Immer wieder fallen technische Geräte viel zu früh aus. Dann kommt schnell der Verdacht auf, die Hersteller hätten absichtlich Fehler eingebaut. Das aber lässt sich kaum nachweisen. Dem Verbraucher ist es allerdings letzlich egal, ob eingebaute Fehler, schlechtes Material oder Konstruktionsfehler zu den Ausfällen führen.

Stuttgart - Dass Produkte zum Ärger des Käufers manchmal sehr schnell ihren Dienst wieder versagen, wusste Ulrich Jautz, als eines Tages in seinem Heim ein für den familiären Fernsehgenuss entscheidendes Gerät ausfiel. Da es fast neu war, wollte er sein Recht als Verbraucher in Anspruch nehmen und es bei seinem Händler, einer Filiale eines überregionalen Elektronikmarktes, umtauschen. Der hätte das Gerät lieber eingeschickt, geriet damit aber bei Ulrich Jautz an den Falschen. Denn der ist Professor für Wirtschaftsrecht und Rektor der Hochschule Pforzheim. Es entstand ein Gespräch, bei dem der Professor etwas erfuhr, das ihn dann doch erstaunte: In der vergleichsweise kleinen Filiale treffen täglich einhundert Reklamationen ein.

 

„Kaufen für die Müllhalde“ heißt ein Buch von Jürgen Reuß und Cosima Dannoritzer aus dem vergangenen Jahr, in dem es laut Untertitel um „das Prinzip der geplanten Obsoleszenz“ geht (siehe Kasten). Ulrich Jautz wird den Freiburger Journalisten Jürgen Reuß demnächst treffen. Denn Reuß ist einer der Referenten auf einer wissenschaftlichen Veranstaltung am 28. November, zu der Jautz im Namen der Hochschule Pforzheim einlädt und die breites Interesse gefunden hat. Das „Verbraucherforschungsforum“ mit dem Titel „Obsoleszenz: Qualitätsprodukte oder geplanter Verschleiß“ sei mit 150 Teilnehmern plus Warteliste ausgebucht, berichtet Tobias Brönneke, ebenfalls Professor für Wirtschaftsrecht in Pforzheim und federführender Veranstalter.

Meinungen über Obsoleszenz gehen auseinander

Einen Tag lang werden Forscher, Verbraucherschützer und Vertreter von Institutionen, Verbänden und der Wirtschaft das Thema diskutieren. Von der Stiftung Warentest kommt der Vorstand Hubertus Primus, weitere Referenten sprechen für den Europäischen Verbraucherverband BEUC, den Hersteller Miele, das Öko-Institut Freiburg, das Umweltbundesamt und Hochschulen in Pforzheim, Aalen, Konstanz, Bamberg, Rostock und Münster. Mitveranstalter sind die Zeppelin-Universität Friedrichshafen, das Netzwerk Verbraucherforschung und das Forschungszentrum Verbraucher, Markt und Politik. Dass das Thema Obsoleszenz „im Fokus“ steht, wie Jautz sagt, zeigt auch das Interesse der Bundesregierung. Das Ministerium für Justiz und für Verbraucherschutz finanziert die Dokumentation der Tagung in einer wissenschaftlichen Buchreihe. Tobias Brönneke ist sicher: „Das Verbraucherforum wird munter!“

Denn die Meinungen über das Thema, dem der sperrige Name Obsoleszenz anhaftet, gehen weit auseinander. Selten ist es gelungen, einem Hersteller nachzuweisen, dass Sollbruchstellen mit der Absicht in Produkte eingebaut worden sind, den Umsatz zu heben. Selbst die Verbraucherkommission Baden-Württemberg, ein Expertengremium, das die Landesregierung berät und dem Tobias Brönneke angehört, greift mit den vorsichtigen Worten „als gesichert kann gelten“ auf ein häufig genanntes Beispiel zurück, das 90 Jahre alt ist: 1924 soll das sogenannte Phoebus-Kartell, dem unter anderem die Glühlampen-Hersteller Osram, Philips und General Electric angehörten, die Lebensdauer von Glühbirnen auf 1000 Stunden festgelegt haben, obwohl es damals Glühbirnen auf den Markt gab, die 2500 Stunden durchhielten.

