Die Verbraucherzentrale lässt nicht locker. Jetzt geht sie gegen eine Klausel in Bausparverträgen vor, die aus ihrer Sicht Kunden unangemessen benachteiligt – und womöglich eine neue Kündigungswelle auslösen könnte. -

Stuttgart - Das Landgericht Stuttgart verhandelt an diesem Donnerstag eine Klage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gegen die Landesbausparkasse Südwest (LBS). Die Verbraucherschützer stoßen sich an einer Vertragsklausel, die dem Kreditinstitut ein Kündigungsrecht einräumt, wenn der Bausparer 15 Jahre nach Vertragsabschluss sein Darlehen noch nicht in Anspruch genommen hat (AZ: 11 O 218/16). Bei der LBS mag man sich zu einem möglichen Ausgang des Verfahrens nicht äußern. Nur so viel: Das von den Verbraucherschützern beanstandete Kündigungsrecht habe die LBS 2005 eingeführt. Dahinter stand die Überlegung, dass es für Bausparkassen möglich sein sollte, einen Vertrag zu kündigen, wenn der Vertragszweck, ein zinssicheres Bauspardarlehen zu erhalten, nicht mehr erkennbar ist. Hierfür wollte die LBS Vorsorge treffen, erläutert ein Unternehmenssprecher. Das sei im Interesse der Gemeinschaft der Bausparer. „Eingeführt wurde die Kündigungsklausel selbstverständlich in vollem Einvernehmen mit der Finanzaufsicht Bafin“, sagt der LBS-Sprecher.

 

Die Verbraucherzentrale hat nicht nur gegen die LBS Südwest geklagt, sondern ähnlich gelagerte Verfahren auch gegen die Deutsche Bausparkasse Badenia und gegen den Verband der Privaten Bausparkassen angestrebt. Letzterer hat eine ähnliche Formulierung 2013 in den Musterbedingungen aufgenommen, die er den Mitgliedsinstituten an die Hand gibt.

Verbraucherschützer hegen Hoffnung

Als die Klage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg einging, war das für den Verband „völlig unverständlich“, wie Alexander Nothaft, Sprecher des Verbands, damals gesagt hatte. Jahrelang hätten die Verbraucherschützer den Bausparkassen vorgeworfen, die Möglichkeit der Kündigung nicht vorab in die Verträge geschrieben zu haben. „Dann haben wir das getan – und genau das wird uns jetzt vorgeworfen“, so Nothaft. Die Argumentation der Branche: Bausparverträge sind in der Regel nach sieben bis zehn Jahren zuteilungsreif. Bausparer hätten im Normalfall genug Zeit, um ein Darlehen in Anspruch zu nehmen, bevor Verträge möglicherweise nach 15 Jahren gekündigt werden.

Gleichwohl hegen die Verbraucherschützer Hoffnung, dass das Verfahren in Stuttgart zu ihren Gunsten entschieden werden könnte. Denn vor vier Wochen hat das Landgericht Karlsruhe die entsprechende Klausel der Badenia für unwirksam erklärt. Nachdem nun die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt, sieht sich die Verbraucherzentrale bestätigt: Viele Verträge, etwa zur Anlage Vermögenswirksamer Leistungen, werden mit kleinen Beträgen angespart. Das hat zur Folge, dass sich dadurch der Zeitpunkt der Zuteilung deutlich nach hinten verschiebt. „Die Bausparkasse könnte so mit einer Kündigung verhindern, dass diese Verträge jemals zugeteilt werden“, sagt Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale. Und das, obwohl sich die Verbraucher vertragstreu verhalten.

Verträge mit kleinen Sparraten

Nauhauser verweist auch auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Februar dieses Jahres. Hier hat der BGH Kündigungen für rechtens erklärt, wenn zehn Jahre nach der Zuteilung das Bauspardarlehen nicht in Anspruch genommen wurde. Wird ein Vertrag nach sieben Jahren zugeteilt, hätte der Kunde noch zehn Jahre die Möglichkeit, sich für ein Darlehen zu entscheiden. Eine Kündigung 15 Jahre nach Vertragsabschluss würde diese vom BGH vorgesehene Frist je nach Tarif um mehrere Jahre verkürzen. Auch bei Verträgen mit kleinen Sparraten, die vielleicht zwölf Jahre bis zur Zuteilung angespart werden, dürften ebenfalls frühestens nach zehn Jahren nach der Zuteilung gekündigt werden.

Verträge mit kleinen Sparraten sind keineswegs selten. Viele Großeltern schließen etwa für ihre Enkel bei der Geburt oder im Kleinkindalter solche Bausparverträge ab. „Diese Verträge nützen nichts, wenn sie nach 15 Jahren gekündigt werden dürfen“, sagt Hans-Jörg Lehmann, Aktuar im Bausparwesen. Der Verband wiederum sieht dieses Kündigungsrecht eher als prophylaktisch an, „im Zweifel für Dinge, die nicht vorhersehbar sind“, sagt Nothaft und betont: „Wir wollen dass die Leute bei uns sparen, auch mit kleinen Verträgen.“

Was im Kleingedruckten der Bausparverträge steht

Die Verbraucherschützer sehen nicht die Notwendigkeit für ein Kündigungsrecht nach 15 Jahren. „Die bestehenden Kündigungsmöglichkeiten reichen aus“, sagt Nauhauser. Im Kleingedruckten der Verträge ist eine Regelsparrate vereinbart. Diese liegt in der Regel zwischen vier und sechs Promille der Bausparsumme. In der Vergangenheit haben viele Kunden weniger oder gar nichts mehr gespart und nur noch die vergleichsweise hohen Zinsen aus den Altverträgen mitgenommen. Dennoch hätten die Bausparkassen lange nicht von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch gemacht. Mittlerweile würden die Institute aber die Regelsparrate einfordern.

Möglicherweise, sagt Nauhauser, wollen die Bausparkassen eine Ausstiegsklausel für den Fall, dass die Zinsen stark steigen. Mit der Klausel könnten sie sich dann von Verträgen mit für Kunden attraktiven Darlehenszinsen trennen. Die Verbraucherzentrale beuge mit ihren Klagen schon einer möglichen weiteren Kündigungswelle ab 2020 vor. Dann stünden die ersten Verträge 15 Jahre nach Vertragsbeginn zur Kündigung an. Das Verfahren gegen den Verband wird am 10. Oktober vor dem Landgericht Berlin verhandelt.