Sachsenheim hat ein Fitness-Studio eingeweiht, das zum Vereinszentrum gehört. Die Esslinger wollen dasselbe, bekommen aber Gegenwind.  

Sachsenheim - Für das Stuttgarter Regierungspräsidium (RP) ist die Einweihung des neuen Vereinszentrums in Sachsenheim (Kreis Ludwigsburg) am Sonntag zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt gekommen. Denn während der Verein das neue Angebot, zu dem auch ein Fitnesszentrum gehört, vorstellte, knirschten Mitglieder des VfL Kirchheim im Kreis Esslingen mit den Zähnen. Die Kirchheimer haben ein ganz ähnliches Projekt geplant, bekommen aber Gegenwind aus dem Regierungspräsidium. Das Thema schlägt Wellen bis ins Stuttgarter Innenministerium.

 

Die beiden Fälle werfen ein Schlaglicht auf eine Debatte, die zurzeit rund um die Angebote von Sportvereinen in der Region Stuttgart kreist. Die Kernfrage lautet: wann wird ein Verein so kommerziell, dass er keine öffentliche Unterstützung mehr erwarten kann? Das RP Stuttgart, das Ludwigsburger Landratsamt und der Württembergische Landessportbund (WLSB) beantworten diese Frage höchst unterschiedlich.

Möglicherweise wird in dieser Sache im März entschieden. Denn einem Sprecher des Innenministeriums zufolge wird sich dann seine Behörde mit den vier Regierungspräsidien treffen, um einheitliche Regeln für die kommunale Unterstützung solcher Projekte aufzustellen. "Und dabei kann es nicht darum gehen, Persilscheine auszustellen", so der Ministeriumssprecher.

Verbesserte Einnahmen durch Fitness-Studios

Die Auseinandersetzung ist entstanden, weil immer mehr Sportvereine versuchen, ihre Einnahmen durch Fitness-Studios in neuen Vereinszentren zu verbessern. Im Kreis Ludwigsburg gibt es dafür neben dem jüngsten Beispiel aus Sachsenheim auch ältere, vom WLSB ausgezeichnete Exempel: das Fitkomm der Sportvereinigung Besigheim und das Fun Sportzentrum des SV Kornwestheim. Die Kommunen haben ihre Vereine unterstützt, indem sie Ausfallbürgschaften übernahmen, um den Vereinen günstige Zinsen zu sichern.

Doch kommunale Bürgschaften unterliegen strengen Richtlinien und sind genehmigungspflichtig. Für kleinere Kommunen sind die jeweiligen Landratsämter zuständig, für Große Kreisstädte die Regierungspräsidien. Sie müssen prüfen, ob eine Bürgschaft, wie von der Gemeindeordnung gefordert, "kommunalen Zwecken" dient. In der Regel trifft das für die Unterstützung von Sportvereinen zwar zu, doch das RP bezweifelt, dass das auch dann noch gilt, wenn ein Verein kommerzielle Angebote macht, wie etwa Fitness-Studios.

Es geht nicht nur um zusätzliches Geld

Im Fall Kirchheim hat das RP deshalb der Stadt auf eine Voranfrage, ob sie für das Projekt bürgen könne, geantwortet, dass eine Bürgschaft voraussichtlich nicht zu 100 Prozent genehmigt würde. Dieselbe Antwort erhielt Winnenden (Rems-Murr-Kreis), wo ebenfalls ein Vereinszentrum geplant ist. Die Stadt Sindelfingen (Kreis Böblingen) musste vor einigen Jahren eine Ausfallbürgschaft um 45 Prozent - um den Teil, den das Fitness-Studio ausmacht - reduzieren. Das Ludwigsburger Landratsamt hingegen hält es laut einer Sprecherin für ausreichend, dass ein Verein eine "sozialkulturelle Zielsetzung" habe. In diesem Fall sei eine kommunale Ausfallbürgschaft für jedes Vereinsprojekt zulässig. Deshalb habe man in den Fällen Sachsenheim und Besigheim positiv entschieden.

Die Probleme in Kirchheim und Winnenden haben den Württembergischen Landessportverband auf den Plan gerufen, der die Vereine unterstützt. Doch der WLSB und das RP konnten sich nicht auf eine Linie einigen. Man habe dem WLSB deshalb empfohlen, sich an das Innenministerium zu wenden, das letztlich für die Umsetzung der Gemeindeordnung zuständig sei, so ein Sprecher des RP. "Wir sind mit dem RP, dem Innenministerium und allen Einrichtungen in Kontakt, aber einen Gesprächstermin gibt es noch nicht", berichtet der Hauptgeschäftsführer des WLSB, Heinz Mörbe. Er argumentiert, die Vereine würden die Zentren für ihre Mitglieder bauen und seien daher keine Konkurrenz zu gewerblichen Fitness-Studios.

Im Übrigen gehe es nicht nur darum, zusätzliches Geld zu verdienen, es sei auch das Ziel der Vereine, neue Treffpunkte für Mitglieder zu schaffen, sagt Mörbe. Tatsächlich gibt es beispielsweise in Sachsenheim kein Konkurrenzproblem - weil es dort kein gewerbliches Fitness-Studio gibt. In Kirchheim hingegen sieht sich ein Studiobetreiber in seiner Existenz bedroht und klagt gegen den Verein wegen unlauteren Wettbewerbs. Er will, dass diesem die Gemeinnützigkeit entzogen wird.

Vereine in der Zwickmühle beim Bau neuer Heime

Kirchheim Der 5000 Mitglieder zählende TSV Kirchheim (Kreis Esslingen) will ein Vereinszentrum mit Fitness-Studio, das auch Nichtmitglieder gegen Entgelt nutzen können, für 4,3 Millionen Euro bauen. Am 1. Februar wollte der Gemeinderat über eine Millionenbürgschaft entscheiden. Darin sieht ein Fitness-Studio-Betreiber aber unlauteren Wettbewerb. Ein Verein sei von der Mehrwertsteuer befreit, ein solches kommerzielles Vorhaben sei damit nicht vereinbar.

Waldenbuch Die Aussichten für das Ansinnen des Studiobetreibers sind allerdings schlecht. Der TSV Waldenbuch (Kreis Böblingen) plant ein ähnliches Vorhaben - und auch dort gibt es privaten Gegenwind. Allerdings ist ein Studiobetreiber im vergangenen Jahr mit einer Klage vor dem Amtsgericht Böblingen gescheitert. Und Ende des vergangenen Jahres hat die nächste Instanz, das Oberlandesgericht Stuttgart, dem Studiobetreiber empfohlen, seine Beschwerde zurückzuziehen.

Rechtslage Das Stuttgarter Regierungspräsidium, das bei Großen Kreisstädten für die Genehmigung kommunaler Bürgschaften zuständig ist, hat angekündigt, das finanzielle Engagement der Städte prüfen zu wollen. Laut den Vorgaben sei es nicht gestattet, den Bau "eines kommerziell betriebenen Fitness-Studios" finanziell zu unterstützen - auch nicht, wenn es ein Teil eines Vereinszentrums sei, so die Behörde. Die Gemeinnützigkeit und damit die Steuerbegünstigung solcher Vorhaben wird verstärkt angezweifelt - da immer mehr Sportvereine Anbietern wie Fitness-Studios, Bistros oder Physiotherapeuten Konkurrenz machten.