Dürfen Patienten gefesselt werden? Nach einem Urteil des Verfassungsgerichts muss das ein Richter entscheiden. Doch ohne neue Stellen für die Justiz führt das zu einem Stau bei der Bearbeitung von anderen Fällen.

Stuttgart - Bei den Betreuungsgerichten im Land bleiben immer mehr Fälle liegen. Grund ist ein Anstieg der Eilverfahren um etwa 300 pro Monat zwischen August und Dezember vergangenen Jahres. Aus einem Papier des Justizministeriums geht hervor, dass allein zur Abarbeitung dieser Fälle und für die Normalisierung des Justizbetriebs 20 neue Richterstellen nötig wären.

 

Zu dem deutlichen Anstieg der Eilverfahren hat ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts geführt. Das hatte im Juni entschieden, dass psychisch Kranke im Südwesten nicht mehr auf ärztliche Anordnung am ganzen Körper fixiert werden dürfen. Wenn die Fesselung mehr als 30 Minuten andauere, sei dies ein Freiheitsentzug, den ein Richter anordnen müsse. Damit erklärte das Gericht das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz des Landes in Teilen für verfassungswidrig.

Land will neues Gesetz verabschieden

Laut Justizministerium mussten Richter nach dem Urteil im Schnitt pro Monat mehr als 119 solcher Fälle während ihrer Dienstzeit entscheiden und dafür andere Fälle aufschieben. 182 Entscheidungen entfielen auf die dienstfreie Zeit, 55 davon mussten nachts zwischen 21 und 6 Uhr getroffen werden. Justizminister Guido Wolf (CDU) befürchtet, dass es dabei nicht bleiben wird: „Bei einem zu erwartenden Anstieg psychischer Erkrankungen wird die Anzahl dieser Entscheidung weiter zunehmen“, sagte er unserer Zeitung. Die Justiz habe eine weitere Aufgabe erhalten, „die zwangsläufig zu weiterem Personalbedarf führt.“

Die Verfassungsrichter gaben dem Land vor, das Gesetz bis zum 30. Juni in Einklang mit dem Grundgesetz zu bringen. Zuständig ist das Sozialministerium von Manfred Lucha (Grüne). Dessen Sprecher sagt, dass das neue Gesetz am 7. Mai zum zweiten Mal dem Kabinett vorgelegt werde. Am Problem der fehlenden Richter ändert das jedoch nichts.