„Essen in Notzeiten“: Der Verein Stuttgarter Schutzbauten nutzt in Feuerbach den Leerstand auf der Stuttgarter Straße für eine Sonderausstellung.

Stuttgart-Feuerbach - Während seines Einkaufs ist man in Feuerbach mit einem Mal mit dem Thema „Essen in Notzeiten“ konfrontiert: Im vormaligen Ladengeschäft von Fisch-Schief gewährt der Verein Stuttgarter Schutzbauten einen Einblick in die Speisekammern der Krisenjahre, von den Weltkriegen über den Kalten Krieg bis zur Kuba-Krise. Und wirft so zwischen Überfluss und Knappheit durchaus philosophische Fragen auf.

 

Das Interesse ist groß: Immer wieder bleiben Passanten vor dem vormaligen Fischgeschäft an der Stuttgarter Straße 72 B stehen. „Ja, genau so war’s“, sagt eine ältere Dame mit Blick auf den Ausstellungsteil zur Lagerhaltung: „Im Keller hatten wir eine Kartoffelschütte und für die Apfel solche Steigen, wie die dort. Wir Kinder waren aber nicht begeistert, wenn wir im Frühjahr das schon ziemlich verschrumpelte Zeugs essen mussten.“ Die erste Lehre, die man von der Ausstellung „Essen in Notzeiten“ mitnimmt: Lecker ist das eine, satt werden etwas ganz anderes. „Haben Sie schon mal Schwarzen Brei gegessen?“, fragt nun auch Rolf Zielfleisch, Vorsitzender der Stuttgarter Schutzbauten: „Schmeckt grauenvoll!“ Man versteht darunter einen gesalzenen Brei aus gerösteten Dinkelkörnern, der bisweilen mit in Schweineschmalz angebratenen Zwiebeln übergossen wurde. Nahrhaft ist das sicher, aber gut? Not macht freilich erfinderisch, auch das zeigt die Ausstellung. Man lernt: Wenn es sein muss, kann man aus Eicheln einen Kaffee-Ersatz herstellen, und Tannenzapfen sind ein ausgezeichnetes Brennmaterial.

Trotzdem: bis vor zwei Jahren wäre die Ausstellung „Essen in Notzeiten“ überwiegend durch ihren nostalgischen Charme aufgefallen. Corona hat auch das verändert: Seit Toilettenpapier, Reis und Nudeln palettenweise gehamstert wurden und eine ganze Menge Waren im ersten Lockdown gar nicht erhältlich waren, mag man die Exponate nun mit anderen Augen sehen.

Überfluss ist keine Selbstverständlichkeit

Zu sehen ist auch ein Sparherd „made in Feuerbach“, von der Firma Werner & Pfleiderer im Krieg aus Resten der Rüstungsproduktion gefertigt. Die ausgestellten historischen Lebensmittelkarten sollten für eine gerechte Zuteilung der Rationen sorgen. Sie könnten auch bei aktuellen Krisenfällen zum Einsatz kommen: Rolf Zielfleisch erzählt, dass der Staat für den Notfall an dezentralen Orten Getreide und Hülsenfrüchte einlagert und auch geheime Notbrunnen vorhält.

Zum Ortstermin hat er einen Schmalztopf aus Steinzeug mitgebracht. „Man hat solche Behältnisse aber auch zum Einlegen von Gemüse benutzt“, erzählt er. Das Einkochen wiederum hat so mancher während der diversen Lockdowns als produktiven Zeitvertreib entdeckt. Das Prinzip geht freilich auf den Chemiker Rudolf Rempel zurück: Er hatte 1892 ein Patent für Einmachgläser angemeldet; der findige Geschäftsmann Johann Carl Weck kaufte es ihm ab und war ein gemachter Mann. Der Begriff „einwecken“ zeugt bis heute davon.

Mit der Ausstellung ist der Verein Stuttgarter Schutzbauten seinem erklärten Ziel nahe gekommen: Seine Themen mitten in den Feuerbacher Alltag hineinzutragen. Ganz unvermittelt regt „Essen in Notzeiten“ so zum Nachdenken an und verdeutlicht, dass Überfluss keine Selbstverständlichkeit ist. Geht es nach Rolf Zielfleisch, würde man gerne auch weiteren Leerstand für Ausstellungen nutzen. „Wir haben noch mehr Material“, sagt er – und auch an Ideen für weitere Sonderschauen mangelt es nicht. Der Verein freut sich über Vorschläge.

Info: „Essen in Notzeiten“ ist voraussichtlich bis ins Frühjahr hinein im Schaufenster des vormaligen Fischladens, Stuttgarter Straße 72 B, zu sehen. Weitere Info und Kontaktaufnahme: www.schutzbauten-stuttgart.de.