen: als der Gegner dann wie erwähnt doch in Führung ging, sah Di Frisco eine Malaise bereits schmerzhaft bestätigt. Wieder ein individueller Fehler, wieder deshalb ein Gegentor. Deiss’ 0:1 ging ein unnötiger Ballverlust von Bastian Joas voraus. Und ewig grüßt das Murmeltier.

Zu diesem Zeitpunkt fluchte Di Friscos Pendant Bochtler noch nicht. „Wir wollten dem Gegner die Lust am Spielen nehmen. Das ist uns gut gelungen“, befand der 42-Jährige, der einst für den VfB Stuttgart und St. Pauli erstklassig im Einsatz war. Was am Samstag danach kam: siehe oben. Und siehe vorherige Calcio-Auftritte der Saison. Nur dass die Rollen zwischen fassungslosen Verlierern und glücklichen Gewinnern diesmal andersherum verteilt waren.

SSV Ehingen-Süd:
Gralla – Gnandt, Guggenmoser, Deiss, Hess, Kästle – Gaudio (71. Maier), Turkalj, Sapina, Barwan – Pöschl (76. Akhabue).

Calcio Leinfelden-Echterdingen:
Özerdem – Ege, Pranjic, Vidic – Joas, Gümüssu (86. Juric), Ismaili, Avdiu (67. Bahadir) – Miftari (71. Candan), Zukic (77. Altuntas) – Lekaj.