Von der Zeit eingeholt: Durchs Hajjar-Gebirge nach Fujairah, dem einzigen der sieben Arabischen Emirate, das ganz am Indischen Ozean liegt.

Fujairah - Als wieder alles vorbei war, haben sie ihre Boote einfach auf den Strand gezogen, sich daneben in den Schatten gesetzt und angefangen zu plaudern: über Allah und die Welt, über Fußball und sogar über Stierkampf. Und darüber, wie viel eiliger sich das Leben inzwischen anfühlt - und wie viel schneller es vorbei ist. Sie haben darüber gesprochen, wie schön es wäre, die Zeit anhalten zu können, und keiner hat dem anderen dabei in die Augen gesehen. Es ging nicht, denn beim nachmittäglichen Netzeflicken müssen die Fischer von Fujairah ihre Blicke auf das Geflecht richten, um nichts falsch zu machen.

 

Morgen werden sie in aller Frühe wieder auf den Indischen Ozean hinausfahren, und alles beginnt von vorn. Wieder werden sie Marlin und Snapper mit nach Hause bringen. Auf See, da ist alles wie früher, aber in Fujairah hat man jetzt auch vierspurige Straßen gebaut, und die Kleinlaster der Fischhändler warten schon, wenn die Boote zurückkehren, mancher mit laufendem Motor, und meistens hupt irgendwer. Ein paar Hochhäuser hat man hochgezogen, und der Handyempfang ist jetzt sogar draußen auf See ganz gut. Manchmal rufen die Händler sogar dort an und fragen, wo das Boot bleibt. Es sind Leute, die kein Verständnis für Wind und Strömungen haben und nicht ahnen, dass Fische nicht immer an derselben Stelle auf ihre Häscher warten.

Die Zeiten haben sich geändert - auch im Reich von Scheich Hamad bin Saif al-Sharqi, auch im einzigen der sieben Vereinigten Arabischen Emirate, das ganz und gar am Indischen Ozean liegt. Nach Osten wie nach Westen grenzt Fujairah an den Oman, nach Norden an Hajjar-Berge und Wüste, nach Süden an die Weite des Indischen Ozeans. Fujairah war immer abgelegener, immer weltferner als die anderen sechs, musste ohne eigenes Öl auskommen, war aufs Meer und die Oasen angewiesen, wenn es darum ging, mit irgendetwas Erträge zu erzielen: auf Fische und auf Orangen, Zitronen, Mangos, sogar Wassermelonen.

Älteste Moscheen der Emirate

Die Leute hier waren die letzten in den Emiraten, die im Alltag noch Krummdolche am Gürtel trugen, die letzten, in deren Reich hinein nur Maultierpfade führten. Und sie waren die letzten, die von den reichen Vettern aus Abu Dhabi eine Straße durch die Berge in ihr Scheichtum spendiert bekommen haben, danach als Zugabe noch ein paar große, moderne Moscheen. Dabei haben sie die älteste der Emirate auf ihrem Gebiet. Sie gilt als die heiligste in diesem Zipfel der Welt und ist bereits im 15. Jahrhundert erbaut worden. Sie ist klein, aus Lehm, ohne Protz - und gerade restauriert worden. Das fügt sich ins Bild. Erst Anfang der 1970er Jahre wurde die Straße durch die Berge gesprengt, erst 2012 kam eine zweite als Alternativ-Route hinzu, um die inzwischen überforderte Piste zu entlasten. Die neue Autobahn aus Dubai ist nötig geworden, weil Fujairahs großer Boom nun unmittelbar bevorsteht.

Schon bald wird die gemächliche und überschaubare Stadt mit ihren Schachbrettstraßen, den paar Türmen aus Stahl und Beton und den vielen Flachbauten aus allen Nähten platzen, ihr Gesicht verändern. Denn kürzlich ist die für drei Milliarden Dollar errichtete Ölpipeline aus Abu Dhabi fertig geworden - und mit ihr sind am nördlichen Stadtausgang gewaltige Tanks entlang der Küste entstanden, wo vorher Mangroven waren. Es ist das wichtigste Bauvorhaben der Emirate seit langer Zeit gewesen, bedeutender als Landgewinnungen im Golf, Weltrekord-Wolkenkratzer und goldene Hotelpaläste. Denn schon bald sollen bis zu 70 Prozent der täglichen Ölförderung diesen Weg nehmen und über die Tanks von Fujairah umgeschlagen und in alle Welt verschifft werden: unter Umgehung der nur 40 Kilometer breiten Meerenge von Hormuz am Ausgang des Golfs, über deren Ostufer der Iran herrscht.

Auf 180 000 Einwohner ist Fujairah angewachsen - von langjährig um die 100 000. Jetzt rechnet man mit jährlich mindestens zehn Prozent Bevölkerungszuwachs: Arbeiter ebenso wie Ingenieure, Kaufleute ebenso wie Maurer. Und Immobilienmakler. Und Hoteliers. Und mittendrin immer mehr Urlauber. Das immer wieder renovierte Hilton, schon Ende der 1970er Jahre im touristischen Nirgendwo errichtet, wird Konkurrenz bekommen. Wer das alte Fujairah noch erleben will, der muss sich beeilen. Und schon bald dürften die Sandplätze am Straßenrand, die Baubrachen am Meer knapp werden, wo noch immer an Freitagen Stierkämpfe stattfinden - nach omanischer Tradition, unter freiem Himmel und ohne Eintritt zu kosten. Zu erkennen sind sie von weitem vor allem an den vielen Autos, die irgendwie unsortiert drum herum parken.

