Schlangenbisse sind gut behandelbar. Trotzdem sterben viele Menschen, weil sie kein Gegengift bezahlen können – auch in Tansania. Der Verein Pflaster für Tansania aus Weinstadt will das ändern.

Die Schwarze Mamba ist blitzschnell und eine tödliche Gefahr: Maximal zwei bis drei Stunden bleiben nach ihrem Biss zur Behandlung. Der Giftcocktail der Schlange habe es in sich, sagt Jonas Nickel. Dieser lähme die Muskeln und könne innerhalb von nur 20 Minuten zu einem Herz- oder Atemstillstand führen.

 

Jonas Nickel ist Notfallsanitäter und arbeitet auf der Rettungswache der Johanniter in Schorndorf (Rems-Murr-Kreis). Dass sich der 27-Jährige bestens mit (Gift-)Schlangen auskennt, hat aber andere Gründe: Im Jahr 2021 arbeitete er für einige Zeit in Tansania – als Freiwilliger bei einer Luftrettungsgesellschaft.

Dabei lernte Jonas Nickel die Meserani Snake Park Clinic unweit von Arusha kennen. Ein winziges Hospital im Nordosten Tansanias, das derzeit nur acht Patienten aufnehmen kann, zwei davon als Intensivpatienten. Dennoch ist es etwas ganz Besonderes: „Die Meserani Snake Park Clinic ist die einzige Klinik in Ostafrika, die das bei Schlangenbissen benötigte Gegengift kostenfrei abgibt.“

Sabine Geiger vom Verein Pflaster für Tansania. Foto: privat

Die Behandlung von Schlangenbissen wird in Tansania nicht vom Staat bezahlt. Kaum zu glauben, denn insbesondere für die Menschen in ländlichen Gegenden sind sie eine alltägliche Gefahr: vom Kleinkind bis zur Oma ist niemand davor sicher. Das außergewöhnliche Minikrankenhaus liegt in direkter Nachbarschaft zum Meserani Snake Park. Der privat geführte Schlangenpark ist eine Touristenattraktion. Weil auch die Beschäftigten bisweilen gebissen werden, gibt es dort einen Vorrat an Gegengift. Das sprach sich herum. Die Betreiber des Parks, Lynn Bale und ihr inzwischen verstorbener Mann, brachten es nicht übers Herz, die Verletzten abzuweisen und gaben das Medikament – eine Ampulle kostet zwischen 50 und 150 Dollar – viele Jahre lang kostenlos ab: Sie finanzierten es mit Geld aus ihrer Firma.

2021 gründet sich Pflaster für Tansania

Doch die Coronapandemie brachte den Schlangenpark in existenzielle Schwierigkeiten, auch die Klinik stand kurz vor dem Aus. Jonas Nickel, der zu dieser Zeit vor Ort war, startete eine Hilfsaktion. „Eigentlich wollten wir nur etwas Geld für die Klinik sammeln“, erinnert sich der 27-Jährige, „aber dann meinte Sabine: ,Komm lass uns einen Verein gründen’.“ Gesagt, getan.

Seit August 2021 ist „Pflaster für Tansania“ als gemeinnütziger Verein anerkannt. Die Gründung sei unkompliziert und schnell über die Bühne gegangen, berichtet Sabine Geiger. Die Weinstädterin ist die Mutter von Jonas Nickels Freundin Victoria, und sagt: „Man kann in Tansania mit kleinen Summen sehr viel bewirken.“ Den Beweis dafür liefert der Verein, dessen 55 Mitglieder überwiegend zwischen 20 und 30 Jahre alt sind, viele von ihnen sind im medizinischen Bereich tätig.

Derzeit baut der Verein eine Intensivstation

Seine Erfolgsbilanz kann sich sehen lassen: Neben den Krankenschwestern sind inzwischen auch regelmäßig zwei Ärzte aus der Umgebung in der Klinik tätig und betreuen die Patienten. Der Verein hat Einkauf, Logistik und Verwaltung übernommen. „Und wir bauen gerade für 10 000 Euro eine eigene Intensivstation, damit wir mehr Plätze für Patienten haben und kleine Operationen wie Hauttransplantationen oder die Behandlung von Nekrosen möglich sind“, erzählt Sabine Geiger.

In Tansania leben allein 16 Schlangenarten, die lebensgefährlich für Menschen sind, berichtet Jonas Nickel. Das Gift der Afrikanischen Baumschlange beispielsweise wirkt schon in kleinen Mengen gerinnungshemmend und verursacht innere Blutungen. Die Speikobra spritzt ihr Gift gezielt über mehrere Meter in die Augen des Gegenübers, was Hirnhautentzündungen, Infektionen der Augen und Blindheit auslösen kann. Die Puffotter zerstört mit ihren langen Zähnen das Gewebe, was zu immensen Blutungen und Nekrosen führt. Wer sein Leben behält, verliert häufig Füße, Hände oder Arme, weil sie amputiert werden müssen.

Eigentlich müsste fast niemand an Schlangenbissen sterben

„Eigentlich müsste fast kein Mensch an einem Schlangenbiss sterben“, sagt Jonas Nickel: „Schlangenbisse sind zwar sehr komplex, aber im Prinzip gut zu behandeln.“ Das nächste große Vereinsziel ist es daher, jedem die Chance zu geben, innerhalb von zwei Stunden eine kostenfreie, kompetente Behandlung zu bekommen. Dafür sollen zehn Kliniken im Land als Behandlungszentren für Bisse ausgebildet und ausgerüstet werden. „Kein Mensch in Tansania soll mehr sterben müssen wegen eines Schlangenbisses.“

Dazu ist der Verein mit lokalen Ärzten und Ministerien im Austausch und organisiert Schulungen, denn es fehlt an Fachwissen. Den Vereinsmitgliedern ist es dabei wichtig, respektvoll gegenüber den Menschen vor Ort zu agieren. „Wir wollen nicht wie Besserwisser-Ausländer auftreten“, betont Jonas Nickel, für den Tansania ein zweites Zuhause geworden ist. So sucht er auch das Gespräch mit den traditionellen Heilern, die oft die erste Anlaufstelle für Opfer von Schlangenbissen sind.

Jeder Euro wandert in das Projekt

Allerdings sind deren Methoden häufig gefährlich. Zum Beispiel bewirkt das Einschneiden der Bisswunde, dass sich das Gift noch schneller im Körper verbreitet, oft wird die Wunde dabei infiziert und es kommt zu Blutvergiftungen. Eine andere Maßnahme, das Auflegen spezieller schwarzer Steine, richtet hingegen kaum Schaden an. Deshalb versucht der Verein, die Heiler davon zu überzeugen, sich darauf zu beschränken.

Irgendwann, in nicht zu ferner Zukunft, soll sich das Projekt selbst tragen. „Es würde uns freuen, wenn das Ziel in den nächsten fünf Jahren erreicht wird“, sagt der Vereinsvorsitzende Jonas Nickel. Bis dahin werben die Mitglieder um Unterstützung und Spenden. „Mit zehn Euro kann man in Tansania schon sehr viel Gutes tun“, sagt Sabine Geiger. Das Jahresgehalt einer Krankenschwester in der Klinik für Schlangenbisse belaufe sich auf nur 2500 Euro. Gesucht sind auch Paten und Sponsoren, zum Beispiel auch Firmen, die Geld für die Anschaffung von Geräten spenden. „Jeder Euro, der an unseren Verein gespendet wird, landet im Projekt“, sagt Sabine Geiger, „kein Cent wandert in Verwaltungs- oder Reisekosten.“