Für ihren Gesetzentwurf braucht die Regierung die Zustimmung von Grünen und FDP. Die stellen aber Bedingungen.

Berlin - An diesem Donnerstag bringt die Bundesregierung ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes in den Bundestag ein. Ziel ist es, Kinderrechte explizit in die Verfassung aufzunehmen. Für Verfassungsänderungen ist in Bundestag und Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit notwendig, weshalb die Umsetzung des Vorhabens noch nicht sicher ist. Die Regierungsparteien müssen FDP und Grüne ins Boot holen. Die melden in wichtigen Punkten Änderungswünsche an.

 

„Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen“

Der Regierungsentwurf sieht vor, dass dem Artikel 6, Absatz 2 des Grundgesetzes folgende Formulierung angefügt wird: „Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt.“ Diese Formulierung ist das Äußerste, was Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) der Union abhandeln konnte. Lange war darüber gestritten worden, dass das Wohl des Kindes „angemessen“ berücksichtigt werden müsste. Eine Kommission hatte zuvor die „vorrangige“ oder „wesentliche“ Berücksichtigung ins Spiel gebracht. Beides ging der Union zu weit.

Ein Junktim der FDP

Die Grünen schlagen eine „maßgebliche Berücksichtigung“ vor. Sie wollen auch Beteiligungsrechte der Kinder, etwa bei Verwaltungshandeln und Planverfahren, im Grundgesetz festschreiben. Und sie wollen ein Recht auf Förderung verankern, das betrifft Bildung und Ausbildung.

Zusätzlich kompliziert ist die Lage dadurch, dass die FDP ihre Zustimmung von einer ganz anderen von ihr angestrebten Verfassungsänderung abhängig macht: Sie verbindet die Zustimmung zur Kinderrechtsreform mit einem Entgegenkommen der anderen Parteien bei ihrer Absicht, den Artikel 3, Absatz 3 der Verfassung zu ergänzen. Dort wird aufgezählt, dass niemand wegen bestimmter Merkmale wie Geschlecht, Abstammung, Glaube oder einer Behinderung benachteiligt werden darf. Die FDP will in diesen Katalog nun auch die sexuelle Identität aufnehmen. Auch bei den Kinderrechten hat sie einige Kritikpunkte. So möchte sie ausdrücklich festhalten, dass es um staatliches Handeln geht, bei dem das Kindeswohl „besonders berücksichtigt“ werden soll, so der FDP-Vorschlag.

Gut möglich, dass es zu keiner Einigung kommt

Die Ausgangslage für weitere Verhandlungen ist so verzwickt, dass es gut möglich ist, dass es in dieser Wahlperiode zu keiner Grundgesetzänderung mehr kommt. Die Grüne Familienpolitikerin Ekin Deligöz sagte unserer Zeitung, ihre Partei werde keine Änderung mittragen, „die nur den Status quo festschreibt“. Da die gesellschaftliche Entwicklung, aber auch einzelgesetzliche Regelungen schon weiter seien, bedeutete dies „real einen Rückschritt“. Auch der FDP-Rechtspolitiker Stephan Thomae glaubt nicht, „dass eine Einigung zum Greifen nahe“ sei. Vor der Einbringung in den Bundestag hatte es fünf Gesprächsrunden zwischen Justizministerium, Koalition, FDP und Grünen gegeben. Sie brachten keine Fortschritte.