Die Gewerkschaft Verdi macht verstärkt Stimmung gegen Krankenhausmanager – jüngst insbesondere in den Kreiskliniken Ludwigsburg. Doch die Kampagnen nerven nicht nur die dortigen Chefs. Auch immer mehr Beschäftigte wehren sich neuerdings dagegen.

Ludwigsburg - Sommer 2015, einer der heißesten Tage des Jahres. Rund 80 Beschäftigte stehen vor der Klinik Schillerhöhe in Gerlingen, die zum Robert-Bosch-Krankenhaus gehört. Die Aktion ist Teil einer bundesweiten Kampagne, bei der die Gewerkschaft Verdi 162 000 zusätzliche Stellen an Krankenhäusern fordert. Wenn es nur um solche Kampagnen ginge, dann wären die Klinikmanager in der Region wohl entspannt. Aber Verdi geht in manchen Häusern weiter – viel weiter.

 

Die Kliniken des Kreises Ludwigsburg sind in jüngster Zeit vermehrt zur Zielscheibe der Gewerkschaft geworden, insbesondere deren Chef Jörg Martin. Die Häuser in Bietigheim und Ludwigsburg wurden mit Verdi-Ultimaten konfrontiert, die eine bessere Personalausstattung an einzelnen Stationen erzwingen sollen. Zudem gab es Ärger wegen der Kündigung einer Betriebsrätin, die Mitglied bei Verdi ist. Und: der Verdi-Sekretär Marc Kappler wirft Martin einen Verstoß gegen die Versammlungsfreiheit vor, weil Verdi jüngst der Zugang zur Ludwigsburger Notfallaufnahme für die Mitgliederwerbung verwehrt wurde.

„So eine Unterstellung ist unglaublich“

„Solche Probleme hatten wir seit Jahren an keinem Krankenhaus mehr“, sagt Marc Kappler. Die Aktion sei „nichts anderes als ein Hausverbot“. Jörg Martin wehrt sich: „So eine Unterstellung ist unglaublich.“ Eine diesbezügliche Vereinbarung mit dem Klinikmanagement, in der Verdi zusicherte, Besuche mit der Chefetage abzusprechen, sei rechtlich nicht bindend. Kappler beruft sich auf das Betriebsverfassungsgesetz, in der es heißt, Gewerkschaften sei „Zugang zum Betrieb zu gewähren, soweit dem nicht unumgängliche Notwendigkeiten des Betriebsablaufs“ entgegen stehen.

Bei näherer Betrachtung verlieren die Vorwürfe an Brisanz. Hinter der vermeintlichen Aussperrung scheint eher eine gescheiterte Terminabsprache zu stecken. In vielen Krankenhäusern ist es üblich, dass die Gewerkschaft im Eingangsbereich wirbt, statt in die Stationen zu gehen. Das Klinikum bestätigte zwei Besuchstermine, stufte den 11. November aber als unpassend ein, da die Stationsleitung verhindert sei. Gerade in Stationen wie der beengten Notaufnahme sei ein Besuch „nicht ohne Einbindung des Regionaldirektors“ möglich, heißt es in einer Vereinbarung mit Verdi.

Verdi will Zugang auf Klageweg erstreiten

Kappler kümmerte das wenig. Aus seiner Sicht sei der Termin am 11. November günstig, „weshalb wir ihn wahrnehmen werden“, schrieb der Gewerkschafter am Tag vor dem Termin. Die Veranstaltung musste letztlich draußen stattfinden, weil die Klinikchefs wie angekündigt Verdi den Zugang verweigerten. Trotz der schweren Vorwürfe zog Verdi allerdings nicht vor Gericht. Man müsse künftig „jedes Mal unseren Zugang per einstweiliger Verfügung im Vorhinein durchsetzen“, kündigt der Verdi-Sekretär Kappler an.

Auch die Kündigung einer Betriebsrätin und die vermeintlich schlechte Personalausstattung wirkt bei näherer Betrachtung weniger dramatisch. Der Mitarbeiterin werden, so ist zu hören, massive Verstöße gegen ihre Aufsichtspflicht auf einer Überwachungsstation vorgeworfen. Die Fürsorge für die Patienten sei vernachlässigt worden. Dafür sei „schlimmstenfalls eine Abmahnung“ der Betriebsrätin angebracht gewesen, sagt Marc Kappler. Der Fall geht im Januar vor das Arbeitsgericht.

Personalausstattung doch nicht so schlecht?

Auch gegen den Vorwurf, zu viel beim Personal zu sparen, führt die Klinikleitung starke Argumente ins Feld. Laut der Studie von externen Wirtschaftsprüfern ist in der Klinik-Holding ein Schlüssel von durchschnittlich 0,55 Mitarbeitern pro Patient angemessen. Die von Verdi ins Feld geführte Station 1 B in Bietigheim habe unter Fällen von Langzeitkranken zu leiden, sagt Johann Bernhardt von der Krankenhausspitze. Abzüglich dieser Fälle liege der Personalschlüssel auf der Abteilung, in der der pflegerische Aufwand eher gering sei, dennoch bei 0,62 Mitarbeitern pro Patient. Die quasi identische Nachbarstation 1 A habe zwei Mitarbeiter weniger und einen Schlüssel von nur 0,57 – ohne dass es je Beschwerden gegeben habe. Zudem seien im laufenden Jahr in Ludwigsburg und Bietigheim etwa 15 000 Überstunden abgebaut worden.

Doch Kappler lässt sich von solchen Vergleichen nicht vom Kurs abbringen. „Stationen sind nie eins zu eins vergleichbar“, sagt der Verdi-Sekretär. Er sehe bei der Klinikspitze „keinerlei Bereitschaft, von der internen Stellenvorgabe abzurücken“. Die Verdi-Kampagnen bringen nicht nur die Krankenhausmanager auf die Palme, sondern offenbar auch immer mehr Klinikmitarbeiter. So hat kürzlich gut ein Dutzend Stationsleiter einen Protestbrief unterschrieben. „Die Darstellung in der Öffentlichkeit entspricht nicht dem von uns erlebten Alltag“, heißt es darin. Dies betreffe „insbesondere die Zusammenarbeit mit unseren Vorgesetzten, dem Direktorium und dem Betriebsrat“. Man wolle Probleme direkt mit den Chefs besprechen, um Lösungen zu finden. „Eine öffentliche Diskussion hierüber halten wir für wenig sinnvoll, „wenn nicht gar für schädlich.“

Mitarbeiter wehren sich per Brief

Dieselbe Stoßrichtung hatten jüngst zwei Schreiben in einem Helios-Krankenhaus in Salzgitter (Niedersachsen). Nach einem von Verdi initiierten Fernsehbericht wehrten sich alle Stationsleiter und rund 70 Mitarbeiter. Man wolle sich „unsere Motivation durch die negativen Darstellungen in den Medien nicht nehmen“ lassen, hieß es.

Solche Aktionen beeindrucken Verdi wenig. Der Brief der Ludwigsburger Stationsleiter sei auf die Geschäftsführung zurückzuführen, sagt Marc Kappler. Stationsleiter seien weisungsgebunden, „insofern ist so etwas immer eine Äußerung der Geschäftsführung“. Martin Schmidl, Verfasser des Briefs und Stationsleiter in Ludwigsburg, ist darüber empört. Der Brief sei ohne Zutun der Klinikchefs entstanden. Er selbst verortet sich politisch im linken Spektrum und sei kommunalpolitisch lange für die SPD aktiv gewesen. „Wir haben von Haus aus nichts gegen Gewerkschaften.“