Wie der Verein Italian Sounding gegen den Verkauf „falscher“ italienischer Produkte kämpft.

Stuttgart - Gabriele Graziano ist erzürnt. „Wissen Sie, wie viel Umsatz in Deutschland jedes Jahr mit Mozzarella gemacht wird?“, fragt er in die Runde. Um sogleich selbst die Antwort zu geben. „Es sind 500 Millionen Euro, aber der Anteil an original in Italien produziertem Mozzarella beträgt nur 0,1 Prozent!“ Durch die Reihen seiner Zuhörer geht ein Raunen. Dann legt Allessandro Marino, der Direktor der deutsch-italienischen Handelskammer, nach. Weltweit werde mit Produkten, die nicht original italienisch sind, ein Umsatz von 54 Milliarden Euro gemacht. Das sei die doppelte Summe wie mit Produkten, die zu Recht den Namen Made in Italy tragen würden. Ein Skandal?

 

Gabriele Graziano jedenfalls will solchen Missbrauch nicht länger hinnehmen. Er ist Geschäftsführer des 2015 in Rom gegründeten Vereins Italian Sounding (auf deutsch: Klingt Italienisch), der im Vereinsregister des Amtsgerichts Stuttgart eingetragen ist. Damit kann er nach deutschem Vereinsrecht die Interessen von Italian Sounding in Deutschland vertreten.

Der 49-jährige Neapolitaner hat mit seinem Verein den „pseudo-italienischen Produkten“ den Kampf angesagt. Prosecco, Mozarella di bufala Campana, Ricotta di bufala Campana und Parmigiano Reggiano – diese und weitere Produkte seien geschützte Begriffe und würden oft nur in kleinen Gebieten in Italien produziert. Doch vor allem die großen Handelsketten in Deutschland kümmere dies wenig. Sie würden Produkte nachmachen und dem Verbraucher vortäuschen, dass es original italienische Waren seien.

Der Parmigiano Reggiano ist eines der am meisten kopierten Produkte

Generell seien zwei von drei italienischen Lebensmittelprodukten außerhalb Italiens gefälscht. Der Handelskammer-Chef Marino sagt: „ Sie haben italienische Namen oder Logos, sind aber nicht echt italienisch!“ Für den Endverbraucher sei es aber „wichtig, dass Produkte korrekt zertifiziert und ausgewiesen sind“. Der Parmigiano Reggiano etwa sei eines der am meisten kopierten Produkte. „Man muss es richtig deklarieren!“, fordert Graziano. „Dafür werden wir kämpfen und notfalls auch direkt in die Supermärkte gehen!“

Auf der Anuga 2015, der größten Messe für Lebensmittel, schlug Italian Sounding das erste Mal zu. Einem ägyptischen Pasta-Hersteller wurde vom Landgericht Köln verboten, in Deutschland die Produktverpackungsbezeichnung „Milano“ und „San Remo“ zu verwenden, um die jeweils damit verpackten Teigwaren auszustellen und zu bewerben. Italian Sounding konnte nachweisen, dass das Produkt nicht in Italien hergestellt worden war und somit die Produktbezeichnung nicht im Sinne des Wettbewerbsrechts, sondern irreführend war. Der ägyptische Pasta-Hersteller konnte somit seine Verpackungen nicht mehr auf der Messe anbieten.

Auch Lidl hat schon einmal geschummelt – bei Focaccia

Auch gegen Lidl ging Italian Sounding bereits vor. Grund war ein deutscher Hersteller eines Joghurts mit einer italienischen Beschriftung, der im Rahmen einer Lidl-Aktion angeboten wurde. Die den Joghurt herstellende Molkerei verpflichtete sich daraufhin, die Verwendung italienischer Beschriftungen an diesem Produkt zu unterlassen. Im Wege der Marktüberwachung wurde auch schon eine Focaccia-Verpackung eines holländischen Unternehmens ausfindig gemacht. Die Brotfladen (Focaccia) wurden mit der Eigenschaft „italienisch“ in Lidl-Läden beworben und verkauft, obwohl sie in den Niederlanden hergestellt worden waren.

