BMW, VW und Daimler stehen im Verdacht, Absprachen bei Systemen zur Abgasreinigung getroffen zu haben. Die Ermittler haben ihre Untersuchungen inzwischen auf eine zentrale Frage eingegrenzt.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Die EU-Kommission hat die Ermittlungen im Kartellverfahren gegen BMW, Daimler und den VW-Konzern ausgeweitet. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager leitete jetzt eine förmliche Untersuchung gegen die drei Konzerne ein. Der Verdacht der Wettbewerbshüter richtet sich allerdings nicht darauf, dass die Unternehmen untereinander illegale Preisabsprachen getroffen haben.

 

Es geht vielmehr darum, ob Absprachen der Konzerne über Technologien zur Abgasnachbehandlung illegal waren. Die Kartellwächter der EU waren im letzten Sommer auf die Absprachen durch eine Selbstanzeige von Daimler und später auch von VW aufmerksam geworden. Zunächst hatte die Kommission nur erste Untersuchungen aufgenommen. Im Herbst standen dann Razzien in den drei betroffenen Konzernzentralen an, die sowohl von Mitarbeitern der EU-Kommission als auch vom Bundeskartellamt durchgeführt wurden. Offensichtlich haben die Beamten dabei ausreichend belastendes Material gefunden, um die Ermittlungen auszuweiten.

Vestager kündigte in Brüssel an: „Die Kommission will eingehender untersuchen, ob BMW, Daimler und VW vereinbart haben, bei der Entwicklung und Einführung neuer Technologien zur Verringerung der Schadstoffemissionen von Benzin- und Diesel-Pkw nicht miteinander zu konkurrieren.“ Es geht um Systeme zur Abgasnachbehandlung. „Falls dieser Verdacht zutreffen sollte“, so die Kommissarin weiter, „hätten die Hersteller den Verbrauchern die Möglichkeit vorenthalten, umweltfreundlichere Autos zu kaufen, obwohl die entsprechenden Technologien zur Verfügung standen.“

Im Fünferkreis wurden technische Fragen ausgetauscht

Hintergrund ist, dass sich Ingenieure der betroffenen Unternehmen seit den neunziger Jahren regelmäßig im so genannten „Fünferkreis“ getroffen und zu technischen Fragen ausgetauscht haben. Fünferkreis wurde das Gremium deswegen genannt, weil mit Daimler, BMW und VW (einschließlich Audi und Porsche) fünf Hersteller am Tisch saßen. Anders als bei Preisabsprachen, die bei ihrer Aufdeckung stets knallharte Strafen nach sich ziehen, bewegen sich Absprachen im technischen Bereich in einer rechtlichen Grauzone. Daimler und VW, die sich als Kronzeugen zur Verfügung stellten und deswegen hoffen, straffrei davon zu kommen, stellten der Kommission umfangreiche Aktenordner mit Protokollen dieser Gespräche zur Verfügung. Daraus geht hervor: Bei ihren Gesprächen ging es um die Qualitätsanforderungen für Autoteile, es ging um Qualitätsprüfverfahren. Es wurden auch Probleme erörtert, die eher etwas für Feinschmecker sind: Bis zu welcher Geschwindigkeit funktioniert der Tempomat? Bis zu welchem Tempo lässt sich das Cabriodach elektrisch öffnen und wieder verschließen? Geredet wurde auch über Crashtests. Bei der Kommission räumt man ein, dass eine Erörterung dieser Fragen unter Wettbewerbern nicht notwendigerweise den Wettbewerb verhindert und dem Autokäufer einen Schaden zufügt.

Bislang keine Berührungspunkte mit dem Dieselskandal

Inzwischen haben die Ermittler ihre Untersuchungen eingegrenzt auf die Frage: Vereinbarten die Autobauer bei ihren Treffen, die Entwicklung und Einführung von zwei Systemen zur Abgasnachbehandlung auf dem EU-Markt einzuschränken? Dabei geht es zum einen um eine Technologie, die bei Dieselfahrzeugen eingesetzt wird. Es handelt sich um „SCR-Systeme“. Diese Systeme wurden entwickelt, um den Stickoxidausstoß von modernen Dieselfahrzeugen zu reduzieren. Zum anderen geht es um möglicherweise illegale Absprachen im Zusammenhang mit Partikelfiltern für Benziner. Wie zu hören war, tauchten im Zuge der Ermittlungen Hinweise auf Absprachen über die Größe von Adblue-Tanks auf. Bei Adblue handelt es sich um ein Harnstoff-Wassergemisch, das zur Reinigung von Dieselabgasen benutzt wird. Zwischenzeitlich hieß es, dass sich die Hersteller bereits 2008 darauf geeinigt hätten, jeweils acht Liter große Tanks für Adblue in allen Pkw der betroffenen Konzerne zu verbauen.

Ein Sprecher der Kommission wies darauf hin, dass es bislang keinerlei Berührungspunkte mit dem Dieselskandal gebe. Es gibt also keinen Hinweis darauf, dass die Konzerne sich in diesen Runden darauf verständigt hätten, wie mit dem Einsatz von Schummelsoftware die Abgastests zu unterlaufen seien. Die Kommission machte deutlich, dass die Einleitung eines formellen Verfahrens keine Vorentscheidung bedeutet.