Stierkämpfe werden nur von Männern besucht

Hinter Absperrgittern feuern ausschließlich Männer in traditionellen weißen Dishdashas die Stiere an, und über Lautsprecher mit blechernem Klang moderiert ein Unsichtbarer von irgendwoher das Geschehen. An Seilen führen Züchter ihren Stier zu viert oder zu sechst in die Mitte der improvisierten Arena - und durchs Tor auf der anderen Seite gelangt der Rivale ebenso aufs Gelände. Sofort gehen die ein paar Hundert Kilo schweren Tiere aufeinander los, dass es kracht. Sie werfen ihr gesamtes Körpergewicht in die Waagschale und stemmen sich im Sand ab, um den Gegner mit dem Kopf wegzudrücken. Mancher grunzt dabei, als würde er dem anderen noch ein paar Flüche an die Hörner schleudern wollen. Nach kaum einer Minute ist jeder Durchgang dieser archaischen Variation des Armdrückens vorbei - und sollte Blut fließen, schon eher.

Sieger ist, wer den anderen am weitesten zurückgedrängt hat. Dass sich die Tiere dabei verletzten, ist nicht erwünscht, und kein Mensch in Angeberpose und mit Degen in der Hand setzt ihnen zu: alles ganz friedlich in Fujairah. Scheich Hamad ist schon vor längerer Zeit in einen neuen Palast umgezogen - weil es auf Dauer bequemer war, als weiter im Lehm-Fort seiner Vorfahren auf einem Hügel im Stadtzentrum zu wohnen. Es soll bereits seit ein paar Jahren restauriert und als Museum eröffnet werden. Geschehen ist das noch nicht - weil der Mann auf dem Herrscherstuhl, der als bodenständig gilt, dort in Gedanken noch immer zu Hause ist und all die fremden Besucher dann doch stören würden.

Diesen Abend picknicken ein paar Einheimische unter einem Baum schräg gegenüber vorm Festungstor und schauen schweigend in Richtung Ozean, während die Sonne irgendwo dort versinkt, wo erst der Oman ist und dahinter der Jemen wartet. Eine Koreanerin knipst derweil im letzten Licht des Tages ihren Freund vorm Portal der Festung aus Lehm. Ihr Fotoapparat ist ein iPad, und in den Hochhaus-Etagen der Nachbarschaft gehen die ersten Lichter an. „Das Leben ist schneller geworden - und kürzer“, haben die Fischer gesagt. Weil die Zeit aufgehört hat, Fujairah zu übersehen. Und weil die Gegenwart den Weg durch die Berge hierher gefunden hat.

So wird das Wetter für die Weltreise

Infos zu Fujairah

Anreise
Zum Beispiel mit Emirates, www.emirates.com , nonstop von Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München, oder mit Lufthansa, www.lufthansa.com , ab Frankfurt und München nach Dubai. Die Flugzeit beträgt zwischen fünfeinhalb und sechseinhalb Stunden. Tickets ab rund 480 Euro. Von Dubai aus ist ein gut 90-minütiger Auto-Transfer nach Fujairah erforderlich - entweder vom Veranstalter organisiert oder individuell mit Leihwagen oder Taxi.

Unterkunft
Die Strand-Resorts des Emirates Fujairah liegen etwa 45 Kilometer außerhalb der Stadt an der Bucht von Al Aqah, wo es nicht viel mehr als die Hotels gibt. Eine Woche im zentralen Hilton in Fujairah-Stadt kostet im Doppelzimmer mit Frühstück ab 805 Euro bei FTI, www.fti.de - einschließlich des Fluges.

Eine Woche im Hotel Le Meridien Al Aqah Beach Resort im Doppelzimmer mit Frühstück und Flug kostet ab 851 Euro bei Dertour, www.dertour.de .

Essen und Trinken
Beliebt ist das Restaurant Al Ghorfa im Hotel Fujairah Hilton mit abendlich wechselnden Themen-Büfetts - vor allem freitags, wenn es Fisch in allen Variationen und montags, wenn es arabische Spezialitäten gibt. In der Umgebung des Fujairah Marine Club und weiter an der Begalath Road stadtauswärts in Richtung Oman gibt es einige indische Strandrestaurants, die eher einfach, aber günstig und zugleich gut sind. Reisezeit Ideal sind die Monate von Oktober bis April mit angenehmen Tagestemperaturen zwischen 20 und 28 Grad.

Allgemeine Informationen
Ein Fremdenverkehrsamt unterhält Fujairah in Deutschland nicht; Infos im Internet unter www.fujairahtourism.ae . Vom Autor dieses Beitrags ist ein Reportagenband über die Region unter dem Titel „Sand zu Gold, Wüste zu Geld“ erschienen (Picus Verlag, 14,90 Euro).

Was sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall einen Abstecher zu den unblutigen Stierkämpfen auf dem Platz am südlichen Stadtrand von Fujairah machen. Sie finden jeden Freitag statt.

Auf keinen Fall Alkohol im Gepäck haben. Einige Exklaven entlang der Küste gehören zum Territorium des eigentlich am Persischen Golf gelegenen Emirates Sharjah, wo Alkohol verboten ist.