„Der Endverbraucher soll das kaufen, was er will. Aber er sollte wissen, was er da kauft“, sagt Graziano. „Das ist leider bei vielen italienischen Produkten nicht der Fall. Wir versuchen nun, eine Lawine aufzuhalten, die unsere kulturelle und kulinarische DNA aushöhlt.“ Meistens hat er es dabei mit einer Handelskette zu tun. „Wenn sie nicht kooperieren, mahnen wir sie ab.“ Hilft auch das nichts, „gehen wir vor Gericht“.

Seit zwei Jahren ist Italian Sounding nun verstärkt in Deutschland aktiv. Vier Mal gab es schon ein Gerichtsverfahren, „und wir haben jedesmal obsiegt“, sagt Graziano. „Kaufland hat inzwischen einen Großteil der betroffenen Produktlinie bereinigt“, führt er an. Auch Edeka und Rewe „haben wahrgenommen, dass es so nicht weitergehen kann“. Andere Handelsketten dagegen müsse man noch stärker sensiblisieren.

Auch in Italien selber wird bei Produkten getäuscht

Selbst in Italien wird getäuscht. So berichtet die Zeitschrift „A tavola“ in ihrer Juli-Ausgabe, dass in jedem vierten Restaurant in Italien „La Cotoletta milanese“ aus Kostengründen statt aus Kalb mit Schweinefleisch oder Hühnchen zubereitet wird. Es wird der Carbonara-Soße oft auch Sahne hinzugefügt, die aber im traditionellen Rezept überhaupt nicht enthalten ist. Die einzigen Zutaten für Carbonara sind Eigelb, Pecorino Romano, Guanciale (luftgetrockneter Speck) und schwarzer Pfeffer.

Mit der Sahne als Zutat der Carbonara wollen die Gastronomen jedoch erreichen, dass sie den Touristen die Gerichte so zubereiten, wie diese sie aus ihren Herkunftsländern kennen. Mandeln, Walnüsse oder Pistazien im Pesto anstelle der teuren Pinienkerne, normaler Reibekäse statt Pecorino oder Parmigiano Reggiano sind weitere Beispiele, weshalb auch in Italien die Verbraucher immer wieder durch die Rezepte und deren Zutaten getäuscht werden.

Gesucht wird ein Marcel Reich-Ranicki für Lebensmittel

Kurios: Schon vor acht Jahren machte der sogenannte Schlumpf-Mozzarella Schlagzeilen in Italien. Ausgerechnet eine Molkerei im oberbayerischen Haag produzierte den Käse für eine italienische Supermarktkette. Dieser Mozzarella verfärbte sich nach dem Öffnen blau. Die Färbung ging vermutlich auf ein Bakterium im Wasser zurück. Die blaue Farbe des Käses und seine rundliche Form führten zum Namen Schlumpf-Mozzarella.

Italian Sounding führt also seinen Kampf für original italienische Produkte an vielen Fronten. Manuel Silzer, der verantwortliche Redakteur von „A tavola“, wünscht sich deshalb einen Marcel Reich-Ranicki für Lebensmittel. „Der Literaturpapst Reich-Ranicki hat den Deutschen eindrucksvoll erklärt, was eine gute Lektüre ist und was nicht. So einen Mann bräuchten wir halt auch für den guten Geschmack.“ Marino sagt es weniger pathetisch: „Für uns ist wichtig, dass auch im Ausland echte italienische Produkte verkauft und von den italienischen Gastronomen auf den Tisch gebracht werden.“ Durch die falsch deklarierten Produkte gingen dem wirtschaftlich eh schwächelnden Land jedes Jahr viele Milliarden Euro an Umsatz verloren.