Die Schultoiletten in Freiberg am Neckar sind oft verdreckt. Ein Chip-System sollte das Problem lösen, war aber ein Griff ins Klo.

Region: Verena Mayer (ena)

Freiberg/Neckar - In der Beurteilung des Problems sind sich die Beteiligten einig: Ekelhaft lautet die vornehme Umschreibung dafür. Darüber, wie dieses Problem zu beheben ist, gibt es jedoch keine Einigkeit. Deshalb gibt es zurzeit keine Lösung, sondern nur Hoffnung – und Unzufriedenheit. Und die Erkenntnis, dass man auch auf stillen Örtchen in Schulhäusern niemals auslernt.

 

Das Problem im akuten Fall waren die Toiletten an der Oscar-Paret-Schule in Freiberg. Klos, die absichtlich verstopft werden, Wände, die nicht nur mit Edding-stiften beschmiert sind, Seifenspender, die aus der Verankerung gerissen sind – all das ist gemeint, wenn die Beteiligten „ekelhaft“ sagen. Die Beteiligten sind in diesem Fall der Schulträger, also die Freiberger Stadtverwaltung und die Elternbeiräte. Die Elternbeiräte sind es gewesen, die sich eine Lösung überlegt hatten, die Stadtverwaltung ist es, die von dieser Lösung nicht überzeugt ist. Die Lösung von der die Rede ist, heißt Chipsystem.

Dem Täter auf der Spur

Dieses Chipsystem ist Anfang 2016 an der Oscar-Paret-Schule eingeführt worden. Einige Sanitärräume wurden so umgerüstet, dass die Toiletten nur von Schülern betreten werden konnten, die einen Plastikchip haben, der das Toilettenschloss entriegelt. Den Chip, der aussieht wie die Chips, mit denen man Einkaufswagen beim Supermarkt auslöst, gab es gegen eine Kaution von fünf Euro im Rektorat. Die Idee dahinter: Entdeckt der Besucher einer Chip-Toilette einen demolierten Spiegel oder eine verhunzte Klobrille, meldet er den Schaden unverzüglich – und anhand der gespeicherten Daten, lässt sich feststellen, wer die Chiptoilette zuvor besucht hat, ergo für den Schaden verantwortlich sein muss. In der Konsequenz wären Verschmutzung und Vandalismus zumindest in diesen WCs kein Thema mehr.

Damit an der Oscar-Paret-Schule keine Zwei-Klassen-Toilettengeselleschaft entsteht, wurden nicht alle neun Sanitärräume umgebaut, sondern nur vier. Bestand gehabt hat das Chipsystem dennoch nicht. Und das lag nicht etwa daran, dass die Schüler den Chip boykottiert hätten. Rund 850 Jungen und Mädchen haben sich einen Chip besorgt, also fast jeder zweite Schüler.

Der Datenschützer ist alarmiert

Zum einen lag das am Datenschutz, der auch – oder gerade – auf stillen Örtchen wichtig ist. So meldete sich, als das Sicherungssystem eingeführt war, der Datenschutzbeauftragte des Landes. Wie der von Freiberger Chips erfahren hat, ist im Freiberger Rathaus unbekannt, auf jeden Fall musste der Schulträger viele Fragen beantworten: Wer genau hat Zugriff auf die Daten (Schulleitung und Hausmeister); was genau wird überhaupt erfasst (ein Nutzercode); wie lange werden die Informationen aufbewahrt (eine Woche); und so weiter. Die Stadtverwaltung beantwortete alle Fragen – doch es reichte nicht.

Dies wiederum lag nicht am Datenhunger des Datenschutzbeauftragten, sondern daran, dass es über den Erfolg des Chipsystems unterschiedliche Ansichten gegeben hat. Die umgebauten Toiletten seien tatsächlich sauberer gewesen als die anderen, berichtet Monika Michelfelder, die Vorsitzende des Elternbeirats der Schule. Der Chip habe keine große Verbesserung gebracht, berichtet Bernhard Joos, der im Rathaus den Fachbereich für Bildung leitet. Auch vermeintlich gesicherte Toiletten seien nach wie vor verschmutzt oder beschädigt worden. Denn, wie sich zeigte, war eine genaue Nutzungskontrolle nicht möglich. Zum einen, weil beim Auslesen der Daten nicht klar wurde, wie viele Schüler den Sanitärraum mit dem gescannten Chip tatsächlich betreten haben. Zum anderen, weil nicht erfasst wurde, wann der oder die Schüler das Klo verlassen haben.

Rolle rückwärts

Den Todesstoß verpasste den Toilettenchips letztlich die neue Datenschutzgrundverordnung. Sie umzusetzen, hätte das tägliche Auslesen und Löschen der Chips bedeutet – und zwar durch Vertreter des Elternbeirats, der für das Projekt verantwortlich war. Für die Suche nach Mitgliedern für den Löschtrupp bekam Monika Michelfelder allerdings keine Zeit mehr. In den Sommerferien wurden die gechippten Türen wieder ausgebaut, und alles ist wie früher.

Oder vielleicht bald auch besser? Beispiele von Toiletten, die Schule gemacht haben, gibt es durchaus. Eine Schule in Niedersachsen etwa hat einen freiwilligen „pädagogischen Toiletten-Euro“ eingeführt, mit dem ein Sanitärmanager finanziert wird. Bedenkt man, dass die inzwischen rückgängig gemachte Umrüstung der Toilettentüren in Freiberg 9400 Euro gekostet hat, wäre das Geld so womöglich besser angelegt gewesen. Wobei das allerbeste natürlich wäre, alle Schüler benehmen sich.