Konrad Krauss alias Arno Brandner verlässt die „Verbotene Liebe“. In seinem 4140 Folgen währenden Serienleben hat er zahllose Konflikte bewältigt.

Stuttgart - Er war der Fels in der Brandung, die Säule der Vernunft. Ohne ihn droht die Statik der ARD-Daily-Soap „Verbotene Liebe“, der edelsten aller Vorabendserien, ernsthaft ins Wanken zu geraten. Unzählige Konflikte unter seinen vier Kindern, offiziell drei Exfrauen, Scharen von Nichten und Neffen hat Konrad Krauss als Bauunternehmer Arno Brandner in siebzehn Jahren „VL“ geschlichtet. „Na, alles beim Alten, liegt ihr euch schon wieder in den Haaren?“, lautete in der ersten Folge am 2. Januar 1995 sein Einstiegssatz, gerichtet an die halbwüchsigen Kinder Susanne und Jan. Im Kölner Eigenheim gingen sie damals in abscheulichen überdimensionierten Karohemden nach Holzfällerart aufeinander los – und das, obwohl auch Karl Lagerfeld unter den Ausstattern firmierte.

 

Aber da die Serie in ihrer Frühzeit noch die rheinische Rivalität Köln versus Düsseldorf befeuerte, konzentriere sich Maître Karl wohl mehr auf den adligen Düsseldorfer Erzählstrang um Clarissa und Christoph von Anstetten (Isa Jank und DDR-Krimi-Legende Jürgen Zartmann), die inzwischen ihr Schloss dem Geschlecht der von Lahnsteins überlassen haben. Arnos dritte Frau und große Liebe, die elegante und umsichtige Elisabeth (Martina Servatius), ist nun mit dem Lahnstein-Patriarchen Ludwig verheiratet, so wie sie es zuvor mit dessen verstorbenem Bruder Johannes war. Die Beziehungen sind in der Tat vielfältig.

Am Rand der Verzweiflung

Indem sich Jan (Andreas Brucker) bei der Ankunft am Flughafen unwissentlich in seine Zwillingsschwester Julia von Anstetten (Valerie Niehaus) verliebte, von der ihn die grausame Mutter Clarissa kurz nach der Geburt getrennt hatte, war der Urkonflikt gelegt, der dramaturgische Ausgangsknoten für siebzehn Jahre immer neuen Herzschmerz. Inzwischen leben Jan und Julia ihr inzestuöses Verhältnis auf den Balearen offen aus, was den treu sorgenden, dickköpfigen Vater und Großvater Arno Brandner an den Rand der Verzweiflung bringt.

„An meiner Rolle mag ich Arnos tragischen Zug“, sagt der 74-jährige Konrad Krauss. Der gebürtige Wilhelmshavener mit der sonoren Stimme absolvierte eine Ausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Seine stattliche Statur lieh er bereits 1957 dem Erzengel Raphael in Gustaf Gründgens’ legendärer Hamburger „Faust“-Inszenierung. Zahlreiche Fernsehrollen („Schwarz-Rot-Gold“, „Tatort“) und Engagements als Synchronsprecher folgten. Dieser klassische Hintergrund garantierte auch der „Verbotenen Liebe“ ihr Qualitätsniveau.

Arno Branders letzte Worte

Neben Konrad Krauss sind nur noch die Wiedereinsteigerin Isa Jank (ihre Serienfigur Clarissa saß zehn Jahre in einem südamerikanischen Gefängnis) und die Theaterwissenschaftlerin Gabriele Metzger als Bistrobesitzerin Charlie Schneider von Anfang an dabei. Charlie kümmerte sich in den letzten Wochen rührend um den demenzkranken Arno, den nach einer Nacht des Herumirrens eine Lungenentzündung ereilte. Eigentlich hatte sich Krauss als Serienausstieg einen tödlichen Sturz von der Leiter gewünscht, doch die Drehbuchautoren dichteten ihm, beraten von der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft, den gefürchteten Weg ins Vergessen an. Das wirkte zunächst wenig glaubwürdig, da sich Arno kurz zuvor seinen Lebenstraum erfüllt hatte, Architektur zu studieren. Das Examen meisterte er ebenso erfolgreich wie schließlich die letzte Herausforderung der „Verbotenen Liebe“, durch die Konrad Krauss frei nach Ibsen zum „Baumeister Solness“ des deutschen Vorabendprogramms wurde. Wie wohl heute in Folge 4140 Arno Branders letzte Worte lauten?