Eine Studie belegt: Hühnchen und Puten werden mit Antibiotika schnell verkaufsfähig gemacht. Die Bundesagrarministerin fordert Kontrolle.

Berlin - Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) will den Einsatz von Medikamenten in der Tierhaltung schärfer kontrollieren. Es gehe vor allem darum, dass weniger Antibiotika verabreicht würden und die Überwachung durch die Länder gestärkt werde, teilte Aigner mit.

 

Was Sabine Petermann, die Leiterin des Tierschutzdienstes im niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz, über das Leben von konventionell gehaltenen Puten erzählt, klingt erschreckend. Häufig stünden die Tiere zu Tausenden dicht gedrängt in den Ställen. Ein Putenhahn etwa müsse sein Gewicht in weniger als sechs Monaten von seinem Schlupfgewicht (etwa 50 Gramm) auf 20 Kilogramm quasi um das 400-Fache erhöhen. "Da müssen Skelett und Herz-Kreislauf-System Enormes leisten, um mithalten zu können", sagte Petermann der Stuttgarter Zeitung. Weil das nicht jedes Tier schafft und sich zudem die Puten im Stress gegenseitig verletzen, verschreiben Tierärzte oft Medikamente.

Eigentlich seit 2006 verboten

Das geht auch aus einer Studie hervor, die das Düsseldorfer Agrarministerium in Auftrag gab. Sie untersuchte anhand der Stallbücher von knapp 200 Hähnchenmastbetrieben die Daten von fast 1000 "Mastdurchgängen", also der Phase vom Schlüpfen eines Kükens bis zur Schlachtung. Bei 83 Prozent der Durchgänge wurden Antibiotika eingesetzt, wobei in manchen Fällen bis zu acht verschiedene Präparate in den Futtertrögen landeten. Seit 2006 ist es verboten, Antibiotika zur Förderung des Tierwachstums einzusetzen. Sie sind nur zur Bekämpfung von Krankheiten zulässig. Doch die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass viele Mäster ihre Tiere nur bis zu zwei Tage lang mit einem Antibiotikum behandeln lassen. Das legt die Vermutung nahe, dass die Medikamente nicht als Medizin, sondern eben doch als Masthilfe verwendet wurden. "Es ist offensichtlich Doping, Mastdoping, damit die Tiere schneller auf den Markt kommen", meint die Grünen-Abgeordnete Bärbel Höhn.

Die Studie findet nicht nur wegen ihrer Ergebnisse große Aufmerksamkeit. Sie ist zudem bundesweit die erste ihrer Art und bringt somit Licht in eine bisher intransparente Angelegenheit. Zwar gibt es seit Jahresbeginn eine bundesweite Datenbank, die bei Schweinen und Rindern nach Regionen aufschlüsselt, welche Arznei ihnen verabreicht wurden, aber bei Geflügel war dies nicht der Fall. Darüber hatten sich Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) und die Länder einen langen Streit geliefert. Aigner erklärte, dass es aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich sei, in der Geflügelbranche die Dokumentation der Medikamentenvergabe zum Instrument der Überwachung zu machen.

Rinder, Schweine und Geflügel werden künftig geprüft

Aus Sicht des nordrhein-westfälischen Agrarministers Johannes Remmel (Grüne) ist dies der Versuch, unter dem Deckmantel des Datenschutzes die Wege der Antibiotikaströme zu verschleiern: "Dieser Blankobrief der Bundesregierung kann nur durch einen massiven Lobbyeinsatz der Geflügelindustrie erklärt werden, und Ministerin Aigner hat das geduldet." Deshalb begrüßt Remmel, dass die Länder nun eine Kehrtwende in der Antibiotikaverordnung in der Tiermast erreicht hätten. Und eine Neuerung gibt es in der Tat: Aigner kündigte am Mittwoch an, die Verschreibung dieser Medikamente genauer zu erfassen und die Datenerfassung insgesamt neu zu regeln. Die datenschutzrechtlichen Bedenken seien nun ausgeräumt, erklärte die Ministerin. Das heißt: künftig umfasst die Datenbank neben Rindern und Schweinen auch Geflügel. Für eine Erhebung aller Daten und eine strenge Kontrolle ist es, wie die Ergebnisse der nordrhein-westfälischen Studie zeigen, höchste Zeit. Denn in Deutschland nehmen die sogenannten Resistenzen gegen Antibiotika zu, was darauf zurückgeht, dass sie in der Human- wie in der Tiermedizin zu häufig und oft nicht sachgemäß eingesetzt werden. Je mehr Resistenzen es allerdings gibt, umso weniger wirken diese Medikamente, die das wichtigste Mittel bei der Behandlung von Infektionskrankheiten sind.

Antibiotika in der Tierzucht

Krankheiten In Ställen, in denen viele Tiere dicht gedrängt untergebracht sind, ist die Gefahr von Krankheitsausbrüchen groß. Zur Behandlung wie zur Vorsorge werden Medikamente – und damit auch Antibiotika – gegeben.

Mast Ein aus Sicht der Tierzüchter positiver Effekt von Antibiotika ist, dass sie die Milchleistung steigern und das Wachstum – und damit den Fleischansatz – fördern. Dieser Antibiotika-Einsatz ist allerdings EU-weit verboten.