Mit starkem Akzent auf Kunst und Kultur, Bildung und Tradition geht das arabische Emirat Sharjah seinen eigenen Weg. Es gewinnt dabei auch an touristischer Attraktivität.

Zuerst erscheint ein Scheich auf dem Portal des Palastes. Hinter ihm schlägt ein Metronom präzise den Takt. Zu dramatischer Musik flimmern dann raffinierte Farb- und Lichteffekte, Bilder und Filmsequenzen über die Fassade. Ein mitreißender multimedialer Parforceritt durch Arabiens Raum und Zeit. Wem das zu flott geht, kein Problem: Die Show wird jede halbe Stunde wiederholt, von 19 Uhr bis Mitternacht. Ein paar Straßen weiter. Im populären Flanierviertel Qasba hat das 60 Meter hohe Riesenrad attraktive Konkurrenz bekommen. Auf dem kleinen Kanal, der mit seinen Brücken einen Hauch von Venedig verströmt, sprudeln anmutige Fontänen zu sanfter Musik. Umtanzt wird das Wasserspiel von Lichtfiguren, in beständigem Wechsel von Farben und Formen. Die Frontseite der Qasba wiederum wurde zur Projektionsfläche eines Teams, das sich auf einzigartige Lichtdesigns für Shows und Events spezialisiert hat - die Könner aus Frankreich erzählen mit fantastisch animierten Bildern eine wundersame Geschichte, die das Publikum mehrmals am Abend begeistert. An 23 markanten Orten im Emirat zelebrieren nun im Februar Künstler aus aller Welt das spektakuläre Lichterfestival des Nahen Ostens - inzwischen bereits zum sechsten Mal.

 

Eine ausgewogene Mischung aus Kultur und Moderne

Die besten Lichtdesign-, Computer-, Laserprojektions-, Multimedia- und 3-D-Spezialisten aus aller Welt dürfen dabei ihrer Fantasie freien Lauf lassen und zehn Tage lang Paläste, Moscheen, Museen, Parks, den Sharjah-Creek und sogar einen riesigen Kreisverkehr märchenhaft verzaubern - ein im wahren Wortsinn illustrer Kraftakt, um das kleine Sharjah als Kulturreiseziel nachhaltig auf der touristischen Landkarte zu positionieren. Im Masterplan für Sharjahs Zukunft ist das Lichterfestival aber nur ein Baustein. Herrscher Scheich Sultan bin Mohammed Al Qasimi nämlich inszeniert sein Reich keineswegs als „Zukunftsstadt des Nahen Ostens“ wie etwa Nachbar Dubai. In Sharjah setzt man ganz bewusst auf eine ausgewogene Mischung aus Kultur und Moderne, auf Kunst und Bildung, auf Tradition und Bewahrung der arabischen Identität. Durchaus mit Erfolg. Die Islamische Kulturhauptstadt von 2014 punktet zum Beispiel mit sage und schreibe 20 modernen Museen. Einzigartig in der arabischen Welt etwa ist das Museum für Kalligrafie, besonders interessant für Kinder das Science Centre mit interaktiven Erlebniswelten. Der Star-Bonus freilich gebührt dem Museum für Islamische Zivilisationen: Unter einer imposanten Goldkuppel mit tiefblauem Himmel- und Sternbilder-Mosaik erzählen Weltkugeln, Himmelsscheiben, Karten und Uhren von den Spitzenleistungen der arabischen Welt in Astronomie, Geografie, Mathematik und Medizin.

Hübsche Idee zum Lichterfestival: Die Prachtstücke des Museums werden auf die Fassade projiziert und so von innen nach außen auf die belebte Corniche geholt. Haie, Rochen, Schildkröten, Quallen, Fische, Korallen: So gut wie alles, was die Gewässer am Golf an maritimem Leben hervorbringen, lässt sich im Aquarium bestaunen, einem Prunkstück am Stadtrand. Das nicht minder sehenswerte Pendant in der Wüste heißt Desert Park. Mit Stars wie dem vom Aussterben bedrohten Arabischen Leoparden, mit Hyänen und Oryx-Antilopen, mit Schlangen und Leguanen. Zum Schutz vor Hitze sehen Besucher viele der tierischen Wüstenbewohner inmitten von Landschaften, die in Hallen nachgebaut wurden. Auch die Universität von Sharjah darf auf keiner Tour fehlen. Am südlichen Stadtrand der Wüste abgetrotzt, gleicht die 6,5 Quadratkilometer große Oase mit ihren Palästen der Residenz eines Herrschers. Ein Beweis für den Stellenwert, den der promovierte Landesvater der Bildung beimisst - eine von Sharjahs wichtigsten Investitionen in die Zukunft. Wenn laut Prognosen in zehn Jahren die ohnehin spärlichen Erdöl- und Erdgasquellen in Sharjah endgültig versiegen werden, scheinen somit die Weichen in die Zukunft bereits vorausschauend gestellt zu sein.