Die islamische Gülen-Bewegung wird in Baden-Württemberg weiterhin nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Allerdings prüft das Landesamt für Verfassungsschutz, „ob ausreichende Anhaltspunkte für eine Beobachtung vorliegen“.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die islamische Gülen-Bewegung wird in Baden-Württemberg weiterhin nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Allerdings prüft das Landesamt für Verfassungsschutz, „ob ausreichende Anhaltspunkte für eine Beobachtung vorliegen“. Mit dieser Erklärung reagierte die Behörde auf Medienberichte über ein internes Papier, das sich kritisch mit der Gülen-Bewegung auseinandersetzt. Die Anhänger des türkischen Predigers Fethullah Gülen (72), der seit Jahren in den USA lebt, werden auch im Südwesten mit Schulen, Nachhilfeeinrichtungen, Begegnungsstätten und Unternehmensverbänden in Verbindung gebracht.

 

Laut dem Landesamt hat die Prüfung ergeben, dass Schriften, die von Gülen oder seinen Anhängern in der Vergangenheit publiziert wurden, im Widerspruch zu Teilen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik stehen. Beispielhaft genannt wird die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Religionsfreiheit, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung und die Freiheit der Lehre. Bisher gebe es jedoch „keine ausreichenden Anhaltspunkte“ dafür, dass die Gülen-Bewegung gezielt Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verfolge.

„Zuordnung nicht beweisbar“

Einzelne Einrichtungen würden sich zwar zu Gülen als Vordenker bekennen, konstatiert der Verfassungsschutz. Es fehle jedoch „an einer eindeutig beweisbaren organisatorischen Zuordnung“ zur Gülen-Bewegung. Zudem fänden sich keine ausreichenden Belege dafür, dass verfassungskritische Positionen in den Lehren Gülens „bei den Aktivitäten einzelner Einrichtungen und Vereine zum Tragen kommen“. Auch gebe es keine Hinweise, dass deren Angebote darauf abzielten, „die zentralen Verfassungsgrundsätze zu beseitigen“.

Die Landtags-CDU befürwortet gleichwohl eine offene Diskussion „über die oft nicht durchschaubaren Hintergründe der Bewegung“. Ihr Integrationsexperte Bernhard Lasotta forderte die Regierung auf, dem Parlament die Erkenntnisse des baden-württembergischen Verfassungsschutzes und anderer Länderbehörden zugänglich zu machen. Zudem solle die Regierung ihre Position zur Gülen-Bewegung klarstellen und eine Prüfung von Schulen und Einrichtungen veranlassen, die dieser nahestehen. Einen entsprechenden Antrag werde die CDU noch diese Woche einbringen, kündigte Lasotta an.

CDU-Mann warnt vor Bewegung

Der Abgeordnete sagte, er habe schon in der Vergangenheit vor den Aktivitäten der Gülen-Bewegung gewarnt, „weil sie unter dem Deckmantel der säkularen und liberalen Integration und des interkulturellen Dialogs Parallelgesellschaften ermöglicht“. In den Einrichtungen werde „Kaderschulung für das Gülen-Netzwerk betrieben“. Dieses verfolge „einen türkischen Nationalismus mit islamistischen Komponenten“. Es werde sogar davon gesprochen, das Ziel Gülens sei ein islamischer Staat. Bei den derzeitigen innenpolitischen Turbulenzen in der Türkei wird den Gülen-Anhängern eine wichtige Rolle zugeschrieben.

Als erster Landespolitiker hatte der frühere Justizminister Ulrich Goll (FDP) vor der Gülen-Bewegung gewarnt. Für ihn überwögen neben den löblichen die bedenklichen Aspekte, sagte er 2010. Er verwies auf problematische Ansichten wie die, „dass man seiner Frau am besten zwischendurch eine Tracht Prügel verpasst“.

Ministerin Öney hält sich raus

Die aktuelle Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) verweist stets darauf, dass die Gülen-Bewegung nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werde. Von einer Ankündigung, Auftritte an Gülen-nahen Einrichtungen zu vermeiden, war sie später wieder abgerückt. Die entsprechenden Schulen unter anderem in Stuttgart und Umgebung wurden wiederholt von hochrangigen Politikern besucht – bis hin zu Ministerpräsident Winfried Kretschmann und EU-Kommissar Günther Oettinger.