Bei „Hart aber fair“ hat die Influencerin Verena Pausder die deutsche Bildungspolitik scharf kritisiert. Nun hat sie gemeinsam mit Susanne Eisenmann (CDU) eine Schule besucht, in der digitales Lernen dazugehört. Was nimmt die Ministerin davon mit?

Leutenbach - Lauras Vater ist ein bisschen neidisch auf seine Tochter. „Mein Papa hat gesagt, ich kann schon viel besser mit dem Computer umgehen als er“, sagt die Achtjährige, die in Leutenbach im Rems-Murr-Kreis die Klasse 4a an der dortigen Gemeinschaftsschule besucht. Zusammen mit Leni und Lara beugt sie sich über ein iPad: Die drei arbeiten an einem Film, den sie zu dem Gedicht „Ich wünsche mir einen Freund“ von Anette Bley erstellen sollen. Dafür haben sie ein Drehbuch geschrieben, Fotos gemacht, die sie jetzt in Bewegtbilder umsetzen, sie müssen noch den Text einsprechen und die Filmmusik auswählen. Sie haben also jede Menge zu tun, werden an diesem Morgen aber unterbrochen. Die Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) und Verena Pausder, die Gründerin der Haba-Bildungswerkstätten und des Vereins „Digitale Bildung für alle“ sowie Autorin, sind zu Besuch.

 

Begegnung bei „Hart aber fair“

Eisenmann und Pausder kennen sich seit einer „Hart aber fair“-Talkshow Ende Mai. Die deutsche Bildungspolitik habe die Digitalisierung komplett verschlafen, kritisierte Pausder damals und lud die Ministerin zu einer digitalen Deutschstunde ein. Nun, da Eisenmann Ministerpräsidentin werden und Verena Pausder ihr neues Buch verkaufen möchte, nimmt die Politikerin die Influencerin beim Wort. „Wir müssen unseren Kindern beibringen, digital zu lernen“, sagt Pausder – kritisch und kreativ. Damit die Berlinerin sieht, dass es auch im Schwäbischen aufgeweckte Pädagogen gibt, trifft man sich in Leutenbach.

Schulen brauchen Computerexperten

Dort hat die Digitalisierung deutlich vor Corona begonnen. Im Zuge der fälligen Sanierungen bekam die Schule WLAN. Für die insgesamt 470 Grund- und Gemeinschaftsschüler stehen aktuell 68 iPads, 40 Laptops und 27 Rechner bereit. 32 weitere iPads, die über das Sofortausstattungsprogramm des Landes finanziert wurden, sind schon im Haus, müssen aber noch entsprechend eingerichtet werden. Wer die Geräte für seinen Unterricht nutzen möchte, trägt sich in einer Liste ein.

Die Schulleiterin Sonja Frech ist damit ganz zufrieden. Aber „die Endgeräte sind nicht alles“, sagt sie. Die Schulen bräuchten auch Fachleute, die die digitale Ausstattung am Laufen halte; das könne nicht Aufgabe der Lehrer sein. Just darüber verhandelt das Land mit den Kommunen, Eisenmann hofft, dass man sich bis Ende dieses Jahres einigt, wer die Computerexperten für die Schulen wie finanziert.

Zurzeit bastelt jeder Lehrer an eigenen Lösungen

Frech vermisst aber auch eine Lernplattform, die vernünftiges Arbeitsmaterial bereitstelle. Zurzeit bastelt da jeder noch seine eigene Lösungen. Wie Tanja Fuhrmann, die Klassenlehrerin der 4a. Sie hat über die App Book Creator ein iPad-Diktat erstellt. Die 45-Jährige hat dafür den Text aufgenommen, Satz für Satz. Jedes Kind hört das über Kopfhörer mit und schreibt. Sie blicke in lange Gesichter, wenn sie ein Diktat ankündige, sagt Fuhrmann. Aber sie ernte Jubel, wenn die Kinder ein iPad-Diktat machen dürften.

An ihrer Schule funktioniere vieles, weil die Gemeinde als Schulträgerin den Mediennutzungsplänen gegenüber aufgeschlossen war – und dafür auch den Geldbeutel öffnete und weil ihre Lehrer sich offen zeigten für die Möglichkeiten der digitalen Welt. „Diese Zufälligkeit darf nicht sein“, sagt Eisenmann. Sie sieht nicht nur in der Ausstattung, sondern auch bei der Lehrerausbildung und im Hinblick auf das Angebot an digitalem Arbeitsmaterial noch Nachbesserungsbedarf. Einfach ist das nicht. Lernapps gibt es zwar viele, welche aber wie viel Wert haben und wie es dabei um den Datenschutz bestellt ist, dabei wird trefflich gestritten.

Die Leutenbacher Gemeinschaftsschule nutzt Microsoft Teams, wie viele anderen im Land – und möchte das auch weiter tun. Kritiker warnen davor, schulische Daten auf amerikanische Server zu laden. Der Landeselternbeirat, die Arbeitsgemeinschaften gymnasialer Elternvertreter und der Philologenverband bekräftigten diese Kritik am Montag. Das Kultusministerium prüft derzeit einen datenschutzkonformen Einsatz von Microsoft-365-Bausteinen für eine digitale Bildungsplattform. Man sei im Gespräch, sagt Eisenmann, „aber das ist sehr mühsam zurzeit“.