Stuttgart hat schon seit fünf Jahrzehnten einen Tiefbahnhof – beim S-Bahn-Zugang in der Lautenschlagerstraße Ecke Kronprinzstraße ist eine kleine Modellbahnwelt zu finden. Die Bastler von „Modellbahn ’65“ feiern in diesem Jahr das 50jährige Bestehen ihres Vereins.

Stuttgart - Stuttgart hat einen Tiefbahnhof - und das schon seit 50 Jahren. Die Bastler vom Verein „Modellbahn ’65“ feiern in diesem Jahr ihr Jubiläum. Unter der Erde wird seit den sechziger Jahren geschraubt, gelötet und lackiert. Zum Jahreswechsel öffnet sich die Miniaturwelt im Verborgenen für einige Termine.

 

Gleise mit einer Länge von 1,2 Kilometern unter der Erde

1200 Meter Gleise liegen heute schon unter der Erde. Beim S-Bahn-Zugang in der Lautenschlagerstraße Ecke Kronprinzstraße fahren 56 Züge durch die modellierten Landschaften aus Pappmaschee, Draht und Kunststoff. Die geheime Welt der Stuttgarter Modellbahngruppe ’65 des Bahnsozialwerks ist hier seit 1984 beheimatet. In den Katakomben der Bahnanlagen, wo ursprünglich eine Kegelbahn für die Mitarbeiter der „Deutschen Bundesbahn“ geplant war, ist in tausenden von Arbeitsstunden eine Welt entstanden, die die Öffentlichkeit nur selten zu Gesicht bekommt. Zuvor hatten die Modellbahner auf 20 Quadratmetern unter dem Gleis 16 gewerkelt. Der Ausbau der komplizierten Anlage beschäftigte teils bis zu 100 Modellbahnbegeisterte, heute hat der Verein etwa 50 Mitglieder. „Wir könnten gut einige junge Leute gebrauchen, der Nachwuchs fehlt uns leider“, sagt Hans-Peter Klein, Leiter der Modellbahngruppe. Der Altersschnitt der Gruppe liegt bei 68 Jahren.

Betriebskonzept beruht auf den 60er-Jahren

Wer die Bahnanlage zum ersten Mal sieht, merkt schnell, dass hier die Züge, wie man sie heute kennt, fehlen. „Unser Betriebskonzept beruht auf den sechziger Jahren“, so Klein und ergänzt: „Damals gab es noch keine ICEs, sondern Dampf-, Diesel- und E-Loks.“ Berühmt sind die Stuttgarter auch für ihre Baumschule. Rund 3000 Bäume sind in der Anlage „verpflanzt“, 300 pro Quadratmeter. Jeder Baum entsteht in Handarbeit – Feinmotorik vorausgesetzt. Ein Baum pro Stunde ist die Faustregel und lässt erahnen, wie viel Zeit in die detailverliebten Landschaften investiert wurde.

Auf jedem Gebiet für die Modellbahn gibt es ein bis zwei Experten. Die Gebäude, die die Landschaft schmücken, entstehen in der CNC-Fräse. Auch wenn Anlagen, wie die in Stuttgart, ein eher angestaubtes Image haben, ist die Technik hochmodern. Die Welt im Maßstab 1:87 wurde vor einiger Zeit von analog auf digital umgerüstet. Alle Züge, Weichen und Bahnschranken werden zentral am Computer gesteuert. Selbst die Position der Züge ist auf dem Bildschirm erkennbar.

Herber Rückschlag im Jahr 2000

Im Jahr 2000 erlitt das Projekt einen herben Rückschlag. „Aus Brandschutzgründen mussten wir schließen. Ein zweiter Fluchtweg hat uns gefehlt“, sagt Klein. Nach vier Jahren Bangen um die Anlage wurde eine zweiter Aufgang gebaut und die Räumlichkeiten zeitgemäß ausgestattet. „Die Kosten von 30 000 Euro haben wir durch private Spenden und Sponsorengelder gestemmt“, so Klein. Vermieter der Räume ist übrigens das Bahnhofsmanagement vom Stuttgarter Hauptbahnhof. Dieses sei dem Projekt gegenüber seit jeher auch wohlgesonnen. Verständlich, wenn man bedenkt, dass unter der Erde Themen wie kaputte Aufzüge, Rolltreppen oder Stuttgart 21 keine Rolle spielen.

Film belichtet die Geschichte des Vereins

Am 10. und 11. Oktober feiert die Gruppe Modellbahn ’65 ihr Jubiläum. Im Kultur- und Kongresszentrum in der Sängerhalle in Untertürkheim wird für zwei Tage gefachsimpelt. Die fest verbaute Bahn gibt es nicht zu sehen, dafür aber eine Bahn im Maßstab 1:160, die dank Modulbaus transportabel ist. Außerdem wird ein Film gezeigt, der die Geschichte des Clubs beleuchtet und eigens von den Mitgliedern produziert wurde. Anlagen befreundeter Vereine, wie etwa die des Modellbahnclubs Waiblingen, werden ebenfalls ausgestellt. Die Modellbahn selbst wird im November, Dezember und Januar für ein Wochenende geöffnet.