Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül betonte am Freitag, Verbote von Facebook oder Youtube, wie von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan angedroht, seien ausgeschlossen. Laut Gül wolle die Türkei die Freiheitsrechte ausbauen.

Ankara - Unter dem Druck des Korruptionsskandals um seine Regierung hat der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan mit einem Verbot der Internetplattformen Youtube und Facebook gedroht. Nach der Kommunalwahl am 30. März „werden neue Maßnahmen in dem Bereich getroffen, darunter ein Verbot“ von Internetplattformen, sagte Erdogan am Donnerstagabend im regierungsnahen Privatsender ATV. Staatspräsident Abdullah Gül betonte am Freitag dagegen, solche Verbote seien ausgeschlossen.

 

Im Internet waren in den vergangenen Wochen mehrere Mitschnitte von mutmaßlichen Telefonaten Erdogans aufgetaucht. In einem von ihnen ruft Erdogan angeblich seinen Sohn auf, große Geldsummen zu verstecken. Erdogan bezeichnete diesen Mitschnitt als Fälschung. Doch er bestätigte andere Gespräche, in denen er sich in die Auftragsvergabe für ein Kriegsschiff und in ein Gerichtsverfahren gegen einen Medienunternehmer einmischte.

Erdogan sagte in dem ATV-Interview, Unternehmen wie Facebook und YouTube ermunterten die Menschen zu „Unmoral und Spionage“. In der Vergangenheit hatte sich Erdogan auch sehr kritisch über den Kurznachrichtendienst Twitter geäußert. Youtube war in der Türkei bereits von 2008 bis 2010 verboten. Grund war ein Video, in dem angeblich Staatsgünder Mustafa Kemal Atatürk beleidigt wurde.

Türkei will laut Gül die Freiheitsrechte ausbauen

Anders als Erdogan sprach sich Staatspräsident Gül gegen ein Verbot der großen Internetplattformen aus. Davon könne keine Rede sein, sagte Gül nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Anadolu. Die Türkei wolle die Freiheitsrechte ausbauen. Einem gesetzlichen Verbot von Facebook und YouTube müsste Gül zustimmen.

Die Oppositionspartei CHP erklärte, ein Verbot der sozialen Medien wäre eine Beschneidung der Meinungsfreiheit. Zudem stellte sie die Frage, woher die Regierung das Recht zu einem Verbot der Internetplattformen ableite. Kommunikationsminister Lütfü Elvan sagte, Straftaten müssten auch im Internet verfolgt werden dürfen.

Am 17. Dezember waren erstmals Korruptionsvorwürfe aufgetaucht und mehrere enge Vertraute Erdogans festgenommen worden. Mehrere Minister mussten daraufhin zurücktreten. Erdogan selbst bezeichnete die Vorwürfe immer wieder als Verschwörung des islamischen Predigers Fethullah Gülen und als „Putschversuch“.

Gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei

Der islamisch-konservative Regierungschef kündigte überdies an, bei einer Niederlage seiner Partei AKP bei der Kommunalwahl Ende März zurückzutreten. Nach derzeitigen Umfragen ist die Position der AKP als stärkste politische Kraft im Land allerdings trotz des Skandals nicht gefährdet.

Am Rande einer Wahlkampfveranstaltung Erdogans im westtürkischen Eskisehir brachen am Freitag gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen regierungskritischen Demonstranten und der Polizei aus. Laut Medienberichten wurden rund 100 Menschen festgenommen.