Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wird mit Klagen überflutet. Immer wieder wenden sich auch Querulanten an die Richter, deren Klagen keine Aussicht auf Erfolg haben. Eine Gebühr soll sie abschrecken.

Karlsruhe - Querulanten bringen in Deutschland viele Richter zur Verzweiflung, sie drohen manches Gericht lahmzulegen. Das ist ein Preis, den der Rechtsstaat kostet. Weil man dort auch absurd erscheinende Klagen nicht einfach in den Papierkorb schmeißen darf.

 

Das Bundesverfassungsgericht hat manchmal großes Verständnis für Querulanten. Es hat 2009 einem Berliner Reihenhausbewohner recht gegeben, der sein Klavier an die Wand zum Nachbarn geschoben hatte, mit dem er von Herzen zerstritten war. Die Tochter hat dann täglich geübt. Eines Sonntags gegen 19 Uhr hat der Nachbar die Polizei geholt. Der Beamte hat das Spiel, Präludien von Bach in ständiger Wiederholung, als störend empfunden. Die Behörde hat 75 Euro Bußgeld verhängt. Das Amtsgericht Tiergarten hat auf 50 Euro ermäßigt, das Kammergericht hat es bestätigt. Karlsruhe hat das für verfassungswidrig erklärt, weil ein Polizist nicht entscheiden darf, was störend ist.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat aber wenig Verständnis für Querulanten, wenn es die eigene Arbeit betrifft. Dafür gibt es gute Gründe. Die Karlsruher sind überlastet, so wie andere Richter auch. Von den rund 6000 Verfassungsbeschwerden, die Karlsruhe pro Jahr erreichen, stammen rund 1000 von unbelehrbaren Klägern, die das Gericht aus den nichtigsten Anlässen immer wieder in Anspruch nehmen, und 1000 weitere von Menschen, die wegen kleinster Beträge, beispielsweise für Nebenkosten, bis vor das Verfassungsgericht ziehen, Querulanten eben.

Der Präsident wirbt für die Mutwillensgebühr

Deshalb tingeln Verfassungsrichter, ihr Präsident Andreas Voßkuhle vorneweg, nun schon seit vielen Monaten durch die Republik und werben als Anwälte in eigener Sache für eine „Mutwillensgebühr“. Dazu müsste das Gesetz geändert werden. Die Gebühr von 40 bis zu 5000 Euro soll bei völlig aussichtslosen Beschwerden gefordert werden, bevor die Richter mit ihrer Arbeit beginnen. Es gibt bereits eine „Missbrauchsgebühr“, die wird aber – übrigens selten genug – erst verhängt, wenn die Arbeit getan ist.

Die Politiker haben wenig Neigung, den Einflüsterungen der Karlsruher Lobbyisten zu folgen. Das wiederum hat weniger mit der Sache als mit der Psychologie zu tun. Die Politik fürchtet einen Aufschrei der Öffentlichkeit, denn das Bundesverfassungsgericht trägt bis jetzt eine Monstranz vor sich her. Auf der steht, dass der Zugang zum Gericht unbegrenzt, kostenfrei und ohne Anwaltszwang gewährt wird. Damit hängt eng der Ruf eines bürgernahen Gerichts zusammen.

Ohne spezialisierte Anwälte geht in Karlsruhe nichts

Die Monstranz ist freilich schon heute leer, die Versprechungen sind rein formaler Art. Ohne einen auf Verfassungsfragen spezialisierten Anwalt, besser noch einen mit den Karlsruher Befindlichkeiten bereits erfahrenen Universitätsprofessor, haben die wenigsten Kläger den Funken einer Chance. Beide kosten ihr Geld. Schon das alltägliche Verlangen, der Beschwerdeführer müsse sich mit dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Verfassungsrechtsdiskussion hinreichend auseinandergesetzt haben, überfordert jeden normalen Menschen. Und mit manchmal schon schwer erträglicher Arroganz kanzeln die Karlsruher gestandene Kollegen ab, sie hätten ihre Schriftsätze nicht ausreichend begründet.

Die Richter haben über die Jahre hinweg eine extreme, manchmal an Willkür grenzende Virtuosität entwickelt, das, was sie interessiert, heranzuziehen, und das, was sie nicht mögen, abzuweisen. Im zweiten Fall gibt es dann nicht mehr als die berühmt-berüchtigten „weißen Blätter“, mit denen eine Klage begründungslos abgeschmettert wird. Wenn ihr Herz ausnahmsweise aber einmal an der richtigen Stelle gerührt wird, dann sind sie durchaus in der Lage, einem Beschwerdeführer, der nachweislich gar nicht klagebefugt ist, den Einbau eines Treppenlifts als Verfassungsgebot zuzubilligen.

Auch eine Gebühr wird die Querulanten nicht abschrecken

Querulanten sind eine Plage. Sie lassen sich bis jetzt durch die – oft nicht eintreibbare – Missbrauchsgebühr nicht abschrecken. Jedenfalls die wohlhabenderen unter ihnen werden sich auch durch eine „Mutwillensgebühr“ nicht abschrecken lassen. Man kann die Gebühr trotzdem einführen. Dies könnte zumindest dazu beitragen, den Karlsruher Heiligenschein der blasseren, aber deshalb ja keineswegs schlechten Realität anzupassen. Das beste Mittel ist eine klare Rechtsprechung mit „weißen Blättern“ dort, wo sie angebracht sind. Das Verfassungsgericht hat einen unschätzbaren Vorteil gegenüber allen anderen Gerichten. Gegen seine Entscheidungen, wie gut oder wie schlecht sie im Einzelfall sein mögen, sind (in Deutschland) keine Rechtsmittel mehr möglich. Das schützt.