Für Altkunden dürfen nach einem Gerichtsurteil „Verwahrentgelte“ nicht einfach per Preisaushang eingeführt werden. Bei neu eröffneten Tages- oder Festgeldkonten wäre das aber möglich.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Tübingen - Banken dürfen auf bestehende Guthaben ihrer Kunden nicht einseitig Negativzinsen einführen. Das hat das Landgericht Tübingen am Freitag in einem Urteil zu einem umstrittenen Preisaushang der Volksbank Reutlingen entschieden. Der von vielen anderen Geldhäusern gewählte Weg, für reiche Privatkunden oder Unternehmen einzelvertraglich Negativzinsen auf bestehende Konten einzuführen, bleibt allerdings offen. Neuverträge sind von dem Urteil ohnehin nicht betroffen (Az. 4 O 187/17).

 

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, die das Urteil erwirkt hat, sprach dennoch von einer wichtigen Klarstellung: „Die Bank kann nicht einseitig mittels des Kleingedruckten aus einer Geldanlage einen kostenpflichtigen Verwahrungsvertrag machen“, erklärte der Finanzexperte der Verbraucherzentrale, Niels Nauhauser. Die Volksbank betonte dagegen, das Landgericht erhebe keine Einwände gegen Negativzinsen auf Geldanlagen, bei denen diese Möglichkeit vertraglich festgeschrieben sei: „Für die Zukunft bedeutet dieses Urteil, dass die ab 2017 geschlossenen Einlageverträge der Volksbank Reutlingen grundsätzlich negativ verzinst werden dürfen.“ Das Urteil bedeute „gerade kein ‚Verbot’ von Negativzinsen für die Zukunft.“

Das Institut hatte im vergangenen Sommer als erstes bundesweit Negativzinsen auch für Kleinsparer angekündigt und damit Empörung ausgelöst. In seinem Mitte Mai veröffentlichten Preisaushang wurde für alle Girokonten ein „Verwahrentgelt“ von 0,5 Prozent des jeweiligen Guthabens angekündigt. Beim Tagesgeldkonto VR-Flexgeld sollten Einlagen ab 10 000 Euro mit einem Strafzins von 0,5 Prozent belastet werden.

Zur Anwendung kamen die Klauseln nie: Wegen einer Abmahnung der Verbraucherschützer zog die Volksbank den Preisaushang nach sechs Wochen zurück. Allerdings lehnte sie es ab, Negativzinsen für Privatanleger auch künftig auszuschließen, was zum Prozess führte.

Preisaushang erregte bundesweit Aufsehen

Der gegen die Klauseln zu Negativzinsen auf Tages- und Festgeldkonten gerichteten Klage der VZ Baden-Württemberg gab das Landgericht Tübingen nun statt. „Durch Allgemeine Geschäftsbedingungen kann nicht nachträglich bei bereits abgeschlossenen Einlagegeschäften einseitig durch die Bank eine Entgeltpflicht für den Kunden eingeführt werden“, teilte das Gericht mit. Da die Volksbank Reutlingen in ihrem Preisaushang nicht zwischen Alt- und Neuverträgen unterschieden habe, seien die Klauseln insgesamt unwirksam.

Ab Januar 2017 geschlossene Verträge könnten mit Minuszins belastet werden

Allerdings lässt das Urteil der Volksbank die Möglichkeit offen, Negativzinsen für Tages- und Festgeldkonten einzuführen, die ab 16. Januar 2017 geschlossen wurden. Denn ab diesem Zeitpunkt war in den Produktionsinformationsblättern für solche Konten ausdrücklich erwähnt, dass die variable Verzinsung von Tages- und Festgeld auch ins Minus rutschen könnte.

Der Strafzins auf Girokonten ist Gegenstand eines Verfahrens, das die Verbraucherzentrale Sachsen angestrengt hat. „Das ist ein Präzedenzfall, weil diese Strafzinsen gemäß dem Aushang schon ab dem ersten Euro fällig werden sollten“, sagte Kay Görner von der Verbraucherzentrale. „Wir bleiben dabei, dass Negativzinsen auch für Neuverträge unzulässig sind. Schließlich werden für Girokonten schon Kontogebühren erhoben.“

Hintergrund der von einigen Banken eingeführten Strafzinsen, die bislang vor allem Unternehmen und reiche Privatkunden treffen, ist die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie berechnet den Banken Minuszinsen für Mittel, die sie bei der Zentralbank parken.