Noch gibt es keinen Nachfolger für Hans-Georg Maaßen, den Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der vor einem Monat gefeuert wurde. Offen ist auch, welche Rolle und welche Kompetenzen der Geheimdienst künftig haben soll.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart/Berlin - „Im Verborgenen Gutes tun!“ Mit diesem Spruch wirbt das Bundesamt für Verfassungsschutz um neue Mitarbeiter. Es gibt dort offene Stellen zuhauf. Gesucht werden vor allem Cybertechniker, Informatiker und Ingenieure, die sich mit Nachrichtentechnik auskennen, aber auch Leute mit Fremdsprachenkenntnissen. Vor allem Arabisch, Berberisch und Russisch wären da gefragt. Die wichtigste Stelle des deutschen Inlandsgeheimdienstes ist auf dessen Homepage nicht annonciert – und gleichwohl seit Wochen nur noch kommissarisch besetzt. Vor einem Monat hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mitgeteilt, dass Hans-Georg Maaßen als Präsident des Verfassungsschutzes abgelöst werden soll. Einen Nachfolger für das heikle Amt hat er bis jetzt nicht gefunden.

 

Maaßen-Nachfolge: Viele Namen sind im Gespräch

Für diesen Job, einen der schwierigsten im gesamten Sicherheitsapparat, sind eine ganze Reihe potenzieller Kandidaten im Gespräch: Der Sindelfinger Clemens Binninger, bis 2017 CDU-Abgeordneter und Vorsitzender des Parlamentsgremiums zur Kontrolle der Geheimdienste, ist einer von ihnen. Er hat sich inzwischen beruflich aber anders orientiert und verdient sein Geld mit einem Beratungsunternehmen. Beate Bube, Chefin des baden-württembergischen Landesamtes für Verfassungsschutz, zählt auch zu den Aspiranten auf die Nachfolge Maaßens. Auch sie hat nach Auskunft von Leuten, die mit ihr darüber gesprochen haben, allerdings kein Interesse. Auf der Liste stehen auch ihr Hamburger Kollege Torsten Voß, Maaßens Stellvertreter Thomas Haldenwang sowie Alexander Eisvogel, der den Verfassungsschutz in Hessen geleitet hat, bevor er Chef der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung wurde, und Arne Schlatmann, der im Auftrag des Bundestags die deutschen Geheimdienste kontrolliert.

Minister Seehofer tut sich offensichtlich schwer mit dieser Personalie. Was auch daran liegen kann, dass er zurzeit eher als CSU-Chef unterwegs und kaum in seinem Ministerium anzutreffen ist. Egal, wer Maaßens Nachfolger wird – auf den obersten Verfassungsschützer kommen große Herausforderungen zu. Die Behörde soll rasant wachsen: von aktuell 3110 Stellen auf 6000 im Jahre 2021.

Grüne wollen Inlandsgeheimdienst aufgliedern

Zudem wird in Sicherheitskreisen seit Jahren diskutiert, ob das Amt mit Hauptsitz in Köln richtig aufgestellt ist. Die Linkspartei würde es am liebsten auflösen. Die Grünen würden es gerne zweiteilen. Diesen Vorschlag haben die beiden Abgeordneten Irene Mihalic und Konstantin von Notz, Sicherheitsexperten der grünen Bundestagsfraktion, unlängst unterbreitet. In einem Gastbeitrag für die „Welt am Sonntag“ beklagten sie die „mangelnde Analysefähigkeit“ der Behörde, vor allem bei der Aufklärung rechtsextremer Netzwerke, zudem „Schwachstellen bei der Beobachtung von islamistischen Gefährdern“. Sie sprechen sich deshalb dafür aus, alle Abteilungen, die gar nicht wie ein Geheimdienst arbeiten, sondern lediglich öffentlich zugängliche Quellen wie Flugblätter oder Interneteinträge auswerten, aus der Sicherheitsbehörde auszugliedern und in ein „Institut zum Schutz der Verfassung“ umzuwidmen. Dieses wäre dann mit wissenschaftlicher Analyse und Information beschäftigt. Der verkleinerte Inlandsgeheimdienst soll nach diesem Vorschlag „Amt zur Gefahrenerkennung und Spionageabwehr“ heißen.

Auch unter konservativen Sicherheitsexperten findet dieser Vorschlag insgeheim Beifall. Er sei aber aus der Warte der Grünen „nicht zu Ende gedacht“, sagt ein CDU-Mann. Ein auf die eigentlichen Spitzeldienste reduzierter Verfassungsschutz wäre von bürokratischen Hemmnissen befreit und könnte wesentlich effektiver arbeiten. „Das wäre ein echtes Schnellboot“, sagt der Christdemokrat. „Ob das aber im Sinne der Grünen wäre?“

CDU: Reformvorschläge der Grünen „geradezu grotesk“

Der CDU-Abgeordnete Armin Schuster, oberster Geheimdienstkontrolleur des Bundestags, teilt die Kritik seiner beiden Grünen-Kollegen, hält es aber für „geradezu grotesk“, den Verfassungsschutz zerschlagen zu wollen. Der Vorschlag von Mihalic und von Notz „liegt komplett daneben“, urteilt er. Wichtig erscheint ihm vielmehr, den Verfassungsschutz personell und technisch weiter aufzurüsten. Es seien dort viel zu viele subalterne Kräfte beschäftigt und zu wenig wissenschaftlich ausgebildete Experten, etwa Sinologen und Islamwissenschaftler. Wenn Schuster keine Rücksichten auf den Koalitionspartner SPD nehmen müsste, dann würde er dem Verfassungsschutz auch erweiterte gesetzliche Kompetenzen einräumen: etwa die Lizenz für Online-Durchsuchungen, die Möglichkeit, Telekommunikation direkt an den jeweiligen Quellen zu überwachen und verschlüsselte Messengerdienste wie WhatsApp zu knacken.

Schuster hält es darüber hinaus für erforderlich, die zentralen Rolle des Bundesamtes für Verfassungsschutz gegenüber den Länderkollegen beim Einsatz gegen Islamisten und in Cyberabwehr zu stärken. „Dazu braucht es Kompetenzen, die sich nicht jedes Bundesland leisten kann“, sagt der CDU-Mann. Defizite in dieser Hinsicht hatte auch Maaßen selbst schon beklagt. Das Neben- und Gegeneinander von insgesamt 17 einschlägigen Behörden sei hinderlich. „Der Föderalismus hat im Sicherheitsbereich immer wieder Nachteile.“ Als abschreckendes Beispiel gilt der Fall des Berliner Attentäters Anis Amri, der alle Schwächen der Behördenvielfalt offenlegte.

An dieser Stelle sieht auch Burkhard Lischka Reformbedarf, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Die Zusammenarbeit zwischen den Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern „muss dringend verbessert werden“, fordert er. Dazu könne es auch dienlich sein, wenn einzelne Ämter sich auf spezielle Aufgaben konzentrierten. Lischka sagt: „Nicht jedes Landesamt muss alles machen.“ Nach der Maaßen-Affäre müsse der Nachrichtendienst sich vorrangig „im Innern konsolidieren und die Mitarbeiter neu motivieren“. Diesem Zweck dienten die Reformvorschläge der Grünen nicht. Lischka hält nichts davon, die Behörde aufzugliedern. „Das bringt keine Vor-, sondern nur jede Menge Nachteile.“