Die Stadtbibliothek Stuttgart hat Schulklassen zur Vorlesestunde mit Stadträten eingeladen. Die Bücher durften die Politiker selbst auswählen. Ein Schüler konnte einem Klassiker aber so gar nichts abgewinnen.

Stuttgart - Große Reden und hitzige Debatten bestimmen normalerweise den Alltag der Stuttgarter Stadtpolitiker. Am Donnerstagvormittag wagten sich sieben Mitglieder des Gemeinderats in ein ganz anderes Terrain und erzählten mit leiser Stimme von Roboterkatzen im Weltraum, Prinzessinnen und weißen Kaninchen im Wunderland. Sie waren der Einladung des Stuttgarter Vorleseprojekts Leseohren in die Stadtbibliothek am Mailänder Platz gefolgt, wo sie um 9.30 Uhr im Rahmen der Reihe „Berufsgruppen lesen vor“ für eine zweite Klasse der Grundschule Stammheim rund 30 Minuten lang zum Vorleser wurden. „Die Kinder finden es toll, wenn ihnen vorgelesen wird, vor allem wenn es berühmte und aufregende Leute tun“, sagte die Geschäftsführerin von Leseohren, Bettina Kaiser.

 

Bunte Mischung aus klassischen und modernen Kinderbüchern

Welche Bücher ihnen zur Lektüre bereitstanden, durften die Politiker selbst bestimmen oder aus einer Reihe von Vorschlägen der Mitarbeiter des Vorleseprojekts auswählen. „Wichtig ist, dass das Alter der Zielgruppe und die Länge des Buches passen, das sind die Rahmenbedingungen“, erklärte Bettina Kaiser. Alles andere sei dann Geschmackssache. Und weil Geschmäcker bekanntlich verschieden sind, gab es für die Zweitklässler eine bunte Mischung aus klassischen und modernen Kinderbüchern.

Judith Vorwinkel (SPD) griff beispielsweise zu Ottfried Preußlers „Die kleine Hexe“, bei Luigi Pantisano (SÖS) lauschten die Schüler den Erzählungen von Janosch. Und Ralph Schertlen (ohne Partei) gewann die Aufmerksamkeit der gespannt lauschenden Kinder mit den „Olchis“ von Erhard Dietl. Doch egal, für welchen Vorleser sich die Schüler entschieden, am Ende des Tages waren sie alle restlos begeistert. „Wir haben Geschichten aus dem Weltraum gelesen, das war toll, denn da gab es eine Robo-Katze“, sagte ein Junge. Und ein Mädchen erzählte fröhlich von „Alice im Wunderland“ und ihren Abenteuern: „Das war so cool“, lautete ihr Fazit zur Erzählung von Lewis Caroll. Ein anderer Mitschüler hingegen kann Herzkönigin und Grinsekatze nicht viel abgewinnen und widmete seine Aufmerksamkeit deshalb lieber den grünen Müllfressern von Erhard Dietl: „Die Olchis sind mein Lieblingsbuch, daraus liest mir auch meine Mama immer vor“, sagte er.

Begeisterung für Bücher schaffen

Die Leserunde richtete sich aber nicht nur an jene Kinder, bei denen Bücher bereits einen festen Platz im Alltag haben, sondern auch an jene, die bisher keine Erfahrung mit Literatur sammeln konnten: „Wir wollen Begeisterung für Bücher mit solchen Aktionen schaffen“, sagte Bettina Kaiser. Für viele Stadträte ist genau das der Grund bei der Aktion mitzumachen: „Die Faszination fürs Lesen entsteht in jedem selbst. Ich möchte heute helfen diese Faszination bei den Kindern zu wecken,“ sagte Luigi Pantisano.