Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein haben Verfassungsklage gegen den Feldversuch mit überlangen Lastwagen eingereicht.

Stuttgart - Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein haben Verfassungsklage gegen den umstrittenen Feldversuch mit überlangen Lastwagen eingereicht. Damit wehren sie sich gegen die Verordnung von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), nach der „Gigaliner“ auch ohne Zustimmung der Bundesländer probeweise auf bestimmten Strecken rollen dürfen. Das bestätigte ein Sprecher von Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne).

 

Hermann sprach sich am Montag gegen die Riesen-Lastwagen aus. „Die sogenannten Gigaliner würden noch mehr Waren auf die Straße bringen. Unser Ziel ist aber eine Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene“, erklärte er in einer Mitteilung. Der Feldversuch des Bundes habe nur den einen Zweck, den Riesenlaster als Transportmittel dauerhaft zu etablieren. Grüne und SPD hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, sich nicht an dem Feldversuch zu beteiligen.

Baden-Württemberg will keine Gigaliner auf seinen Autobahnen

Seit dem 1. Januar sind in Deutschland auf ausgewählten Strecken Lastwagen erlaubt, die um bis zu 6,50 Meter länger sein dürfen als bisher. An dem auf fünf Jahre angelegten Versuch mit bis zu 25,25 Meter langen Lastwagen beteiligen sich aber nur Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen und Thüringen. Zwei Lang-Lkw können die Fracht von drei Lastwagen transportieren. Unter den bestimmten Strecken, die für die Riesen-Lastwagen zugelassen sind, sind auch Abschnitte auf den Autobahnen A3, A7 und A96 in Baden-Württemberg. Die Gigaliner können das Bundesland aber nur zum Transit nutzen und dürfen die für sie freigegebenen Autobahnabschnitte nicht verlassen.

Hermann glaubt, dass für diese Verordnung eine Zustimmung des Bundesrates nötig gewesen wäre. Die habe der Bund nicht eingeholt - „vermutlich in der Angst, keine Mehrheit im Bundesrat zu bekommen“, hieß es im Juni, als Hermann die Klage ankündigte.

Wie das Verkehrsministerium in Stuttgart weiter mitteilte, ist ein Gutachten des Justizministeriums sowie eine Antragsschrift von Prof. Martin Nettesheim von der juristischen Fakultät der Universität Tübingen die Grundlage für den Normenkontrollantrag. Die CDU-geführte Vorgängerregierung in Baden-Württemberg hatte sich noch für den Riesenlaster-Test ausgesprochen. Auch das nun von SPD, Grünen und SSW regierte Schleswig-Holstein, das ursprünglich ebenfalls zugesagt hatte, will beim Feldversuch nicht mehr mitmachen.

Das Bundesverfassungsgericht bestätigte, es lägen Normenkontrollanträge aus Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein vor. Zudem seien Klagen von SPD- und Grünen-Bundestagsabgeordneten eingegangen. Wann sich das Gericht damit befasse, sei bislang noch nicht abzusehen, sagte eine Sprecherin in Karlsruhe.

Kritik an Klage von der FDP und der IHK

Kritik an der Verfassungsklage kam vom verkehrspolitische Sprecher der FDP im Landtag, Jochen Haußmann: „Minister Hermann soll sich lieber um die Herausforderungen der Verkehrsinfrastruktur kümmern, statt an allen Stellschrauben den Straßenverkehr zu diskreditieren.“ Man hätte gelassen die Ergebnisse des Feldversuchs abwarten und dann mit kühlem Kopf entscheiden können, meinte er.

Der Verkehrsreferent der Industrie- und Handelskammer in Stuttgart, Götz Bopp, sagte: „Das System Gigaliner bringt Vorteile für Unternehmen, Wirtschaft und Umwelt. Wir können nicht nachvollziehen, weshalb sich das Land einem innovativen Nutzverkehrsfahrzeug-Konzept verschließt.“ Dass sich in Baden-Württemberg bislang nur ein Unternehmen an dem Feldversuch beteiligt, führt Bopp vor allem darauf zurück, dass nur bestimmte Strecken von den längeren Riesen-Lastwagen genutzt werden könnten.

Unterstützung bekamen die Kläger vom Auto Club Europa (ACE). Dessen Leiter Verkehrspolitik Matthias Knobloch, sagte, für die Riesen-Lastwagen seien mehr und größere Parkplätze nötig - die Verkehrsinfrastruktur müsse teilweise umgebaut werden. „Zahlen darf das der Steuerzahler.“ Auch der Chef der Gewerkschaft der Polizei in Baden-Württemberg, Rüdiger Seidenspinner, sagte, Gigaliner machten auf den verstopften deutschen Autobahnen keinen Sinn. „Man kriegt schon Angst, wenn man als Autofahrer an einem normalen Lastwagen vorbeifahren soll“, sagte er. „Wir haben keine Straßen wie in Alaska oder Australien, die quer durch menschenleeres Gebiet gehen.“