Die Betriebsräte der IG Metall hatten ihren Erfolg schon gefeiert. Doch nun wird die Betriebsratswahl in der Daimler-Zentrale vor Gericht angefochten. Ein Punkt der Begründung: eine angebliche Einflussnahme.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Wahl des Betriebsrats in der Daimler-Zentrale Anfang März wird vor dem Arbeitsgericht angefochten. Fünf Beschäftigte fordern in einem unserer Zeitung vorliegenden gemeinsamen Antrag, sie wegen Fehlern für unwirksam zu erklären. Sie begründen dies mit einem halben Dutzend Verstößen gegen Wahlvorschriften und das Betriebsverfassungsgesetz, durch die das Ergebnis verzerrt worden sein könnte. Neben diversen organisatorischen Punkten monieren sie, die Industriegewerkschaft Metall und die Unternehmensleitung hätten die Wahl mit einer gemeinsamen Initiative unzulässig zu beeinflussen versucht. Am kommenden Montag findet vor dem Arbeitsgericht in Stuttgart der Gütetermin statt, bei dem die Chancen einer Einigung ausgelotet werden. Vorher wollten sich weder die Antragsteller noch der Betriebsrat oder das Unternehmen äußern.

 

An der Wahl am 1. März hatten gut 6600 Beschäftigte der Daimler-Zentrale teilgenommen. Dies entspricht einer Beteiligung von 39,4 Prozent. Ähnlich hoch war der Wert vor vier Jahren. Insgesamt waren neun Listen angetreten. Die meisten Stimmen erhielt die Liste der IG Metall, die ihren Anteil von 44 Prozent im Jahr 2014 auf 47 Prozent steigern konnte. Mit 22 von 41 Sitzen hat sie die absolute Mehrheit im Betriebsrat der Daimler-Zentrale. Zweistärkste Fraktion wurde mit acht Sitzen eine Gruppe von Unabhängigen Arbeitnehmern. Der Betriebsratsvorsitzende Jörg Spies hatte sich namens seiner IG-Metall-Kollegen über das Ergebnis erfreut gezeigt. Man wolle sich in den nächsten vier Jahren „mit einer starken Stimme einbringen“ – bei allen relevanten Themen von der Digitalisierung bis zur Elektromobilität.

Schon zwei mal für unwirksam erklärt

Nun muss jedoch erst einmal über die Anfechtung der Wahl entschieden werden. Im Schriftsatz der Antragsteller wird darauf verwiesen, dass diese bereits zweimal für unwirksam erklärt wurde – 1994 und 2010, mit unterschiedlicher Begründung. Vor acht Jahren ging es darum, dass mehr als 600 Arbeitnehmer der Führungsebene E 3 zu Unrecht von der Teilnahme ausgeschlossen worden seien.

Der Grund: Sie seien als leitende Angestellte eingestuft worden, obwohl sie die Voraussetzungen dafür gar nicht erfüllten. Weder seien sie befugt, selbstständig über Einstellungen oder Entlassungen zu entscheiden, noch hätten sie eine Generalvollmacht oder Prokura. Schon durch einen einzigen unzulässig ausgeschlossenen Arbeitnehmer hätte das Ergebnis beeinflusst werden können, argumentierte damals das Landesarbeitsgericht. Es bestätigte eine Entscheidung des Arbeitsgerichts und wies damit Beschwerden von Betriebsrat und Arbeitgeber zurück.

Eiertanz um leitende Angestellte

Um die gleiche Thematik geht es in einem Punkt auch jetzt wieder. Der Wahlvorstand habe nicht nachvollziehbar zugeordnet, wer zu den leitenden Angestellten gehöre, heißt es in der Begründung. Er habe sich nicht mit den konkreten Befugnissen befasst, sondern auf ein veraltetes Verzeichnis zurückgegriffen. Zumindest in einem Fall sei ein Bewerber der Führungsebene E 2 auf der Liste der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM) falsch eingestuft und damit ausgeschlossen worden.

Um die Einstufung der Führungskräfte hatte es bereits im Vorfeld der Wahl Irritationen gegeben. Der Personalbereich hatte sich daher mit einer Rundmail an Betroffene gewandt, die vom Betriebsrat den nicht leitenden Angestellten zugeordnet worden waren. Dies sei nur für die Wahl 2018 relevant, hieß es darin. Für das Unternehmen gehörten sie weiterhin zum Kreis der leitenden Angestellten mit den entsprechenden Konditionen, wurde ihnen ausdrücklich versichert. Als unzulässige Wahlbeeinflussung werten die Antragsteller eine Mail, die der Betriebsratschef Spies und der Leiter des Bereichs Arbeitspolitik am frühen Morgen des Wahltages gemeinsam verschickt hatten. Darin geht es um die Ende 2016 in Kraft getretene Gesamtbetriebsvereinbarung „Mobiles Arbeiten“. Im Lauf des Jahres 2018 solle „eine erste Zwischenbilanz in Form einer Evaluation gezogen“ werden, hieß es darin.

Mit Mail als Kümmerer empfohlen?

Zugleich wurde eine Online-Befragung angekündigt, bei der die Beschäftigten ihre Erfahrungen schildern könnten. In der Anfechtung werden Zeitpunkt und Inhalt der Nachricht kritisiert. Diese könne Beschäftige veranlassen, „Kandidaten der Liste der IG Metall zu wählen, weil sich diese vermeintlich besonders gut um ein bei der Belegschaft beliebtes Thema, nämlich der Mobilität bei der Arbeit, kümmern“.

In weiteren Punkten wird moniert, dass die Daimler-Zentrale gar kein einheitlicher Betrieb sei. Für die verschiedenen Bereiche wie MB Cars, Trucks oder Van gebe es völlig unterschiedliche Führungskräfte; damit fehle die Grundlage für einen gemeinsamen Betriebsrat. Zudem sei es zu „massiven Fehlern“ bei der Versendung von Briefwahlunterlagen gekommen. Auch die Platzierung der Wahllokale habe die Stimmabgabe teilweise stark erschwert. Ferner wird gerügt, dass die Stimmen nicht wie vom Gesetz verlangt unverzüglich ausgezählt worden seien, sondern erst am frühen Nachmittag des Folgetages.