Für den Verbraucher ist es egal, warum ein Produkt ausfällt

Tobias Brönneke hält den Nachweis eines Plans zur Verbrauchertäuschung aber nicht für das Entscheidende. „Für den Verbraucher ist es egal, ob ein Produkt aus Absicht ausfällt oder weil die Entwickler im Stress oder unter hohem Zeitdruck waren.“ Er zieht deshalb den Begriff „fahrlässige Obsoleszenz“ vor. Dass Geräte häufig vorzeitig ausfallen, hält er für nachweisbar. Das Umweltbundesamt werde auf der Tagung zeigen, dass Ausfälle von Großgeräten im Haushalt wie Waschmaschinen und Kühlschränken zunähmen.

Als „typischen Fall von Obsoleszenz“ bei Kleingeräten nennt Brönneke „den Metallstift, der auf ein Plastikzahnrad drückt“. Dabei gehe das Plastikzahnrad unweigerlich kaputt. Weitere Beispiele nannte die Stiftung Warentest vor einem Jahr in einem Rückblick auf 50 Jahre Langzeittests. Das Fazit der Stiftung: einen Nachweis für gezielten Murks, um Verbraucher übers Ohr zu hauen, gebe es nicht. Billige Geräte seien oft schneller Schrott (und deshalb eigentlich gar nicht so billig). Aber es gebe auch Zitronen unter teuren Geräten.

Verbraucher soll informiert sein

Tobias Brönneke verweist darauf, dass ein Verbraucher sich ja durchaus absichtlich für ein kurzlebiges Produkt entscheiden könne. Er müsse es nur wissen. „Der Verbraucher soll eine informierte Entscheidung treffen können.“ Heute könne ein Kleinunternehmer nicht einmal die Abschreibung eines Gerätes kalkulieren, weil er nicht wisse, für welche Lebensdauer es der Hersteller ausgelegt habe. Die Verbraucherkommission empfehle deshalb Transparenz: Herstellern solle die Angabe einer Mindestlebensdauer vorgeschrieben werden. „Die Rechtsfolgen muss man natürlich genau justieren“, ergänzt der Jurist.

Jörg Woidasky, Professor für nachhaltige Produktentwicklung in Pforzheim, hat Erfahrung mit Materialtests: „Wir sind noch lange nicht so weit, dass wir sagen können, was im täglichen Gebrauch mit den Werkstoffen passiert.“ Man arbeite in Belastungstests mit Vereinfachungen und Modellannahmen. Aber genau diese Ergebnisse könne ein Hersteller ja veröffentlichen, schlägt Brönneke vor. Woidasky jedenfalls hat für das bevorstehende Forum „viele Fragen und wenige Antworten“. In der Ausbildung lässt er derweil seine Studenten Produkte auseinandernehmen und Vorschläge für Verbesserungen machen. Und seit Kurzem bauen einige seiner Studenten ein „Repair-Café“ auf, wie es das bereits in vielen Städten (auch Stuttgart) gibt. Dort helfen Verbraucher anderen Verbrauchern beim Reparieren havarierter Geräte.

Technik mit Verfallsdatum

Obsoleszenz
Wenn „ein Produkt vor Ablauf der üblichen erwarteten Lebensdauer veraltet oder funktionsunfähig und somit zu Abfall wird“, wenn es also obsolet wird, spreche man von Obsoleszenz, definiert die Verbraucherkommission Baden-Württemberg. Die Experten der Kommission beraten die Landesregierung.

Schwachstellen
Hat der Hersteller das Produkt absichtlich auf kurze Lebensdauer ausgerichtet, nennt man das geplante Obsoleszenz. Experten bevorzugen den neutraleren Ausdruck fahrlässige Obsoleszenz oder vorzeitiger Ausfall. Denn nicht immer, wenn ein Produkt zu Müll wird,liegt das an einer vorsätzlich eingebauten Schwachstelle.

Unterschiede
Nutzlos wird ein Produkt, wenn der Hersteller keine Ersatzteile oder Softwareaktualisierungen liefert (funktionale Obsoleszenz), wenn Material frühzeitig verschleißt (werkstoffliche Obsoleszenz) oder wenndas Produkt in den Augendes Besitzers unansehnlich, unmodern oder überholt ist (psychische Obsoleszenz).