Die Stadträte müssen bei der Diskussion über die Besitz- und Betriebsverhältnisse beim Stromnetz darauf achten, das Vergabeverfahren nicht formal zu gefährden. Dafür ist das Bundeskartellamt heftig angegangen worden.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Es ist eine außergewöhnliche Sitzung des Verwaltungsausschusses am Mittwoch gewesen: Zwei Stunden lang haben die Stadträte teils hitzig über die Vergabe der Strom- und Gaskonzessionen diskutiert, obwohl sie dazu eigentlich gar nichts sagen durften. In einem Brief an OB Fritz Kuhn hat das Bundeskartellamt, das ein strenges Auge auf Stuttgart hat, nach den jüngsten Medienberichten klargestellt, dass die sechs Bewerber gleich behandelt werden und die Stadträte neutral bleiben müssten.

 

Dafür ist in der Sitzung aber viel Klartext geredet worden. Zum einen gegenüber dem Kartellamt selbst. Manfred Kanzleiter (SPD) kritisierte, dass die Behörden die Interessen der Bewerber höher stelle, als das Bedürfnis der Bürger nach Transparenz. Hannes Rockenbauch (Linke/SÖS) sprach sogar davon, dass der Kommune das Recht auf Selbstverwaltung entzogen werde, weil sie nicht frei entscheiden dürfe, wem sie die Konzessionen für Strom und Gas gibt.

Unterschiedliche Schwerpunkte

Zum anderen positionierten sich fast alle Fraktionen in der Sache deutlich, auch wenn kein Bewerber beim Namen genannt wurde. So konnte man herauslesen, dass die Versorgungssicherheit bei der CDU, der FDP und den Freien Wählern einen sehr hohen Stellenwert hat. Das, so darf man interpretieren, spricht dafür, dass man sich eine Kooperation der Stadtwerke Stuttgart mit einem weiteren Bewerber wünscht. Bei den Grünen und der SPD steht dagegen laut Kanzleiter „die kommunale Energiepolitik aus einem Guss“ im Vordergrund, weshalb man möglichst schnell die Stadtwerke in einer führenden Rolle haben will.

Einen großen Teil der Sitzung dominierte allerdings Hannes Rockenbauch, den der OB mehrmals zur Ordnung rief. Rockenbauch kritisierte, dass die Stadt bei einem der drei beschlossenen Unternehmensmodelle freiwillig auf die Mehrheit in der Betreibergesellschaft verzichtet – bei diesem „Modell A“ würden die Stadtwerke erst nach zehn Jahren 50,1 Prozent der Anteile erlangen. Die Länge der Übergangszeit beklagen auch die SPD und die Grünen. Für eine kürzere Lösung hatten sie aber keine Mehrheit gefunden, gerade weil Rockenbauch bei der Abstimmung vor wenigen Wochen ausgeschert war. Für dessen gestrigen Antrag, dieses „Modell A“ wieder ganz zu streichen, stimmte nun nur er allein.

Endgültige Entscheidung fällt im Herbst

Bei der Debatte wurde deutlich, dass es allen Fraktionen in ihren politischen Überlegungen um die Frage geht, wie man am besten, am sichersten und am schnellsten zu einer kommunalen Energiepolitik kommt. Grüne, SPD in moderaterem Maße, viel stärker noch CDU, FDP und Freie Wähler haben einen pragmatischen Ansatz: Sie wollen die Phase der technischen Entflechtung der Netze kurz halten und einen Rechtsstreit mit dem Altkonzessionär EnBW vermeiden; also bieten sie auch die Option einer Kooperation an. „Es ist besser, ab 2014 einen begrenzten Einfluss auf die Netze zu haben, als wegen eines Rechtsstreites fünf Jahre lang gar keinen“, so CDU-Fraktionschef Alexander Kotz. Rockenbauch war damit nicht zufrieden: „Seit wann ist die Angst vor einem Rechtsstreit Teil unseres Kriterienkatalogs?“, fragte er.

Die Entscheidung, wer die Konzessionen erhält, wird im Herbst nach Eingang der konkreten Angebote nach eben diesem Kriterienkatalog gefällt. Drei Möglichkeiten gibt es derzeit: Ein Bewerber könnte die Netze zu 100 Prozent alleine übernehmen, die Stadtwerke könnten als Hauptpartner mit einem Bewerber kooperieren oder – dies sorgt für den Aufruhr – die Stadtwerke hätten nur im Eigentum, aber nicht im Betrieb die Mehrheit.

Krach zwischen Stadt und EnBW bei Fernwärme und Wasser

In der städtischen Vorlage wird übrigens noch ein interessantes Detail aufgeführt. Das Verfahren für die Fernwärme hat die Stadt jetzt zurückgestellt, weil die EnBW als bisheriger Konzessionär nicht alle Daten herausgebe und weil der Konzern der Meinung sei, so OB Fritz Kuhn, ihm stünde „eine Art Ewigkeitsrecht“ für die Konzession zu. Bei der Fernwärme und beim Wasser gibt es also Krach zwischen Stadt und EnBW – bei Strom und Gas ist die EnBW einer der sechs Bewerber, und nicht der am wenigsten aussichtsreichste.